Lammergrat
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Routen Details:
Erste Begehung im Abstieg und Alleingang im Jahre 1884
Hochfeiler 3506 m.
Von der Wiener Hütte aus steigt man links empor zu einem Felsgrat, welcher das Gliederkees vom Weisskarlkees trennt und geht dann auf dessen rechter Seite über den klüftefreien Gliederfirn; die A.-V.-K. westl. Bl. zeichnet die allerdings complicirte Terraingestaltung nicht ganz gut. Ich gerieth am 17. August 1884 aus Versehen auf die linke Seite des Felskamms, in das wild zerrissene Weisskarlkees, kehrte aber nicht um und musste daher theils zwischen etwa 40 Klüften durch, theils über dieselben springend meinen Weg suchen. Da der Schnee sehr hart war, so konnten die schwächsten Brücken betreten und der Sprung selbst auf vorhängende Schneewächten riskirt werden. Das obere Firnbecken hängt zum Theil mit dem des Gliederkeeses zusammen, wo jener Felsgrat ein Ende nimmt; dann, aber steigt wieder eia Scheidegrat voll loser, weissgelber Blöcke auf, bis die beiderseitigen Firnmassen sich ungemein steil emporrichten und die bekannte scharfe Schneide zum Gipfel bilden. Diese erforderte unter den damaligen Schneeverhältnissen viele Stufen, die ich quer in den Firngrat hieb. 2 1/4 St. nach Aufbruch von der "Wiener Hütte stand ich auf dem Feilergipfel bei dem herrlichsten "Wetter und hieb eine tiefe Rinne in die nach 0. hängende Schneewächte, um mir die Aussicht dorthin zu eröffnen! Ein dreimaliges verdächtiges Brummen veranlasste mich indess, meinen unsicheren Sitz auf der treulosen Gipfelwächte aufzugeben und abzusteigen. Ich ging über das oberste Firnbecken des Weisskarlkeeses längs der Schneewächten, welche über das Schlegeiskees vorhängen, bis zum ersten aperen Felsen, der nördlich vom Gipfel aus dem Schnee hervortritt. Es ist dies noch nicht jener Punkt, von welchem der Hochfernergrat abzweigt, also auf Seyerlens Kammskizze (Zeitschrift 1879, Tafel 3) der kleine Felsdurchbruch Nr. 14, sondern es ist ein Punkt, der wenige Minuten südlich davon liegt und noch keinen Ausblick auf den Oberbergfirn gestattet. Neugierig blickte ich über die Ostwand hinab ins Schlegeiskees — und augenblicklich war mein Plan, den Hochferner zu besteigen und später über den gewöhnlichen Weg zum Hochstellerkees und zur Röthe abzusteigen, vergessen und ich stieg ohne Aufenthalt über die Ostwand. Unsere A.-V.-K. westl. Bl. zeichnet hier ebenso wie das Blatt Sterzing der Sp.-K. eine steile zusammenhängende .Schneewand, während eine solche in Wirklichkeit nur unterhalb des Gipfels und südöstlich von diesem herabzieht, dagegen nördlich vom Gipfel bald einer aperen Felswand Platz macht, so dass bereits die Schneewächten des Weisskarlfirns wie eine weisse Krone über den dunklen Fels herabhängen. Diese Felswand, in welche ich Anfangs auf einem breiten, steilen Grat einstieg, besteht aus erdigem Glimmergestein, welches ungemein verwittert und brüchig ist; abgesehen davon bietet der Abstieg keine bedeutenden Schwierigkeiten, wenn man wie ich fortwährend nach rechts vordringt, also gegen die steilen Schneehalden des Gipfelmassivs zu. Einige Eisrinnen übersetzte ich ohne Stufen, blos durch Stampfschritte mit meinen trefflichen Steigeisen. Einmal aber warf ich mich über eine Eisschicht allzu vertrauensvoll auf einen grossen Klotz zu, der mir, als ich kaum Füss gefasst hatte, treulos in beiden Armen blieb. Die anstrengende Bewegung, welche nöthig war, 4 um die centnerschwere Last seitlich hinabzuschleudern, ertrug mein schlechter Tritt nicht, und während der Fels links hinabdonnerte, glitt ich über einige "Wandpartien, den Pickel fest in der Rechten, dessen Haken knirschend über das Gestein fuhr, bis zugleich die Steigeisen und der Haken sich verankerten. Ich stieg nun nach rechts weiter ab bis zu einem Schneestreifen, der zur Randkluft des Schlegeiskeeses und vermuthlich über diese hinabführte. Ich setzte mich in die Rinne, welche Schneerutschungen und Steinfälle ausgehöhlt hatten, vermied alle Reibung und alles Bremsen und liess mich durch die Schnelligkeit des Abfahrens über die Randkluft auf die ebene Firnterrasse des Keeses hinauswerfen. Diese Methode hatte ich beim Abstieg vom Rossruckjoch gelernt, wo ich fast 1 1/2 St. mit dem vorsichtigen Abstieg über die steile Schneehalde und mit vergeblichem Suchen nach einer Brücke zubrachte und zuletzt doch auf das Hornkees über die Eandkluft springen musste; steigt nämlich eine Schneelehne aus der ebenen Firnterrasse plötzlich steil empor, so zerreisst die aufgerichtete Schneemasse etwas oberhalb ihres Fusses derart, dass die beiden Ränder der Kluft vertical über einander liegen, wiewohl im Abstand von mehreren Metern; ja dass die obere Schneewächte oft über den unteren Rand vorhängt. Gleitet nun ein Körper rasch über die obere Halde, so kann er unmöglich in diese Kluft fallen, sondern fliegt einige Meter schief durch die Luft, wie ich mich an zahlreichen, von mir hinabgelassenen Blöcken und Platten überzeugte, und fällt jenseits auf den ebenen Firn nieder. Eine solche Eandkluft zeigt so wenig Brücken, weil selbst die-abgehenden Lawinen über sie hinausfliegen, ohne sie auszufüllen, während gewöhnliche Schneebrücken in verticaler Stellung nicht bestehen können. Eine solche bösartige Eandkluft zieht wie ein Gürtel um die ganze Nordseite von Thumerkamp und Eossruckspitze und um die ganz ähnlich gebaute Ostseite des Hochfeilers; für den Aufstieg bietet sie oft ausserordentliche Schwierigkeiten, während das Abfahren ganz gefahrlos ist. wenn man es nur vermeidet, durch Bremsen und langsames Gleiten einen zu lang andauernden Druck auf die Schneewächte des oberen Kluftrandes auszuüben.
(Ende des Auszugs!!!)
Quelle: Mitteilungen des DÖAV 1884, Seite 334
Datum erste Besteigung:
17.08.1884
Gipfel:
Hochfeiler
Erste(r) Besteiger(in):
Lammer Guido Eugen Dr.