Melzer Otto
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Biografie:
Unglücksfall im Karwendelgebirge. Im Karwendelgebirge sind, wie wir schon in der letzten Nummer kurz berichteten, am 6. und 7. October zwei vorzügliche Innsbrucker Bergsteiger, die Herren Otto Melzer und Emil Spötl, verunglückt.
Die traurige Katastrophe spielte sich nicht, wie die ersten Nachrichten gemeldet hatten, an der Jägerkarspitze, sondern an den Nordwänden der Praxmarerkarspitze ab. Der genaue Hergang wird - wenn nicht etwa bei der Leiche Otto Melzers noch eine letzte Aufzeichnung gefunden werden sollte - für immer unaufgeklärt bleiben. Melzer und Spötl waren am Sonntag den 6. October früh in leichter Ausrüstung und mit Kletterschuhen in die sehr schwierigen Felsen eingestiegen. Das morgens günstige Wetter verschlechterte sich im Laufe des Tages und schlug gegen Abend in einen heftigen Schneesturm um. Die Beiden hatten, falls nicht etwa Spötl schon am Sonntag abgestürzt ist, den Aufstieg vor Eintritt des schlechten Wetters nicht vollenden können und wurden zu einem gewiss schauerlichen Biwak genöthigt. Am Abend dieses Tages wurden von Jägern Hilferufe gehört. Nach der "Oesterr. Alpen-Zeitung" habe nun der "fürstliche Jagdherr" nichts veranlasst und angeblich "aus Schonung für seine Jäger" nicht einmal eine Meldung nach Scharnitz erstattet. Dem widerspricht aber direct ein anderer Bericht, der wie folgt lautet: ?Am Sonntag den 6. October, nachmittags gegen 4 U., hörten der Erbprinz zu Leiningen und sein Jäger, welche sich zur Pürsche auf Hinteröd befanden, Rufe, man konnte aber nicht unterscheiden, was gerufen wurde und woher die Töne kamen, weil sehr starker Südwind blies. Da nun Sonntags die Gleierschkette öfters besucht wird, nahm man an, dass es wieder Touristen gewesen, die - wie es leider öfters vorkommt - aus Uebermuth gerufen, beziehungsweise geschrien hätten. Der Erbprinz begab sich, da es dunkel wurde, zurück in das Jagdhaus im Hinterauthal. Der Jagdherr der Scharnitzer Jagd, Fürst zu Hohenlohe-Langenburg, dem von dem Vorfalle berichtet wurde, sandte am Montag morgens bei Tagesgrauen einen seiner Jäger unter die Gleierschwand, damit dieser nachforsche, ob sich nicht etwa doch ein Mensch in Lebensgefahr befände. Dieser Jäger war gegen 9 U. oben, rief in die Wände hinauf und erhielt von oben die Antwort: "Hilfe, ich komme nicht mehr aus!" Erblicken konnte er niemanden,' da in der Nacht Schneefall eingetreten und die ganze Gebirgskette in dichten Nebel gehüllt war.
