Egger Toni

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Biografie:
geboren in Siebeneich/Bozen (Italien)
gestorben am Cerro Torre (Argentinien)

Toni Egger verunglückt
Wie wir berichtet hatten, ist Toni Egger Ende Dezember 1958 mit dem italienischen Bergsteiger Cesare Maestri nach Patagonien gereist, um den gewaltigen Granitturm Cerro Torre erstmals zu besteigen. Erst jetzt erreichte uns die erschütternde Agenturmeldung, daß Toni Egger von einer Eislawine in eine Gletscherspalte geschleudert worden sei und von seinem Gefährten nicht geborgen werden konnte. Auf die näheren Vor-gänge des tragischen Unglücks wollen wir hier nicht weiter eingehen, weil zuerst der authentische Bericht von Cesare Maestri abzuwarten ist.
Toni Egger war 33 Jahre alt und in Südtirol geboren. Anläßlich der Südtiroler-Umsiedlung fand er mit seinen Angehörigen In Lienz/Osttirol eine neue Heimat. Die letzten beiden Jahre verbrachte der erfolgreiche Bergsteiger In Innsbruck, wo er die „Hochgebirgsschule Tyrol" leitete. Seine außergewöhnlichen Fahrten und Erstbegehungen errangen sich in Fachkreisen großes Ansehen, und nicht zuletzt war er als Mensch und Kamerad immer und überall gerne gesehen. Über das stürmische Leben dieses jungen Menschen bringen wir in einem der nächsten Hefte einen ausführlichen Beitrag.
Der Cerro (= Berg, span.) Torre erhebt sich im patagonischen Bergland (Feuerland) in der Höhe des 49. südlichen Breitengrades und zog besonders in den letzten Jahren die Interessen der italienischen Bergsteiger auf sich. Die Schwierigkeiten, diesen Berg zu besteigen, lagen in der Hauptsache in den ungünstigen klimatischen Einflüssen (Stürme und außergewöhnliche Niederschläge). Den ersten ernsthaften Besteigungsversuch unternahmen Cesare Maestri und Bruno Detassis im Jahre 1957. Der Angriff wurde von gewaltigen Stürmen vereitelt. Im gleichen Jahre machten sich die erfolgreichen Italiener Walter Bonatti und Carlo Mauri an den Cerro Torre. Ebenfalls wegen Schlechtwetter mußte diese Seilschaft ihren Versuch 600 m unter dem Gipfel abbrechen. Nach der Agenturmeldung sollen Toni Egger und Cesare Maestri den Gipfel erreicht haben, worüber wir sicherlich noch nähere Einzelheiten veröffentlichen können.
Quelle: Der Bergkamerad 1958-59, Seite 369

Gedenktafeln für Toni Egger
Die Lienzer Bergsteigervereinigung „Alpenraute", der Toni Egger angehörte, hat auf dem Lienzer Friedhof eine Gedenktafel für den ab-gestürzten Bergsteiger angebracht. Ebenso soll Gebiet der Drei Zinnen, mit dem Toni Egger besonders vertraut war, eine Gedenktafel ihren geeigneten Platz finden.
Quelle: Der Bergkamerad 1958/59, Seite 577

Gedenktafel für Toni Egger
Die „Alpine Gesellschaft Alpenraute" enthüllte am 12. Juli im Rahmen einer kleinen Feier eine Gedenktafel für Toni Egger in den Lienzer Dolomiten. Toni Egger ist am 2. Februar 1959 nach der ersten Besteigung des Cerro Torre tödlich abgestürzt.
