Ostwand - "Direkte"
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Routen Details:
Christaturm - Ostwand (Wilder Kaiser)
Erste Begehung durch F. Schmitt und G. Mitterer am 17.Juli.1926.
Blitz auf Blitz zuckte durch die schwefelgelbe Wolkenschicht. Knatternd sprang der Donner von Wand zu Wand. Wir stiegen vom Predigtstuhl ab. Abgekämpft, mit schweren, steifen Seilen, sprangen wir ins Geröll der Steinernen Rinne. Der Wind zerriß in scharfen Stößen den Nebel und peitschte graue Fetzen um triefendnasse Wände. Da wuchs vor uns eine Mauer empor, abweisend, wie ich noch keine gesehen. Mit schwarzglänzenden, heraushängenden Plattentafeln, wie aus Stahl geformt. In der Gipfelfallinie von einem Riß gesprengt, unten ausgehöhlt, ein einziger Riesenüberhang. Das war die Ostwand des Christaturmes. Vergessen war, was uns den ganzen Tag beschäftigt hatte, das Ringen mit dem Fels, die Stunden im Wettertoben und Steinschlag. So sind wir Bergsteiger, der Weg gilt uns mehr als das Ziel. Wo ist denn überhaupt unser Ziel? Der Mons idealis im Lande „Nirgendwo“, der über allen anderen Bergen strahlt, den wir aber nie erreichen. den wir grauhaarig noch mit trüben Augen suchen im Meer der Gipfel, und alle unsere Höhensiege sind nur armselige Schritte auf dem endlosen Weg zum Berg unserer Sehnsucht.
Zwei Tage später standen wir wieder oben in der Steinernen Rinne, dem Herzen des Wilden Kaisers. Als wir bei der schmutzigen Randkluft unter unserer Wand die Schuhe wechselten, sank die Hoffnung und Zuversicht auf ein Gelingen der Fahrt auf den Nullpunkt. Dichter Nebel hüllte den berg ein bis zu den großen Überhängen herab und lastete als schwerer Schatten auf unseren Gemütern. Wir wussten genau, dass hier langes schauen und Erwägen nichts hilft, wie bei allen ganz schwierigen Fahrten. Da heißt es mit unbeugsamen Willen und eisernen Fingern zugreifen, und der Erfolg hängt vielleicht von einer Mauerhakenritze, einem Tritt oder nur von einem Gedankenblitz ab. Der Rucksack, der unser Fahrtengenosse sein sollte, nahm erschreckend ansehnliche Formen an, Reserveseil, Schlafsack, Kletterschuhe usw. wurden darin verstaut. Unsere Sinne waren aufs äußerste gespannt. Über Platten waren wir zu jenem waagrechten Platz gekommen, über dem das erste Drittel der Wand in fürchterlichen Wülsten heraushängt. An griffarmer Mauer ging es weiter, bis wir nach links zum Beginn der Rißreihe gedrängt wurden. Eine kurze Querung und wir duckten uns unter dem ersten großen Überhang. Gelbroter, fast griffloser Fels wölbte sich weit vor und übertraf selbst unsere hochgespannten Erwartungen. Ein rostiger Sicherungshaken, Zeuge früherer Versuche, steckte hinter einem losen Block. Schnell schnappte ein Karabiner ein, und der Gefährte hängte sich mit langer Schlaufe ein. Nach einigem Überlegen stieg ich, mit Seilzug von unten aufrichtend, auf seine schultern und schließlich auf den Kopf. Mühsam das Gleichgewicht wahrend, den Oberkörper weit zurückgedrängt, suchte ich vergebens nach Rauhigkeiten. Endlich konnte ich ein kleines Häkchen hinter einer Felsschuppe eintreiben, kaum zwei Zentimeter. Seilschlinge eingehängt! Sie musste mir den fehlenden Tritt ersetzen und mich einen halben Meter höherbringen. Etwas wie Leidenschaft war in mir erwacht. der schwache Stift hielt meinem Gewicht nicht Stand. Ich fühlte wie er nachgab. Mit rasenden Schlägen versuchte ich einen Ringhaken einzutreiben. er krümmte sich, drang nur mit der Spitze in den Spalt. Karabiner und Seil schnappte ein, und schon pendelte ich in der Luft. der Tritthaken war ausgebrochen und sprang klirrend bis zum Geröll hinab. Weiter! Einen