Er glaubte jedoch feststellen zu können, dass die Verunglückten sich bei der Praxmarerkarspitze befänden, und rief hinauf, sie sollten ruhig bleiben, da man versuchen werde, Hilfe zu bringen. Gegen 11 U. kam der Jäger zum Jagdhause zurück und meldete das Gehörte. Da ein Aufstieg über die steilen Wände von dieser Seite bei den herrschenden Schneeverhältnissen und der Vereisung ausgeschlossen war und nur vom Gleierschthale aus versucht werden konnte, sandte der Jagdherr sofort den Jäger mit Proviant und dem nöthigen Verbandzeug versehen nach dem Gleierschthale, um von dem dort anwesenden Jagdherrn Baron v. Einghoffer weitere Mannschaften zu erbitten und die Rettung zu versuchen. Ein zweiter Bote wurde zu gleicher Zeit mit einem Briefe nach Scharnitz abgesandt, um von dort aus einige Bergführer zu holen. Gegen 3 U. kam der Jäger im Gleierschjagdhause an und stieg mit einem ihm von dort beigegebenen Jäger und zwei geübten Treibern zur Jägerkarspitze an, da zur Zeit nur von dort aus ein Eindringen in die Wände möglich war. Gegen 5 U. 30 waren die Leute oben und der Jäger des Baron Ringhoffer, sowie ein Treiber stiegen in die Wände ein, während der Hohenlohe'sche Jäger und der andere Treiber warteten, um eventuell weitere Hilfe zu leisten. Da die beiden Ersterwähnten nach 1 1/4 St. noch nicht zurück und es dunkel geworden war, glaubten die Zurückgebliebenen, dass jene an anderer Stelle ausgestiegen und wieder in das Gleierschthal hinabgegangen seien, giengen dann auch zurück und kamen um 10 U. im Gleierschjagdhause an, wo sie aber die beiden nicht vorfanden. Dienstag früh begab sich bereits um 2 U. der Hohenlohe'sche Jäger mit den aus Scharnitz angekommenen Führern und weiteren Mannschaften wieder auf den Weg. In der Nacht war bei bitterer Kälte und Wind neuer Schnee gefallen. Es stellte sich nun heraus, dass die am Abend vorher von der Jägerkarspitze Eingestiegenen sich verstiegen hatten, so dass sie weder rückn och vorwärts konnten und die ganze Nacht an den Fels gedrückt hatten verharren müssen. Beide mussten unter Lebensgefahr mit Seilen gerettet werden und kamen fast erfroren wieder oben an. Von den Verunglückten war schon abends vorher nichts mehr gehört worden, trotzdem gerufen wurde, es ist daher mit Bestimmtheit anzunehmen, dass dieselben schon um diese Zeit sich nicht mehr am Leben befanden. Um 6 U. wurde trotz des Schnees, Eises und starken Windes ein zweiter Rettungsversuch gemacht, welcher ergab, dass ein Eindringen und Aufsuchen der Verunglückten ganz unmöglich sei, und es musste das Rettungswerk aufgegeben werden. Mittwoch in der Frühe kamen mehrere Personen aus Innsbruck von der Haller Anger-Hütte im Hohenlohe'schen Jagdhause an, welche am Tage vorher nach den Vermissten gesucht und sich überzeugt hatten, dass eine Bergung derselben zur Zeit unmöglich sei. Am Nachmittag des genannten Tages berichteten im Hohenlohe'schen Jagdhause drei Scharnitzer Führer, die von Hinteröd aus sich nochmals auf die Suche begeben hatten, dass sie den bis zur Unkenntlichkeit verstümmelten Leichnam des Emil Spötl ca. 150 m. unter der Wand zwischen dem Kleinen Jägerkar und der Praxmarerkarspitze mit einem 15 m. langen abgerissenen Seile um den Leib gefunden haben." Aus diesem Berichte geht hervor, dass seitens der Jagdherren und des Jagdpersonales alles gethan wurde, was am Montag und später noch möglich war. Verhängnisvoll war
es nur, dass die erste Wahrnehmung der Hilferufe seitens des Erbprinzen von Leiningen und seines Jägers nicht entsprechend beachtet wurde. Da dies schon am Sonntag um 4U. nachmittags war, ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass den Verunglückten noch hätte Hilfe gebracht und vielleicht ein Menschenleben hätte gerettet werden können. Denn wie die Jäger sagen, wurden die Hilferufe stets als nur von einem Menschen herrührend festgestellt. Es ist also möglich, dass einer der beiden, Spötl, bereits am Sonntag nicht mehr lebte. Dies wäre dann so zu erklären, dass Spötl etwa abgestürzt ist (wofür das abgerissene Seil als Wahrscheinlichkeitsbeweis angeführt werden könnte), dass Melzer sich dann zu retten suchte, aber (vielleicht selbst etwas verletzt?) dies allein nicht mehr vermochte und um Hilfe rief. Eine andere Annahme geht dahin, dass die beiden Unglücklichen durch den furchtbaren Wettersturz zu einem todbringenden Biwak an gefährlicher Stelle genöthigt wurden, und dass Spötl, der möglicherweise nur wenig versichert war, erst als Leiche über die Wand abgestürzt ist. Der ärztliche Befund konnte nicht mehr feststellen, ob die schweren Verletzungen des Spötl erst nach eingetretenem Tode durch Erfrieren erfolgt seien, oder ob der Tod eine Folge dieser Verletzungen war. Für die erstere Annahme wird der Umstand angeführt, dass etwa hundert Schritte von dem Fundorte der Leiche Spötls am Dienstag den 8. October einige Herren aus Innsbruck vorübergiengen, die, wie das "Tiroler Tagblatt" meldet, "die Leiche hätten unbedingt sehen müssen, wenn sie zu jenem Zeitpunkte schon dort gelegen wäre".