Quelle: Der Bergkamerad 1958/59, Seite 717

Toni Egger, der Bezwinger des Jirishhanca und El Toro, ist mit einer Trientiner Bergsteigergruppe unter der Leitung des berühmten Dolomitenkletterers Cesare Maestri (insgesamt acht Teilnchmer) unterwegs zum Cerro Torre (2960 m), dem Nachbarn des Cerro Fitz Roy in den patagonischen Anden. Die Ersteigbarkeit dieses mauerglatten, z. T. vereisten ungeheuren Turmes wird von führenden Bergsteigern bezweifelt. Abgesehen von den ungeheuren technischen Schwierigkeiten ist das praktisch immer scheußliche Wetter ein ernstes Hindernis. Aber sie wollen es versuchen. — Die Expedition wurde durch den Streik in Buenos Aires ernsthaft aufgehalten, hat aber dank einer sehr glücklichen Verbindung doch am 21. Dezember ein Fahrzeug für die große Überlandfahrt auftreiben können.
Quelle: Mitteilungen des ÖAV 1959, Heft 1/2, Seite 2

Heinrich Klier
Grabmal Cerro Torre
Dem, Bergsteiger Toni Egger zum Gedenken
Als wir Anfang Febei noch immer keine Nachricht von Toni in Händen hatten, wurden wir unruhig. Plötzlich im Radio, unter anderen Meldungen, die Worte: „Wie wir aus Buenos Aires erfahren . . .* Und ehe es noch zu Ende gesagt ist, weiß ich: es ist ein Unglück geschehen!
Ich habe vorher nie viel über Toni und unsere Verbindung nachgedacht. Er war wie ein Stück fieben selbst, das besser unbedacht bleibt. Jetzt auf einmal weiß ich, was ich verloren habe. Die gemeinsamen Bergerlebnisse steigen vor mir auf, die Wochen und Monate in den Kordilleren von Peru, der Ritt zu zweien den Maraüon- Quellflüssen entlang hinab an den Rand des Urwalds . . .und jetzt weiß ich, was ich verloren habe. Jetzt beginnt mich auch sein Schicksal zu erschüttern: ich sehe den kleinen Buben, der in Siebeneich bei Bozen zur Welt kam, ich sehe ihn das aufgezwungene Italienisch besonders schwer lernen, ich sehe ihn, wie er an der Hand seines Vaters in jener unseligen Zeit die Heimat verlassen muß, ich sehe ihn irgendwo in der Fremde neu anfangen, ganz unten, einer, der kaum Deutsch schreiben und lesen konnte. Aber er hat sich heraufgekämpft. Er hat früh erkannt, daß man auf dieser Erde nichts geschenkt bekommt. Und früh hat sich ihm das Wunder der Berge erschlossen. Wo immer die harte Holzfällerarbeit ihm einen freien Tag bescherte - zum Ausruhen gedacht - da stieg er in den Wänden herum und fand hier den Bereich der Freiheit, die seinem Tiroler Herzen eingeboren war. In Laurins Zaubergarten ist Toni bald selbst zu einem König geworden, dem sich alle Herrlichkeiten der Berge öffneten, ein König im Fels, von dessen Schultern die Schwere genommen schien. Aber davon wußte er nichts, wie alle Menschen, die von innen her leben. Er blieb stets der heitere, zu Spaßen und saftigen Sprüchen aufgelegte Bozner. Einer, der von den größten Leistungen nur mit lackendem Gesicht berichtet hat, mit einem „Du, i sag dir ...!' höchstens. Einer auch, der in seinem kampfgewohnten Herzen - tief innen - wußte um die Zwielichtigkeit des Daseins . . . und wie es ausgeteilt wird: dem einen zuviel und nichts dem andern. - Für uns aber, die er zurückgelassen hat im Zwielicht, ist er zu einem Gleichnis dafür geworden, daß auch dem, der auf der untersten Sprosse anfangen muß, der ganze Zauber des Seins sich erschließt, wenn er zäh und tapfer dem Ziel zustrebt, das über dem Alltag und dem Schacher des Augenblicks in der Höhe leuchtet. "Wen die Götter lieben, den nehmen sie früh zu sich" . Auch damit läßt uns Toni zurück. Etwas wie Neid möchte einen anfliegen, wenn man seinem Weg ini Licht nachsinnt. Das meiste, was die andern schwer nehmen, hat er leicht zu nehmen gewußt. Nie hat ihn das Leben verwöhnt, - und so kannte er auch leine bürgerlichen Ängste. Er war zäh, gesund und von einer tief inneren Heiterkeit. Wie einer aus der Runde des Königs Artus überließ er den Ehrgeiz den Banausen - denen, die ihn nötig haben.
