Südostwand

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Routen Details:
Riffelkopf
1. Durchkletterung der Südostwand am 13. September 1938 durch Michael Schober und Karl Münch (Jungmannschaft Zweig Garmisch-Partenkirchen).
Wo die gelbe, überhangende Südostwand am tiefsten ins Kar herabreicht, Einstieg. Über den 40 m hohen Schrofenvorbau empor zu Stand am Fuß einer 20 in hohen grauen Platte. Aber diese äußerst schwierig aufwärts (Haken), über einen Überhang hinweg und eine 20 m hohe gelbe Rampe empor zu Stand unter gelben Überhängen.
Nun 7 m Quergang nach links (Haken) in eine kleine Nische (Steinmann). Über die folgenden zwei Überhänge äußerst schwierig hinweg (Haken) zu Stand. Die nun schräg links aufwärts ziehende gelbe, überhangende, teilweise unterbrochene Rampe äußerst schwierig empor (Haken). Weiter
einen grauen Riß gerade aufwärts, dann wieder nach links empor über einen Überhang bis unter
den großen, dachartigen, gelben Überhang. Über diesen äußerst schwierig hinauf und weiter über einen zweiten Überhang in eine große Gufel, die von einem großen Dach abgeschlossen wird. Von der Gufel 12 m nach links heraus zu Haken und nun einen feinen Riß empor (Haken) zu Stand. Weiter durch einen grauen, überhangenden Riß, der nach 15 m gelb wird und in eine Nische führt (Haken). Von hier nach rechts heraus (Haken) und gerade empor, über mehrere Überhänge hinweg (Haken). Dann folgt noch eine graue, plattige Rinne, und man gelangt in die große Gipfelschlucht. Diese Schlucht in leichter Kletterei gerade aufwärts und in kurzer Zeit zum Gipfel.
Kletterzeit 13 Stunden. Äußerst schwierig.
Quelle: Mitteilungen des Deutschen Alpenvereins 1938/39, Deutscher Bergsteigerverband im NS. Reichsbund für Leibesübungen, Folge 8 Mai, Seite 246