Die Innsbrucker Rettungsgesellschaft war durch zwei Freundinnen der Verunglückten, welche mit den Bergschuhen der letzteren in der Pfeisalpe vergebens gewartet hatten, noch in der Nacht von Sonntag auf Montag verständigt worden. Es machten sich sofort mehrere Freunde der Verunglückten auf die Suche, allein infolge des höchst ungünstigen Wetters und da man nicht wusste, wo sich die Vermissten befinden könnten, waren leider alle Bemühungen vergeblich. Erst am 13. October gelang es drei Männern (Emil Kleber, Jäger Heiss und Führer Pontoi), von dem aus der Gleierschkette von der Praxmarerkarspitze nördlich vorspringendem Rücken des Zeigers aus den Leichnam Melzers mit dem Fernglase aufzufinden. Der Unglückliche war mit seinem Seile an den Felsen festgebunden und ruhte in halbliegender Stellung auf seinem Rucksacke. Infolge der starken Vereisung war die Bergung der Leiche bis zum 24. October noch nicht möglich. Diese zwei vorzüglichen Felskletterer, von denen Melzer nach den Versicherungen seiner Freunde mit seiner hervorragenden Tüchtigkeit auch grosse Vorsicht verband, sind (wie im Vorjahre Pott und Müller auf dem Admonter Reichenstein) Opfer eines gewaltigen Wettersturzes geworden. Hätte das Wetter ausgehalten, so würden die zwei berggewohnten und in bester Uebung befindlichen Alpinisten
gewiss ihre Fahrt in der einen oder anderen Weise glücklich durchgeführt haben. Grosse, voraussichtlich sehr lange Zeit erfordernde, schwierige Felstouren sollen in so vorgerückter Jahreszeit nur bei absolut verlässlichem Wetter unternommen oder bei dem Auftreten der ersten Anzeichen eines Wetterumschlages abgebrochen werden. An jenem Tage sollen in Innsbrucks Umgebung schon um die Mittagszeit für Kundige unverkennbare Zeichen eines starken Wetterumschwunges bemerkbar gewesen sein.
Quelle: Mitteilungen des DÖAV 1901, Folge 20, Seite 248-249
Die Leiche des Landschaftsbeamten (Otto Metzer, der am 6. Oktober 1901 in der Praxmarerkarwand verunglückte, wurde am 19. September, nach mühseligen, gefahrvollen Bergungsarbeiten, die endlich, nachdem man schon jede Hoffnung aufgegeben, doch noch von Erfolg begleitet waren, nach Innsbruck überführt und
nachmittags auf dem städtischen Friedhofe beerdigt. Eine unabsehbare Menschenmenge wohnte dem letzten Trauerakte daselbst bei. Der Vorstand des Deutschen Turnvereins, Wilhelm Seiffert, hielt namens desselben, sowie der Bergsteigerriege dieses Vereines, deren Mitglied Otto Melzer war, am offenen Grabe einen ehrenden
Nachruf, worauf der Deutsche Männergesangverein den Toten durch ein Grablied ehrte. Eine Unmasse herrlicher Kranzspenden, gewidmet von den Angehörigen und Freunden, schmückten das Grab. Am 11. Oktober jährt es sich, daß der unglückliche Leidensgenosse Otto Melzers, Spöttl, unter gleich zahlreicher Teilnahme beerdigt wurde. Heute wie damals wölbte sich ein nahezu wolkenloser Himmel Über die Gegend; welch' ein Kontrast zu jenem stürmischen Sonntag, den 6. Oktober 1901, an welchem diese beiden erstklassigen Touristen und hochbegeisterten jugendlichen Freunde unserer hehren, stolzen Alpenwelt ihren Tod in den Bergen, die sie so geliebt, gefunden haben!