Bergsteigen: das war seine große Freude, sein Weg zum Glück. Und er ging diesen Weg wie ein König. Er brauchte sich nicht herauszustellen: es war sein Reich, also gab es darüber auch gar nichts zu reden. Innerhalb weniger Sommer machte er alle schweren und schwersten Tolomitenfahrten. Sie fielen ihm, wie selbstverständlich, in den Schoß. Seine Felsgewandtheit begann alle Vorstellungen zu übersteigen: am Vormittag die Nordwand der Westlichen Zinne, nachmittags die Nordwand der Großen!! Wer begreift das noch? Auch in den Westalpen gelingen ihm viele der schwersten Durchstiege, so etwa der Pfeiler auf die Dru. Aussiedlung aus Südtirol, Krieg, Gefangenschaft, die Holzfällerjahre ... er hat ein hartes Leben hinter sich, als er endlich erkennt, wo sein Beruf liegt: Bergführer!
Er hungert sich durch die Bergführer- und Schilehrerprüfungen durch. Er hat auch darüber nie gesprochen. In den letzten zwei Jahren seines Lebens begann es endlich auswärts zu gehen. Er wurde schnell zum begehrtesten Bergführer der Dolomiten. Bei seinen Vorträgen flogen dem bescheidenen, eher kleinen Burschen die Herzen aller bergbegeisterten Menschen zu. Er konnte wie kaum einer von den Bergen und ihrer Schönheit erzählen: denn er trug sie in sich! Seine Gefährten von der „Alpenraute Lienz" ermöglichten ihm 1957 die Teilnahme an unserer Kordillerenfahrt - und Toni ging mit dem Schwung und der Sicherheit des ganz großen Bergsteigers - zusammen mit Siegfried Jungmeier - den Weg auf den Toro, 6121m, und auf die Jirishhanca. Dieser Berg sollte der innere und äußere Gipfelpunkt seines Lebens sein: 6126m hoch, das Matterhorn von Südamerika! Nach der Rückkehr wird ihm eine Aufgabe übertragen, die er freudig und zielstrebig anpackt: die Leitung der Hochgebirgsschule Tyrol. - Noch ein Sommer ist ihm geschenkt. Er ist fast immer mit Gruppen im Gebirge unterwegs. Zwischendurch geht er seine eigenen Wege, - und manchmal kommt er und man muß es ihm herausziehen: Große Zinne, gerade Nordwand - direkte Rotwand ... die zwei schwersten Fahrten, die es heute in König Laurins Felsengarten gibt.
Aber während die anderen eine Materialschlacht daraus gemacht haben und durchaus mittels Reepschnüren mit einer Hilfsmannschaft am Fuß der Wand in Verbindung stehen, steigt er sozusagen im alten Stil durch, ohne fremde Hilfe, nur auf eigene Kraft gestellt - wie es einem König zukommt. Zwei-, dreimal sehe ich ihn mit dem Fahrrad unterwegs, ein Mädchen mit gelbem Halstuch fährt neben ihm. Eine tiefe Beglückung erfaßt mich: endlich kommt auch zu ihm die Freude, die Wärme . . . nicht nur immer der Kampf und die Kälte. Einmal frage ich ihn: „Du am Ende auch?" „Ja", sagt er, „warum denn nicht? Warum sollte ich nicht auch einmal heiraten?"
Dann der Herbst und das Wort, das für uns jetzt einen so finsteren Klang hat: „Cerro Torre!" Unendlich viele Hindernisse stellen sich der Ausfahrt in den Weg, und einmal sage ich zu Toni: „Gott, wenn es gar nicht sein will? Laß es doch?!" Er sieht an mir vorbei ins Weite. Es ist, als ob das Schicksal ihn schon auf seine dunklen Schwingen genommen hätte. Er fliegt nach Buenos Aires. Das versprochene Flugzeug nach Patagonien fällt aus. Sie fahren 3000 Kilometer im Lastwagen, kommen zu spät und abgekämpft an den Fuß des Berges mit dem finsteren Namen: Cerro Torre, 3128 m.
