Hexenkopf Großer

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Höhe:
3.313 m
Infos:
Weissspitze (3299m) – Hinterer Seekopf (3260m, I. Erst.) - Vorderer Seekopf (3197m, I. Erst.) - Hexenkopf (3311 m, I. Erst.).
Ersterer Gipfel, eines der schönsten Schaustücke in der grossartigen nächsten Umgebung der Defregger-Hütte, war unser nächstes Ziel, als wir - Herr H. v. Ficker aus Innsbruck und der Unterzeichnete - am 13. August d. J. diese verliessen und noch in der Morgendämmerung (4 Uhr 25min) dem zerklüfteten Mullwitzkees zustrebten, um über dasselbe zunächst das Frossnitzthörl zu erreichen. Am Vortage hatten wir die weite Gratwanderung vom Grossvenediger bis zum Klexenkopf durchgeführt, und unsere hier zurückgelassenen Spuren kamen uns bei der Überquerung nun sehr zu statten, so dass wir trotz der grossen Zerklüftung schon nach einer Stunde (5 Uhr 25 min.) auf dem Thörl standen. Unsere Absicht war nämlich, da wir von einer früheren Besteigung der Weissspitze noch nichts wussten, auf dem anscheinend kürzeren Wege, und zwar über den zum Frossnitzthörl sich absenkenden Nordgrat den Gipfel zu gewinnen. Dieser, ein meist scharfer Felsgrat, der nur im oberen Theile überfirnt erscheint, bildet mehrere Absätze. Über die ersten geht es zwar sehr steil, aber nicht schwierig und rasch aufwärts, erst in der letzten Hälfte bietet eine recht unangenehme Traverse über ein abgebrochenes Band zu einem kurzen Kamin nicht unerhebliche Schwierigkeiten; schliesslich führt ein steiler Firnhang zum Gipfel, der einen prächtigen Übersichtspunkt über die centrale und südliche Venediger-Gruppe bildet (6 Uhr 20min.).
In einem der beiden Steinmännchen fand sich ein Zettel von Dr. Fritz Drasch vom 29. September 1894, der wahrscheinlich als Erster diesen Gipfel von dem südwestlich liegenden Wallhornthörl aus erstieg. Wie ich erst später durch eine freundliche Mittheilung erfuhr, hat über den von uns benützten Nordgrat Herr Dr. Bertram aus Meiningen mit Führer Schwärzler bereits einige Wochen vorher, am 22. Juli d. J., eine Besteigung vollführt. Zur Überwindung des Grates benöthigten dieselben, wahrscheinlich infolge schlechterer Verhältnisse, eine dreimal so lange Zeit als wir; der Abstieg wurde dann zum Wallhornthörl genommen, der als sehr leicht geschildert wird. Die Besteigung der Weissspitze vom Frossnitzthörl aus gehört wohl neben dem Grossvenediger zu den weitaus lohnendsten und auch interessantesten Partien, die für Geübte ohne grosse Mühe und Zeitaufwand von der Defregger-Hütte aus unternommen werden können.
Nach kurzem Aufenthalte begannen wir 6 Uhr 45 min. wieder den Abstieg, um die noch unerstiegenen Seeköpfe zu besuchen. Ein kurzes Stück verfolgten wir den nach Südosten ziehenden Hauptgrat, stiegen dann aber über die sehr steile Flanke nach Überwindung einer bedeutenden Randkluft zum obersten Geraneberkees ab, das wir nun bis zum Fusse des Hinteren Seekopfes überquerten. Über einen sehr steilen Firnhang, der bei schlechten Verhältnissen wohl nicht leicht zu überwinden sein dürfte, gelangten wir auf das schmale Gipfelplateau desselben, schon 20 Min., nachdem wir die Weissspitze verlassen (7h 5 m).
Nach Errichtung eines kleinen Steinmannes stiegen wir (7h 2015) ohne Schwierigkeiten über die weniger geneigte Südseite wieder zum Keesboden ab und strebten nun einem breiten, zwischen den beiden Seeköpfen tief eingesenkten Sattel, dem Seekopfthörl zu. Von da setzt sich der Grat zu dem, von hier aus wenig selbstständig erscheinenden Vorderen Seekopf fort, um sich nach einer weiteren unbedeutenden Einschartung in einem ungemein kühnen Eis- und Felsgrate zum Hexenkopf emporzuschwingen. Wir hielten uns nun unmittelbar unter der Gratschneide, und über den sanft geneigten Firnhang emporsteigend, erreichten wir um 8h den Gipfel des Vorderen Seekopfes.
Jetzt kam die Hauptaufgabe des heutigen Tages, die anscheinend nicht leicht werden sollte, nämlich die Erkletterung des ebenfalls noch unerstiegenen Hexenkopfes (3311m, Hinterer Eichham der Alpenvereinskarte). Die einzige Möglichkeit dazu bot der abschreckend steile Nordostgrat und die daran anschliessende Nordflanke des Berges. Gleich oberhalb der Einsenkung am Fusse desselben begann die Stufenarbeit; eine zeitlang konnten wir den Grat benützen, bald mussten wir aber infolge der Abbrüche in der eisbedeckten Flanke unser Weiterkommen suchen, wo wir mit mühsamem Stufenschlagen und abwechselnd schwieriger Plattenkletterei nur sehr langsam an Höhe gewannen. Erst im letzten Drittel konnten wir uns wieder dem Grate nähern, den wir nun bis zum Gipfel weiter benützten (9h 50m). Mehr als 1 1/2 Stunden hatte uns also die Bezwingung dieses verhältnismässig nicht sehr hohen Gipfelmassives gekostet. Nachdem wir über eine Stunde gerastet, nahmen wir den Abstieg über die zwar steilen, aber gut gangbaren Bratschenhänge auf der Südseite, über die sich aus dem Timmelthale ein viel leichterer Aufstieg als der von uns gemachte bewerkstelligen liesse, und dann weiter durch eine steile, mit losem Schutt und Schnee erfüllte Rinne zum Säul-Frossnitzkees h 35 m). Nun mussten wir um einen vom Vorderen Seekopf nach Osten vorspringenden kurzen Seitenast herum in glühender Mittagshitze zum Seekopfthörl mühsam emporklimmen, da ich oberhalb desselben meinen Schnerfer zurückgelassen hatte. Von hier überquerten wir das ganze Geraneberkees bis zum Wallhornthörl (1 Uhr 50m), stiegen zum Zettalunitzkees ab, überschritten dessen Zunge und trafen dann mit dem schönen Wege zusammen, der zur Johannis-Hütte hinunterführt, wo wir bereits um 3 Uhr 25min. eintrafen.
Ludwig Prochaska, Akad. Alpen-Club Innsbruck
Quelle: Österreichische Alpenzeitung 1898, Seite 292-293


Bild:
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Gebirgsgruppe:
Venediger-Gruppe
Erste(r) Besteiger(in):
Ficker Heinrich von
Prochaska Ludwig Dr. (Wien)
Datum erste Besteigung:
13.08.1898

Routen:
Nordostgrat
Nordrippe und Oberer Westgrat
Südgrat - "Direkter"

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