Quelle: Österreichische Alpenpost 1902, Nr. 18, Seite 9
Die Auffindung der Leiche Otto Melzers an der Nordwand der Praxmarerkarspitze haben wir bereits in der letzten Nummer gemeldet. Herr W. Heinz in Innsbruck teilt uns diesbezüglich noch folgendes mit: " Sonntag den 24. August stiegen die Herren Henkel und Reiter in die Praxmarer Nordwand ein, um zu der Leiche Otto Melzers zu gelangen. Der Körper liegt am Ausgange eines breiten, senkrechten und glatten Kamins auf einem kleinen Vorsprung, zu dem zu kommen den genannten Herren trotz der größten Anstrengungen nicht möglich wurde. Der erste Versuch ging dahin, zu der Leiche in horizontaler Richtung zu gelangen. Nach äußerst anstrengender und schwieriger Kletterei glückte dies bis auf eine Strecke von 30 m, welche sich vollständig ungangbar erwies. Beim zweiten Versuche, von oben in den
Kamin zu kommen, blieb noch eine Entfernung von beiläufig 40 m, die nicht zu bewältigen war. Die genannten Herren leisteten an Aufopferung das Menschenmögliche, bis sie sich zur Umkehr gezwungen fühlten."; Es heißt dann in dem Berichte weiter: ";Alle Beobachter der schwierigen Kletterei waren der Ansicht, daß es nach den jetzigen Erfahrungen besser wäre, von nun an andere Menschenleben nicht mehr um die Leiche zu wagen, sondern es den ersten größeren Schneefällen zu überlassen, dieselbe herabzubringen."
Herr Karl Berger, welcher der "Österr. Alpenzeitung" einen kurzen Bericht über die Auffindung der Leiche sandte, sagt von O. Melzer: "- unser Freund hatte sich, an einem Mauerhaken und an dem Felszacken, in dem die Außenwand des schrägen Kamins, in welchem er lag, oben endigte, angeseilt und in schlafender Stellung, den Kopf zurückgelehnt, den Tod erwartet. Spötl ist sicher an der darüberliegenden furchtbaren Stelle gestürzt; wäre ihm die Erkletterung der 20 m hohen, luftigen und brüchigen Wand gelungen, hätte der nach dem Abstürze eingetretene Schneesturm den beiden sicher nicht das Leben gekostet."