Lionel Terray schreibt 1952 nach der Fitz-Roy Expedition: „Wir sahen den Cerro Torre - eine freistehende, fast unwirtliche Riesensäule". Aber, er schreibt auch über die wilden Flüsse, in denen schon beim Anmarsch einer seiner Kameraden ertrunken ist. Er schreibt über sintflutartige Regen, dann wieder fällt metertief der Schnee. Er schreibt über stundenlange Wühlarbeit in grundlosem Pulver, um bloß einmal an den Fuß des Berges heranzukommen. Und er schreibt über die eisigen Stürme Patagoniens, die es unmöglich machen, ein Zelt aufzustellen, so daß die Bergsteiger tagelang in Schneehöhlen Hausen müssen. Tagelang auch klettern sie in nassen Kleidern, oder es fällt Sturm ein mit Spitzenböen bis zu 200 Stundenkilometern, so daß sie sich nur auf allen Vieren fortbewegen können, - und schließlich Temperaturen bis zu minus 20 Grad. Und dies sind ja erst die klimatischen Bedingungen. Noch ist nicht gesprochen von den ungeheuerlichen roten Granitmauern, von den vereisten Riesenplatten, von brüchigen lotrechten Rissen. Da steht noch der Satz: „Eines wissen wir genau: wenn eine Seilschaft mitten in der Wand in den patagonischen Sturm gerät, ist sie so gut wie verloren". Terray und Magnone haben den Fitz Roy bestiegen. Der Bericht über diese Besteigung liest sich wie ein Heldenepos. Er schließt mit dem Satz:
„Der Fitz Roy ist derzeit wohl der schwierigste Kletterberg der Erde, der bisher erobert wurde." Es blieb zu erobern der Cerro Torre, der 5 Kilometer südwestlich des Fitz Roy in den Himmel Patagoniens ragt: die „unwirtliche Riesensäule."
1957/53 rückten die besten italienischen Bergsteiger dem Berg zu Leibe. Trotz äußersten Einsatzes durch Wochen hindurch erreichte Bonatti nur die Schulter in halber Höhe des Berges. Es blieb zu erobern der Cerro Torre!
Er bleibt, bis Toni Egger sich mit Cesare Maestri verbindet und allen Schwierigkeiten zum Trotz Ende Jänner mit dem Gipfelangriff beginnt.
Drei Tage lang - vom 29. bis 31. Jänner 1959 - kämpfen die beiden ihren großen einsamen Kampf. Was Menschengeist, Muskelkraft und Herzensstärke - in ihrer kühnsten Verbindung - in diesen Tagen an die Erde gewandt, übersteigt die Möglichkeiten der Sprache.
Antoine de Saint-Exupery, der französische Flieger und Dichter, hat es einmal so auszudrücken versucht: „Kein Vieh würde das aushalten!" Und das mag auch heißen, daß hier ein rein Menschliches, das sonst nirgends entstehen kann, Gestalt geworden ist. Und dies ist im Zeitalter der Vermassung vielleicht eine der schönsten Aufgaben des Bergsteigens, eine Aufgabe, deren Bedeutung vielfach noch verkannt wird.
Am 31. Jänner steht Toni Egger mit Maestri auf dem Gipfel des Cerro Torre, jenes Berges, der auch sein Grabmal werden sollte. Nach eineinhalb Stunden Gipfelrast beginnen sie mit dem Abstieg, zurück in die Welt, aus der sie gekommen sind. - Sie haben nichts mehr zu essen. Zwei Biwaks im Aufstieg haben sie schon ziemlich mitgenommen. Jetzt folgt die dritte Biwaknacht. Dann der 1. Feber. Einen ganzen Tag lang kämpfen sie sich durch das Sperrfeuer hinab. Dann das vierte Biwak in der Steilwand. „Kein Vieh würde das aushalten!"