Haken zwischen den Zähnen, kämpfte ich mit dem abdrängenden Fels. Die Finger an kleinsten Splittern verkrallt, die Sehnen gespannt wie Drahtseile. Mit der letzten Kraft schlug ich den letzten Haken und brachte den Überhang unter mich. Ich stand am beginn eines handbreiten Risses, der die senkrechte Riesenplatte spaltete wie ein Sprung eine Fensterscheibe. Als nächster folgte der Rucksack am Seil, dann der Freund. Auch er hatte harte Arbeit zu leisten. ich kletterte noch ein Stück hoch, dann sollte der Gefährte weitergehen bis zu einem Standplatz, um meine Kräfte für den zweiten großen Überhang zu schonen. Mit den Füßen spreizend, die Hände an den stumpfen Rißkanten, stieg er aufwärts. Der Riß wurde fingerdünn, schloß sich ganz an mehr als lotrechter Wand, das 35-m Seil war ausgegeben, aber kein Stand kam. Nur mit Fuß- und Fingerspitzen, wie eine grau Spinne, klebte er am Fels und arbeitete sich unendlich langsam, aber zäh höher. Ich hielt das Seil mit Schraubstockfingern. Es blieb nur ein Ausweg, ich musste ein Stück nachkommen. Ohne Sicherung, er brauchte ja beide Hände, um sich zu halten, kletterte ich an dem schwierigen Riß empor. Nach 15 m kam ein handgroßer Tritt.
Quelle: Österreichische Alpenzeitung 1931, Seite 150-152
und
Christaturm 2150 m. Direkte Ostwand. Erste Begehung durch Fritz Schmitt und Georg Mitterer am 17. Juli 1926.
Die Ostwand des Christaturms durchzieht in der Falllinie des Gipfels eine Kamin- und Rißreihe.Von der Steinernen Rinne gerade aufwärts gegen den Riß, bis zu einem horizontalen Absatz. Rechts vom Riß über eine plattige Wandstelle (Haken) 10 Meter überaus schwer unter einen Überhang (Haken). Über diesen etwas rechts (Haken) äußerst schwer zum Beginn eines 25 Meter hohen Risses. An ihm empor, bis sich der Riß an überhängender Wand verliert, etwas nach rechts und gerade aufwärts in eine kleine Höhle (Haken). An überhängendem Riß (Haken) aus der Höhle heraus, dann nach rechts, und überaus schwer zu einer kaminartigen Schlucht. Wesentlich leichter, stemmend und spreizend, durch verschiedene überhängende Kaminstücke etwas nach links in ein Schartel. Etwa 10 Meter schräg nach links und rechts aufwärts zu einer plattigen Steilrinne. Durch sie zu einem Kamin und gerade zu einer Wandstufe. Weiter gerade über dieselbe und nach rechts unter einen Überhang. Überaus schwer über diesen, und rechts aufwärts in ein Schartel, 6 Meter südlich des Gipfels. (Wandhöhe 300 Meter). Im untersten Teil äußerst schwer.
Quelle: 21 Jahresbericht (Vereinsjahr 1925-27) der Sektion Bayerland des DÖAV München, 1928, Seite 35
Erste Winterbegehung der direkten Ostwand des Christaturms
Am nächsten Tag stapfen wir in aller Frühe über harten Schnee zum Eilmauer Tor hinauf. Eisig pfeift der Wind. Einsam und leblos wirken die im Sommer viel begangenen Wände.
Beinahe 30 Jahre ist es her: Damals stiegen zwei junge Stürmer, Fritz Schmitt und 'sein Kamerad Georg Mitterer, durch die Risse und den auffallenden Kamin in der Ostwand als erste hinauf zum wenig beachteten Gipfel des Christaturms. Noch nie war diese Wand bisher im Winter durchklettert worden.
Wie ganz anders sind doch die Verhältnisse als im Sommer! Schon die unteren Platten erfordern vorsichtiges Hinaufschwindeln. Eisglasur überzieht den Fels bis hinauf zum eigentlichen Einstieg. Ungemütlich ist es hier. Das untere Wanddrittel liegt völlig im Schatten. Dazu jagt der Wind Schwaden von Norden durch die Steinerne Rinne herauf. Bald sind wir kletterfertig mit Doppelseil und allem Zubehör. „Ritter der Berge" -- wer kann uns etwas anhaben? Trotz der Kälte ist der Wille unbeugsam.