Quelle: Mitteilungen des DÖAV 1902, Folge 17, Seite 209-210
Die Leiche Otto Melzers geborgen
Der Ausdauer des Bergführers Karl Santner, sowie der Herren Alfred Pfannenschwarz und Fritz Prösebold, Monteure in Innsbruck, gelang es, die Leiche zutal zu bringen. Vierzehn Tage hielten sich die Genannten nahezu ununterbrochen auf dem Haller Anger auf, teils mit Vorarbeiten zur Bergung beschäftigt, teils durch schlechtes Wetter von weiterer Tätigkeit abgehalten. Da erkannt war, daß das Abseilen zur Leiche durch den glatten Kamin mit zu großer Gefahr verbunden war, schaffte Herr Pfannenschwarz zweimal 12 m Strickleitern (zusammen 50 kg) herbei, welche am 7. September nebst 150 m Seil in die Wand an die Abseilstelle gebracht wurden. Dieser Transport bildete den schwierigsten Teil der durchaus mühevollen und gefährlichen Arbeit. Das große Gewicht des Materials läßt bei der Schwierigkeit des Terrains auf das außergewöhnliche Mühselige und Schaurige der Arbeit schließen; an den schwierigen Stellen (beim plattigen Einstiege, ins Karl, dann durch steile Kamine) mußte das Material aufgeseilt werden. Außer den drei genannten Herren beteiligte sich am Transporte noch Herr Mechaniker Euchner. Nach Bergung des Materiales unter Überhängen wurde wieder abgestiegen; schlechtes Wetter der folgenden Tage machte einige versuchte Einstiege in die Wand erfolglos. Erst am 16. d.M. gelang die Bergung. Die Herren Pfannenschwarz und Prösebold sowie die Führer Santner und Ruech stiegen an diesem Tage zur Abseilstelle. Oben stark befestigt, wurde die 24 m lange Strickleiter in den Kamin gelassen, an dessen unterem Ausgange die Leiche lag. Gut versichert stieg Führer Santner hinab; sich von den letzten Leitersprossen abseilend, kam er nach weiteren 25 m, welche über Geschröf führten, zur Leiche; dieselbe lag eingeklemmt in einer Felsmulde. Santner schlug die Leiche in Leinwand ein und ließ dieselbe an einer Schnur über die Wand; zwanzig Meter ober der Reißen riß die Schnur, sodaß die Leiche auf einem Bande, jedoch leicht zugänglich, liegen blieb. Das Seilmaterial wurde über die Wand auf die Reißen geworfen, dann stiegen die vier wackeren Männer zum Haller Anger. Am nächsten Morgen wurden die irdischen Überreste O. Melzers auf den Zeigergrat gebracht. Die Leiche, welche gerade elf Monate und elf Tage in der Wand gelegen war, war stark verwest, aber immerhin für die lange Zeit verhältnismäßig gut erhalten. Aufzeichnungen fand man bei der Leiche nicht, auch keinen Bleistift. Am 18. September wurde die Leiche von den genannten zwei Herren und den zwei Führern zum Jägerhause "Kastenalm" getragen und von hier mittels Wagen über Scharnitz und Seefeld nach Innsbruck gebracht. Unter großer Beteiligung der Bevölkerung von Innsbruck fand am 19. d. M. das Leichenbegängnis statt. Den Leichenzug eröffnete der Innsbrucker Turnverein mit umflorter Fahne, dann folgten der deutsche Männergesangverein, der Akademische Alpenklub, Abordnungen des Oesterreichischen Touristenklubs und des D. u. Ö. Alpen Vereins mit ihren Vorständen u. a. Ein Wagen mit vielen Kränzen fuhr dem Leichenwagen voran; den Sarg schmückte ein einfacher grüner Kranz aus Taxen und Enzian, gepflückt unter der Praxmarer-Nordwand. Am offenen Sarge hielt der Vorstand des Innsbrucker Turnvereins, Herr Wilhelm Seifert, eine ergreifende Grabrede auf den toten Freund, den bescheidenen, hochedlen Menschen und kühnen deutschen Bergsteiger Otto Melzer; ein Chor des deutschen Männergesangvereins schloß die tiefergreifende Trauerfeier. Viel Mühe und selbstloser Opfermut wurde an die Bergung der Leiche gewendet. Die Teilnehmer an der letzten, erfolgreichen Partie sind des Lobes voll über die Tätigkeit des Bergführers Karl Santner, welcher die letzte Möglichkeit nicht unbeachtet ließ und keine Gefahr scheute. Ihm, sowie den Herren Pfannenschwarz, Euchner und Prösebold, sowie dem Bergführer Ruech gebührt alle Anerkennung, hatten sie alle ja nicht nur die Gefahr, sowie auch die schweren Transportarbeiten zu überwinden, fast zuviel in dem schwierigen Terrain für vier, wenn auch zu jedem Opfer bereite Männer.