Am 2. Februar bricht warmer Sturm ein und löst wilde Eisstürze aus. Den ganzen Tag lang schlagen sie sich weiter nach unten durch, in Seilen hängend, hunderte Meter Abgrund unter sich. Nur noch durch Drogen können sie sich aufrecht und wachhalten.
Die fünfte Freinacht droht. Die beiden kleben an einem kleinen Vorsprung. Toni, fürsorglich und kameradschaftlich, wie er ist, spürt vielleicht, daß sie hier diese fünfte Nacht nicht lebend überstehen würden und quert in die Wand, um einen besseren Biwakplatz ausfindig zu machen ... da löst sich hoch oben wieder ein Eissturz, Maestri schreit Toni noch warnend zu, da spannt sich das Seil . . . und wird gleich darauf loser ... für immer.
Ein Stem ist verglüht. Wir haben einen Gefährten verloren, der nicht nur ein großer Bergsteiger gewesen ist, sondem auch ein außerordentlicher Mensch - nämlich ein guter Mensch!
Toni hat uns zurückgelassen. Eine Mutter weint um ihren Sohn, der ihr ganzer Stolz und die Hoffnung ihres Alters gewesen ist. Wir trauem um einen Freund, den uns seine Erinnerung, seine Hoffnung, nichts erfeßen kann. Den Tagen und Jahren, die jetzt kommen, wird eine Sonne fehlen, eine Freundlichkeit und eine Klarheit, die unwiederbringlich sind. Das Leben, das fich für das wirkliche hält, wird weitergehen. Morgen weiden andere Meldungen in der Zeitung stehen. Für uns aber ist Tonis Leben und Sterben zu einem Gleichnis geworden. Unser Trust in dieser Stunde möchte sein, daß wir später einmal vor diesem Gleichnis still verweilen dürfen: auf daß nicht alles fei der Zweck, die Kleinlichkeit, die Verrechnung und das Geschrei des Tages - damit noch sei eine Stille, eine Sammlung und eine Einkehr in die eigene Brust. Damit noch sei ein Raum für den Menschen! Für den guten, bescheidenen, tapferen Menschen.
Quelle: Mitteilungen des ÖAV 1959, Heft 3, Seite 13-15

Toni Egger
Am 2. Feber 1959 fand unser Klubkamerad Toni Egger, fern seiner Heimat den Bergtod. Nach der Bezwingung des eisgepanzerten Riesenzahnes des Cerro Torre 3126 m in den Patagonischen Anden, riß ihn eine Eislawine knapp vor Erreichung des Karbodens mit. Alle die Toni persönlich gekannt haben, wurden von der Nachricht aus Südamerika zutiefst getroffen. Ein liebenswerter, bescheidener und hervorragender Bergsteiger war auf der Höhe seines Könnens abberufen worden.
Als gebürtiger Bozner wuchs Toni in Lienz auf, wo auch seine Bergsteigerlaufbahn begann. Obwohl er schon im Jahre 1941 mit 15 Jahren seine ersten Kletterfahrten ausführte, kam er erst verhältnismäßig spät zu schwierigen Bergfahrten. Diese langsame aber sichere Entwicklung entsprach ganz seiner Wesensart; auch mangelte es anfangs oftmals an geeigneten Berggefährten. Seine Erfolge sind so zahlreich, daß eine Aufzählung all der klingenden Bergnamen der Ost- und Westalpen, von der Türkei bis Südamerika, kein Ende nehmen würde. Einige Marksteine seien jedoch herausgegriffen.
