Zauberernock
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Höhe:
2.943 m
Infos:
Zauberernock (2941m) (1. Erst.).
Am 3. August v. J. brach ich mit den Herren M. H. Mayr, F. Kohlmayr und K. Stützl von der oberen Tomanbauerhütte (1604m) im Gössgraben um 5h 45m morgens auf, so spät deshalb, weil es die ganze Nacht hindurch geregnet hatte und das Wetter sich erst gegen 5 h besserte. Bald wurde der unweit der Hütte in die Göss mündende Schönangerbach gequert und in südlicher Richtung durch Wald aufgestiegen, dann die (orographisch) linke Flanke der sogenannten Schwalbenhöhe über Almboden, später Geröll ausgegangen und ungefähr bei Punkt 2616 der Freytag’schen Specialkarte des Hochalmspitz- und Ankogelgebietes (auf welche auch alle folgenden Angaben zu beziehen sind) um 7 h 45 m das ziemlich ausgedehnte Zaubererkees erreicht. Schon bis hieher hatte sich der vor wenigen Stunden frisch gefallene Neuschnee unangenehm bemerkbar gemacht. Nach halbstündiger Rast wurde über den gut gangbaren Gletscher gegen Südost weitergestiegen, der gewaltige Bergschrund leicht übersetzt und unter Stufenschlagen die Scharte südlich der zerklüfteten Ritterspitzen (2907m) — auch Niederer Zauberernock genannt — erreicht. Das Wetter batte sich leider wieder verschlechtert und Nebel fiel ein. Von der Scharte an gab es eine sehr anregende, aber stellenweise schwierige Kletterei längs des ausgezackten, nach Süden ziehenden Grates, der bald sehr schmale Strecken, bald thurmartige Gebilde und scharf abgesetzte Scharten aufwies. Rechts stürzt er in Steilwänden zum Kees, links senkrecht zum Ritteralpl ab. Der Neuschnee mahnte an Orten, die bei trockenem Wetter gewiss unbedenklich gewesen wären, zur grössten Vorsicht. Um uh 15m standen wir auf der Spitze, welche, wie wir es erwartet hatten, kein Zeichen einer früheren Besteigung trug: ein kühner Thurm an jener Stelle, wo drei Grate, der von uns benützte nach Nord zu den Ritterspitzen, der Hauptkamm westlich zur Triestenspitze (2925 m), gegen Südost jedoch zum Reisseck (2959m) ziehend, ausstrahlen. Der Nebel gestattete nur beschränkte Blicke in die wilde nähere Umgebung, namentlich den obersten Riekengraben mit dem melancholischen Hochalmsee. Nach Erbauung eines Steinmannes auf der Gipfelplatte wurde um 11 h 45 m am Grate nach Ost weitergegangen. Dort ragte unweit der eben verlassenen Spitze ein Thurm empor, der ihr — dem eigentlichen Zauberernock — anscheinend um einige Meter an Höhe überlegen war. Unter grossen Schwierigkeiten erstiegen ihn Mayr und ich von der Nordseite durch einen fast lothrechten Kamin. Wir hinterlegten auf der kleinen Plattform des abenteuerlichen Gipfels unter einigen Steinen unsere Karten und seilten uns über die entgegengesetzte (südliche) Wand wieder zu unseren am Grate harrenden Genossen ab. Der anstrengende Abstecher hatte eine ganze Stunde erfordert. Vom Plane, die Gratwanderung bis zum Reisseck auszudehnen, wurde angesichts des schlechten Wetters abgesehen und — unterhalb der Erhebung 2934 Meter — über Geröllhalden und Schneefelder unter mässigen Schwierigkeiten zur Ritteralm hinabgestiegen. Durch die edelweissreiche Klamm der „Mahdwand“ erreichten wir um 5 h die grossartig gelegene Hütte und in weiteren 2 St. das gastliche Touristenheim „Pflüglhof“ im Maltathale.
Mit dem Namen „Nocke“ werden in unserer Gegend meist Berge mit sanften, runden Formen be zeichnet. Wie man aus Obigem entnehmen kann, rechtfertigt der „Zauberer“ diese Beifügung nicht; er dürfte einer der trotzigsten, wenn nicht vielleicht der kühnste unter den Hauptgipfeln der Reisseck-Gruppe sein, eines Gebietes, an dem die Touristen mit Unrecht achtlos vorbeigehen.
Frido Kordon
Quelle: Österreichische Alpenzeitung 1894, Folge 395, Seite 59-60
Bild:
Gebirgsgruppe:
Ankogel-Gruppe
Erste(r) Besteiger(in):
Kohlmayr Franz
Kordon Frido
Mayr Maurilius H.
Datum erste Besteigung:
03.08.1893
Routen:
Gratübergang von derRitterspitze
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Route Neu)