Quelle: Mitteilungen des DÖAV 1902, Folge 18, Seite 219
Das Schicksal hat Melzer nicht verwöhnt und ihm wenig Zeit für die Verwirklichung seiner Lebensvorstellungen gelassen Seine berufliche Laufbahn als Tischlermeister im väterlichen Möbelgeschaft in Innsbruck ließ ihm Zeit für Bildungsreisen und Auslandsaufenthalte und den Erwerb von Sprachkenntnissen. Nach seiner Dienstzeit als Kaiserjäger(1893) hielt er sich zwei Jahre in Pola auf. Mit dem Tod des Vaters und der Auflassung des Geschäftes endete seine glückliche Zeit. Melzer kehrte nach Innsbruck zurück und wurde ab 1895 Hilfsarbeiter. Beruflich unbelastet widmete er sich fortan seiner Leidenschaft nämlich dem Bergsteigen und der Gebirgsfotografie. Auf beiden Gebieten brachte er es zu Meisterehren. Von seinen zahlreichen Bergfahrten über die er auch in alpinen Blättern berichtete, seien die Kalkkögeltouren u.a. die Melzernadel (1894),die Bettelwurf- N-Wand mit M. Peer (1896), Neufahrten am Hochnissl und der Kaskarspitze (1898), der mittlere Grubreisenturm (“Melzerturm”) 1899 und der Nordgrat der Grubenkarspitze (1901) erwähnt. Seine Fotos belegen dass auch in anderen Gebieten wie z.B. in den Dolomiten war.
Niemand ahnte, dass das erfolgreiche Bergjahr 1901 sein letztes werden sollte. Im Oktober stieg er mit dem damals 20 jährigen Emil Spötl in die Nordwand der Praxmarerkarspitzen (2636 m) ein. Die föhnig warmen Herbsttage schienen ihnen für den Durchstieg der noch schneefreien Wandpartie besonders geeignet Es handelte sich nicht um die eigentliche Nordwand des Ost- bzw. Westgipfels - diese wurden erst 1931 bzw. 1935 von Auckenthaler mit Frenademetz bzw. Schmidhuber begangen -sondern um eine weiter östlich gelegene Wandstufe, die ungefähr dort beginnt wo der Zeigergrat an die Felsen stößt. Die beiden kamen gut voran. Dreiviertel der Wand lagen unter ihnen als unvermutet das Wetter umschlug und Schneefall einsetzte. Was dann geschah ist nie bekannt geworden. Wahrscheinlich ist Spötl abgestürzt und Melzer am Stand erfroren. Die Vermutung ihrer Innsbrucker Freunde über einen Unfall bestätigte sich erst nach Tagen. Darnals war das Gebirge einsam, die Zugänge mühsam, Scharnitz war weit und die Mittenwaldbahn noch nicht nicht gebaut. Jäger berichteten von wahrgenommenen Hilferufen. Die ausgesandte Rettungsexpedition fand Spötl zerschmettert, mit einem Seilrest um den Bauch am Fuß der Wand. Von Melzer war keine Spur zu bemerken der einsetzende Winter vereitelte weitere Bergungsversuche. Es mussten 11 Monate und 11 Tage vergehen bevor Melzer geborgen wurde. Am 18.August 1902 entdeckten K.Berger und K.Grissemann die Leiche im oberen Teil der schwer zugänglichen Felsen. Ein erster Bergungsversuch scheiterte. Wie es weiterging liest man in einer Notiz der Alpenvereinsmitteilungen 1902 S. 219. Sie ist ein Dokument der Bergrettung in vergangenen Zeiten: “Der Ausdauer des Bergführers Karl Santner und der Herren A.Pfannenschwarz und F.Präsehold gelang es die Leiche ins Tal zu bringen. 