1950 kommt er erstmals in die Sextener Dolomiten und ersteigt die Große Zinne Nordwand. In den Lienzer Dolomiten war die Erstersteigung der Roten Turm Nordwand, der Beginn seiner großen Erschließertätigkeit in diesen Bergen. 1951 wird er Bergführer, er besteht alle Prüfungen ausgezeichnet. Das Jahr 1952 bringt neben vielen anderen Erfolgen den Furggengrat auf das Matterhorn, Westliche Zinne Nordwand, Civetta NW-Wand. 1953 die Südwand der Laserzwand in den Lienzer Dolomiten, eine der schwierigsten Erstersteigungen seiner heimatlichen Berge. 1954 vollbrachte Toni wahre Meisterstücke; die Große und Westliche Zinne Nordwand an einem Tag, und die ,,Cassin" auf die Kleinste Zinne, diesmal im Alleingang, waren die größten Leistungen. 1955 kommt er erstmalig in die Westalpen. Gran Capucin Ostwand ist der Auftakt, Die Hochstadlnordwand und die Roten Turm Südwand im Jänner 1956 stellen Trainingsfahrten in den Bergen der Heimat dar. Der Alleingang über den Südgrat der Aiguille Noire, die Begehung des Drupfeilers, der Aiguille du Midi Südwand, die Erstersteigung des Marmolata SO-Pfeilers und der Alleingang durch die Große Zinne Nordwand, sind einige seiner Erfolge von 1956. Das Jahr 1957 bringt seinen bisher größten Triumpf, er bezwingt das Matterhorn Südamerikas, die 6127 m hohe Jirishanca und den 6121 m hohen Toro in den Kordilleren Perus erstmalig. Weitere Berge über 5000m wurden erstmalig bestiegen. 1958 war mehr dem Berufsleben gewidmet, Toni Egger wurde Leiter der Hochgebirgsschule Tirol in Innsbruck. Er konnte nur so nebenbei die erst kurz vor¬her bezwungenen Wände der Großen Zinne (Direttissima) und der Rotwand durchsteigen.
Ende 1958 flog er nach Südamerika. Die Berge Patagoniens hatten ihn in ihren Bann gezogen. Hier treffen alle Schwierigkeiten, mit Ausnahme der dünnen Luft, zusammen, denen ein Bergsteiger begegnen kann, Ein vergletschertes Gebiet, aus dem himmelragende Granitnadeln emporschießen, wird von orkanartigen Stürmen, Regen- und Schneefällen, umbraust. Die kühnste und steilste Nadel war das Ziel der kleinen Expedition von Cesare Maestri, der auch Toni angehörte.
Vier Tage dauerte der Kampf um den Berg, gegen das Wetter, den Hunger und die Schwäche. Der Gipfel wurde erreicht: Die Fahrt war fast beendet, da traf jene grausame Eislawine unseren Freund und Kameraden Toni.
Wieder haben wir uns die Frage vorgelegt, ob es einen Sinn hat in die Berge zu gehen, um mit Fels und Eis zu ringen, ohne einen Gewinn an sichtbaren Werten mitzubringen. Da lese ich einige Worte von Sepp Walcher: ?Die wirkliche Tat beginnt erst jenseits der Furcht. Die letzten Schritte aber in das Ungebahnte Unbekannte wagen nur mehr wenige Furchtbezwinger, Gefahrensucher. Hier ist die Heimat des Kühnen! Was aber schrie da schon die Menge vom sträflichen Leichtsinn und von Narretei! Wer aber stand .auf zur Rettung aus Not und Gefahr? Waren es nicht immer Furchtlose, Mutige und Selbstlose?" ? So ist es doch. Abes welche Eigenschaft bleibt erhalten, wenn man sie nicht pflegt? Wie entwickelt sich der Junge zum Mann? Die beste Schule sind immer noch Kampf und Gefahr. Aber es gibt zweierlei Kampf im Leben, den gegen Menschen und jenen gegen die Gewalten der Natur. Edel ist jeder Kampf, der seinen Sieg nicht auf der Niederlage eines Mitmenschen aufbaut, wertvoll jenes Tun, bei dem man sich selbst besiegen muß.