Überhängend ist die Wand. Dunkel und drohend ist ihr Aussehen. Erste Tätigkeit zu Beginn jeder Seillänge ist das Abschlagen der Eiszapfen. Wasserüberronnen und gefroren sehe ich meine nächste Umgebung. Vom Freund wohlgesichert verrichte ich mit all den modernen Raffinessen meine Arbeit und schinde mich Meter für Meter höher. Und schon jetzt male ich mir die Situation aus, wenn zu gegebener Stunde mein Freund Fritz Schmitt unsere Nachricht vom geglückter Winterdurchstieg vor Augen hat. Sicher war die Lage den beiden vor 30 Jahren eine ähnliche wie die unsere. Ganz allein, zum Letzten entschlossen, schwierig die Seillängen und ungewiß der Weiterweg. Die Kälte spüre ich nur beim Nachsichern des Freundes, der immer wieder staunt über das hinter uns Liegende. Jeder Meter ist problematisch, Griffe, wo seid ihr? Und deswegen geht es langsam höher. Nichts soll gewagt sein. Bei einem etwaigen Sturz und dessen Folgen wäre auch die Lage des Freundes aussichtslos. Gut, daß Hannes seinen bewährten Helm auf dem Kopf trägt und so die Eissplitter abfangen kann. Mir macht das Aufprasseln mächtig Spaß. Die Risse sind mit Eis ausgefüllt; ich hacke und schlage. Wieder ein Überhang ... Ein weiterer Riß muß außen genommen werden. Weit spreizend, hoch, hoch ... Ein abschüssiger Stand. Langsam kommt Hannes und sammelt die Haken. Stunde um Stunde verrinnt. Nässe dringt durch die Kleider und gefriert. Ein Handschuh geht flöten. Macht nichts! Weiter! „Du, ich glaub', wir schaffen's!" — Das wäre schön! Wir haben es kaum bemerkt, daß der Tag nebelgrau wurde. Man hat zu sehr mit den nächsten Metern zu tun und der Sichernde mit dem Kameraden, zumindest mit den Seilen. Plötzlich pfeift heftiger Wind um die Kante, nimmt mir für Augenblicke den Atem, und rasch werden meine durchnäßten Finger gefühllos. In aller Eile schlage ich einen Haken, binde mich fest und berge meine Hände unter dem Anorak. Dann taucht Hannes auf und betrachtet sich unsere Lage. „Schau, dort drüben die Fleischbank-Südostwand, die Verschneidung, das Band, der Pfeiler ..." Strahlend schauen wir uns in die Augen. Die beiden letzten Bergjahre waren voller Glück und Glanz gewesen.
Wieder hartes Ringen mit schwierigstem Fels. Der starke Wind ist jetzt unser Begleiter. Erstarrte Natur ringsum. Die Kamine tragen wahre Eispanzer. Hannes spricht schon von einer „Eistour". Aalglatt ist der Fels, größte Vorsicht verlangend. Und doch komme ich höher. Ein vergleichender Blick hinüber zur Südostwand sagt uns, daß es nicht mehr allzu weit bis zum Gipfel sein kann. Aber den Ausstieg wollen wir direkt nehmen. Man spricht ja von der „direkten Ostwand". Also los! Schon mehrere solche Fahrten haben wir gemeinsam gemacht, deshalb kann uns nicht so schnell etwas aus dem Gleichgewicht bringen. Die große Ruhe des Gefährten überträgt sich auf mich, den immer Drängenden. Wieder ist ein Kamin unter uns, dann wird ein Überhang weit spreizend genommen, und schließlich ist nur noch die Weite des Raumes um uns. Und zwei Bergbegeisterte umarmen sich ... Aber auf dem Gipfel ist die Fahrt noch nicht zu Ende. Der Abstieg über den Herrweg zum Eilmauer Tor folgt. Ich denke zurück: Vor Jahren habe ich. mich hier im Nebel verstiegen und mußte durchnäßt biwakieren. Das wollen wir heute nicht.
Schließlich haben wir auch die Abstiegskletterei hinter uns und stehen genau zehn Stunden nach dem Einsteigen wieder am Eimauer Tor, grüßen voller Dankbarkeit den Christaturm, seine Ostwand und die Gipfel im großen Rund.
Quelle: DAV Mitteilungen 1956, Heft 3, Seite 40-42
Datum erste Besteigung:
17.07.1926
Gipfel:
Christaturm
Grafik:
Erste(r) Besteiger(in):
Mitterer Georg
Schmitt Fritz