Riffelkopf-Südostwand
"Es gibt Menschen, die das Bergsteigen ablehnen, weil es gefährlich ist. Es ist gefährlich; doch gibt es im Leben nichts, das wert ist, getan zu werden, ohne ein gewisses Risiko in sich zu haben."
Frank Smythe
Winterbergsteigen! Immer wieder hört man in der Öffentlichkeit von Durchsteigungen schwerer Wände im Winter. Oft werden sie bewundernd anerkannt, meistens aber als Wahnsinn abgelehnt. Abseits all dieser Meinungen gehen jedoch junge Bergsteiger ihren Weg; einen Weg, der alles an seelischen und körperlichen Kräften verlangt. Ihnen geht es um das große Erlebnis inmitten der erbarmungslosen Natur. Die Sommerprobleme sind gelöst. Der Kampf mit den eisigen Giganten des Winters geht weiter.
Schon im Sommer gehört die Riffelkopf-Südostwand zu den schwierigsten Felsfahrten im Wettersteingebirge. Sie ist wesentlich schwieriger als die Schüsselkar-Südostwand und im allgemeinen mit der "Diretissima" am Predigtstuhl zu vergleichen. Mit Bewunderung denke ich an Michl Schober und Karl Münch, die diese Wand 1938 erstmals durchstiegen. Erst elf Jahre nach der Erstbegehung erhielt sie von der Seilschaft D. Cukrovski und Gef. nach 52stündigem Kampf die erste Winterbegehung. Diese alpine Leistung wurde bis heute nicht mehr wiederholt.
Mit meinem Freund Hubert Abele, einem ruhigen Menschen, der im Bergsteigen eine Lebensform sucht und findet, stehe ich am 4. Januar 1958 am Fuße der gelben, überhängenden Wand. Erst hier merkt man so richtig, wie klein der Mensch im Vergleich zu den gewaltigen Gralsburgen der Berge ist. Und trotzdem sucht er immer wieder den Kampf mit dem Berg. Nach der Erkletterung des 40 m hohen Schrofenvorbaues seilen wir uns an. Die Schlosserei wird verteilt, und Hubert steigt los. Eine senkrechte Wandstelle mit einem Überhang und eine brüchige Rampe bringen ihn zum ersten Standplatz. Ich kann nachkommen. Nun steige ich voraus. Der 7-m-Quergang verlangt schon den Einsatz mehrerer Register. Trotz herrlichstem Sonnenschein ist der Fels eiskalt. Aber wir kommen schnell voran. Leider schickt die Sonne schon ihre letzten Strahlen über den Gipfel der Zugspitze. Es muß ein geeigneter Biwakplatz gesucht werden. Unter einem mächtigen gelben Überhang machen wir uns dann für die Nacht fertig. An einigen Haken "angebunden" schlüpfen wir in unseren Zdarskysack. Der Mond wirft sein milchiges Licht auf die umliegenden Berge. Es ist eine herrliche Nacht. Kein Laut stört die Stille. Trotzdem kann ich mich aber an gemütlichere Nächte erinnern. Wir schätzen die Temperatur auf 15 Grad minus. Gegen Mitternacht schieben sich Wolken vor den Mond, es beginnt zu schneien.
Beim schwachen Licht des neuen Tages kriechen wir aus unserer kalten Behausung. Die Berge in der Runde sind alle mit Neuschnee bezuckert, und das sind wohl die schlechtesten Verhältnisse für eine Winterbegehung. Nach der Überwindung des großen Überhanges kauern wir in einer Nische und betrachten den Weiterweg. Eine völlig verschneite Rampe leitet in die freie Wand hinaus. Dann hänge ich 300 m über dem Höllental an einem Überhang. Nur langsam komme ich voran. Immer wieder schlage ich einen Haken. Gerade in dieser überhängenden Wandzone ist es kaum möglich, bei diesen Verhältnissen frei zu klettern. Die nächste Seillänge, ein brüchiger, verschneiter Riß, führt nach oben und endet unter gewaltigen Überhängen. Nur zwei Haken stecken im Riß. Jeder freie Meter ist ein ungeheures Wagnis. Ich denke nur an jene, die einen extremen Kletterer herablassend als "Schlosser" bezeichnen. Bei den heutigen Könnern im Fels liegt die Stärke nicht im Hakenschlagen, nicht in der Seilarbeit, sie sind Meister der freien Kletterei. Das ist die Grundlage und Voraussetzung, um eine wirklich schwierige Wand durchsteigen zu können.
Immer wieder drohen die Schuhe wegzurutschen. In den Fin-gern habe ich kein Gefühl mehr. Auch dem Gefährten geht es nicht anders. Öfters klagt er über eine Magenverstimmung. Aber eisern überwindet er jede Schwäche. Auch ich bin nicht mehr in der besten Verfassung. Doch jeder baut auf den an-dern, und das ist der große Kameradschaftsgeist, ohne den solche Wände nicht bezwungen werden können. Auch die nächste Seillänge verlangt meinen ganzen Einsatz. Wieder ist es ein senkrechter, brüchiger Riß, der fast völlig frei zu er-klettern ist. Eisern verkrallen sich die von der Kälte gefühllos gewordenen Finger an den kleinsten Griffen. Und wieder ist ein Meter gewonnen. So geht es, bis man einen Standplatz hat. Dann kann der Freund nachkommen. Der Himmel ist noch immer grau von Wolken verhangen. Jeden Augenblick kann erneuter Schneefall einsetzen. Es wird ein harter Kampf mit der Natur, bei dem der Berg ein unbarmherziger Gegner ist. Solche Augenblicke verlangen das Letzte an seelischen, moralischen und körperlichen Fähigkeiten. Man muß genauso unbarmherzig sein, um in diesem Kampf bestehen zu können. Ich übernehme wieder die Führung. Nach der Überwindung einiger Überhänge sehe ich über mir eine 20 m hohe, vollkommen vereiste und verschneite Platte. Ich stehe vor einem Rätsel, denn der Weitergang erscheint mir als unmöglich. Aber es gibt keine andere Möglichkeit, ich muß über die Platte. Schon bei den ersten Metern merke ich, daß es zum Schwierigsten gehört, was ich je in den Bergen gemacht habe. Verzweifelt arbeite ich mich höher. Immer wieder drohe ich zu stürzen. Mit einem Karabiner klopfe ich kleine Kerben in den Firn. Das sind die einzigen Haltepunkte, die ich habe. Stoßweise geht der Atem, und der Schweiß rinnt mir trotz der Kälte in Bächen übers Gesicht. Hier merkt man erst, was man wirklich leisten kann. Ich weiß, daß ich meine Grenze erreicht habe. Nach 1 1/2 Stunden habe ich die Wandstelle überwunden. Erschöpft "binde" ich mich in eine Selbstsicherung und lasse Hubert nachkommen. Wir sind nun in der großen Gipfelschlucht, müssen aber immer noch sehr vorsichtig klettern. Der Firn ist dermaßen hart, daß wir mit den Schuhen nur kleine Tritte schlagen können. Aber auch diese Seillängen gehen vorbei. Nachmittags gegen 3 Uhr erreichen wir den Gipfel des Riffelkopfes. Nach 25 Stunden läßt uns die Wand frei. Überglücklich reichen wir uns die Hände. Vergessen sind die Anstrengungen, wir haben das Leben neu gewonnen. Ein Wunsch ging in Erfüllung, doch ruhelos gleitet der Blick an der Kette des Gebirges entlang und sucht neue Ziele. Ein ewiges Wandern ist das Leben eines Bergsteigers. Es ist männlich, dieses harte Leben auf den wohl schönsten Flecken der Erde. Wir würden keine, auch nicht die härteste Stunde aus unserer
Erinnerung hergeben.
Helmut Dumler
Quelle: DAV Mitteilungen 1958, Heft 3, Seite 41-42

Östliche Riffelkopf-Südostwand:
Erste Winterbegehung durch D. Cukrowsky und Gefährten.
Quelle: Der Bergsteiger 1979, Heft 1, Seite 29

Datum erste Besteigung:
13.09.1938
Erste(r) Winter-Besteiger(in):
04.01.1958
Gipfel:
Riffelköpfe Östlicher
Grafik:
Riffelkopf Südostwand - DAV Mitteilungen 1958-42
Erste(r) Besteiger(in):
Münch Karl
Schober Michael
Erste(r) Winter-Besteiger(in)
Abele Hubert
Dumler Helmut