Dann stehe ich wieder auf einer hohen Zinne und blicke ins Tal hinab. Tonis kurzes, aber so großartiges Leben zieht an meinem geistigen Auge vorbei. Wie hart, aber doch so reich und schön war es gewesen; nur den Bergen war seine Entwicklung zur Persönlichkeit und die Vielfalt der Erlebnisse zu danken. Neben mir lugt eine kleine farben-prächtige Bergblume aus einem Riß im Felsen heraus. Wie unerhört zäh ist doch das Leben, dachte ich. Schritt für Schritt hat es sich die Erde erobert, ein Gesetz, der Auftrag des Schöpfers, will es so.
Da steht nun ein riesiger Turm aus Fels und Eis, inmitten einer unwirtlichen Landschaft, unbesiegt und spottend allem menschlichen Wollen und Können. ET spornt an zu einer gigantischen, einmaligen Leistung. All dies braucht viel Überwindung, aber gerade diese ist ein Schritt zur Vollendung, formt unser Ich und läßt uns das Leben heißer und tiefer lieben. Wer über sich selbst hinaus schaffen will, der hat mir den reinsten Willen, sagte Nietzsche. Es war ein schicksalhaftes Müssen, das Toni an diesen Berg fesselte.
Toni wird uns als Mensch und Bergsteiger ein Vorbild bleiben, dem wir nachstreben, und welches wir der Jugend mitgeben wollen auf ihren beschwerlichen Weg durch eine Welt mit so vielen falschen Zielen.
A, Thenius
Quelle: Österreichische Alpenzeitung 1959, Folge 1306, Seite 143-144

Quelle: Der Bergkamerad 1958/59, Seite 447 ff (siehe Anhang)
Quelle: Mitteilungen des DAV 1959, Seite 51 f
Quelle: Der Bergsteiger 1958/59, Seite 377
Quelle: Alpinismus 1975, Heft 8, Seite 52
Quelle: Bergwelt 1976, Heft 2, Seite 29

Toni Egger
Vita *12. 9. 1926 Siebeneich bei Bozen, (+) 2. 2. 1959 am Cerro Torre (Patagonien) durch Eislawine; ab 1939 lebte er in Debant bei Lienz; nach Abschluß der Volksschule Arbeit als Holzfäller, Bergführerprüfung; ab 1957 Leiter der Hochgebirgsschule Tyrol.
Chronik Toni Egger war ein begnadeter Kletterer. Schon mit 15 Jahren unternahm er seine ersten Klettertouren. In den Jahren 1949-1959 gehörte er zu den erfolgreichsten Bergsteigern. Dank seiner hervorragenden Technik im Fels gelang ihm eine Reihe schwie¬rigster Erstbegehungen. So die Nordwand des Roten Turms (1949), die Direttissima der Großglockner-Nordwand (1952), die Laserz-Südwand (1953), die Kleine-Zinne-Vorgipfel-Südwand (1955) und der
Südostpfeiler an der Marmolada d'Ombretta. In den Anden gelang ihm in der Cordillera Huayhuash die Erstbesteigung des Nevado Jirishanca (1957). Seinen letzten großen Triumph konnte Toni Egger, gemeinsam mit Cesare Maestri, 1959 am Cerro Torre (Patagonien) feiern. Nachdem sie sich den Gipfel unter härtesten Bedingungen erkämpft hatten, wurden sie im Abstieg von einem orkanartigen Sturm, wie er für Patagonien typisch ist, überrascht. Während des Abseilens wurde Toni Egger von einer Eislawine erfaßt und verschüttet. Erst 16 Jahre später fand eine Schweizer Expedition durch Zufall seine Leiche und bestattete sie am Fuße des Fitz Roy. Der Egger-Turm in den Lienzer Dolomiten und der Torre Egger in Patagonien erinnern noch heute an die großen Taten dieses Bergsteigers, dessen ungewöhnlich erfolgreiche Laufbahn ein viel zu frühes Ende
gefunden hatte.
-xy-
Quelle: Der Bergsteiger 1982, Heft 7, Seite 57-58



Geboren am:
12.09.1926
Gestorben am:
02.02.1959
application/pdf WIKIEgger Toni - Bergkamerad 1958-59, Seite 447.pdf

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