14 Tage hielten sich die Genannten auf dem Haller Anger auf, teils mit den Vorarbeiten zur Bergung beschäftigt teils durch schlechtes Wetter abgehalten. Da erkannt wurde, dass das Abseilen der Leiche durch den Kamin schwierig war, wurden 2x 12 m Strickleitem (50 kg ) und 150 m Seil in die Wand gebracht. Das große Gewicht des Materials lässt bei der Schwierigkeit des Terrains auf das außergewöhnlich mühselige und schwierige der Arbeit schließen. Die Bergung erfolgte dann am 16.September. Die 24 m lange Strickleiter wurde in den Kamin gelassen an dessen unterem Ausgang die Leiche lag. Bf. Santner kam zur Leiche die in eine Felsmulde eingeklemmt war. Er schlug die Leiche in Leinwand ein und ließ sie über die Wand. 20 m ober der Schuttreiße riss die Schnur, sodass die Leiche auf einem Band liegen blieb. Weiter gings zum Haller Anger und am nächsten Morgen auf den Zeigergrat. Die Leiche, die so lange in der Wand gelegen war, war für die lange Zeit verhältnismäßig gut erhaltenen. Am 18.September wurde sie zur Kastenalm gebracht und von hier mittels Wagen über Scharnitz und Seefeld nach Innsbruck gebracht."
Das Begräbnis fand unter großer Beteiligung m 19.September 1902 statt. Willi Seifert, der Vorstand der Bergsteigerriege des Innsbrucker Turnvereins, dessen Mitglied Melzer war, hielt die Grabrede. Den Sarg schmückte ein grüner Kranz aus Taxen, und Enzian, gepflückt unter der Praxmarerkar Nordwand die seither Melzerwand heißt.
Im Jahr 1903 wurde das Melzer-Spötl Denkmal am Suntiger eingeweiht, 1919 die alpine Gesellschaft Melzerknappen gegründet.
Die Erinnerung an die Bergtragödie der jungen Alpinisten wäre unvollständig wenn man nicht der Freunde gedächte, die dafür sorgten, dass beide unvergessen blieben. “In Melzer hat Innsbruck seinen erfahrendsten Bergsteiger verloren in Spötl seinen verwegendsten" urteilt einer von ihnen. Dr. Otto Ampferer, der später ein bedeutender Geologe wurde widmete Melzer in der Österreichischen Alpenzeitung einen langen und herzlichen Nachruf. Er war es auch, der die Bedeutung Melzers als Bergtotograf hervorhob. Zusammen mit Dr. Heinz v. Ficker dem damals bekannten Meteorologen in Wien und Berlin , veröffentlichte er 1902 das Prachtwerk “Aus Innsbrucks Bergwelt".Es enthält neben dem Text 88 Abbildungen aus Melzers Fotosammlung, die er mit der damals üblichen 13 x 18 Plattenkamera aufgenommen hatte.
Im Jahre 1903 illustrierte K.Berger seinen Kalkkögelaufsatz in der Alpenvereinszeitschrift mit Fotos von Melzer. Seine Schwester Tilde Melzer, die nach Verehelichung Sarley hieß, veranlasste ab 1904 die Herausgabe von Ansichtskarten, die als “Melzerkarten” großen Anklang fanden.
Wer glaubt dass diese Leistungen lange zurückliegen und längst vergessen sind, ist erstaunt, wenn er in einem neueren Artikel über Gebirgsfotografie (Tiroler Heimat,Bd.56,1992) nicht nur Bilder von Melzer findet sondern die Autorin S.E. Rieser, Melzer in eine Reihe mit so bekannten Alpinisten und Fotografen wie Vittorio Sella, Guido Rey, Fritz Benesch, Alfred Steinitzer und Luis Trenker stellt. So erweist sich die Hinterlassenschaft Melzers als ein bemerkenswertes Zeugnis der Innsbrucker Alpingeschichte an der Schwelle zum 20.Jahrhundert.
Herbert Kuntscher
Geboren am:
14.11.1869
Gestorben am:
07.10.1901
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