Kristen Franz
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Biografie:
Franz Kristen
*1. August 1899 ? (+) 1. September 1977
Ein stiller, in sich gekehrter Mensch, der das Leben niemals von der leichten Seite nahm, streng gegen sich selbst und in der Wahl seiner Freunde war, denen er rückhaltlos vertraute und die sich auf ihn in jeder Lage unbedingt verlassen konnten, das war Dipl.-Ing. Franz Kristen. Sicherlich hat die strenge Erziehung im Internat rer K. u. K. Kadettenschule Traiskirchen, die er während des Ersten Weltkriegs besuchte, zu dieser seiner Wesensart beigetragen. Kurz nach seinem Eintritt in die Militärakademie erfolgten das Ende des Krieges und der Zusammenbruch der österreichisch-ungarischen Monarchie, womit der ihm von seinem Vater vorgezeichneten Laufbahn zum Generalstabsoffizier ein Ende gesetzt war. Franz Kristen übersiedelte in die Technische Hochschule in Wien, legte 1924 die Staatsprüfung ab und erwarb das Recht zur Führung des Titels ?Ingenieur".
Im Jahre 1925 erhielt er in der Firma Julius Overhoff in Wien, die für die Errichtung von Wasser-Rückkühlanlagen das Patent besitzt, Anstellung als Ingenieur. 40 Jahre, bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand, war Kristen in dieser Firma tätig; er wurde im Verlauf dieser Zeit ihr Chefingenieur und erhielt Prokura. 1975 wurde ihm von der Technischen Hochschule das Goldene Ingenieurdiplom überreicht.
Die Schaffung seiner beruflichen Existenz ließ Kristen vorerst wenig Muße. Im Auftrag seiner Firma war er nicht nur in Osterreich und Deutschland, sondern auch in anderen Staaten von Europa und Asien tätig. Nicht nur in Stahlwerken, zum Beispiel in Donawitz oder Leoben, sondern auch solchen in der Türkei und in Persien stehen Kühlwassertürme, zu deren Einrichtung Ingenieur Kristen an Ort und Stelle beigetragen hat. So gründete er verhältnismäßig spät einen eigenen Hausstand. 1932 heiratete er und lebte mit seiner Gattin Maria, die ihm 1942 eine Tochter Christa gebar, bis zu seinem Tod in glücklicher Ehe.
Neben Beruf und Familie galt sein besonderes Interesse der Welt der Berge und dem Aufenthalt in freier Natur. Ein Jahr vor seiner Verehelichung war er dem Österreichischen Touristenklub beigetreten, hatte bald Aufnahme in dessen Bergsteigergruppe gefunden, welche die strengere Richtung des Bergsteigens pflegt. In dieser Gemeinschaft fand er Gefährten für die Durchführung schwieriger und großzügiger Bergfahrten; einige davon seien hier erwähnt: Mit Fritz Burdak und Ernst Mille vollführte er in der Hochalmspitzgruppe die erste Ersteigung der Preimlspitze über die Nordostkante und mit Rudi Klose in den Lienzer Dolomiten die erste Begehung der unmittelbaren Nord¬wand des Kleinen Laserzkopfes, daraufhin Abstieg in den Lämperschoß, Durchquerung des Lavanter Steinkars und über die Westwand (Anstieg Eller) auf die Keilspitze. Nach Biwak auf dem Gipfel Abstieg in das Laserzkar und über das Kerschbaumertörl zum Kerschbaumeralm-Schutzhaus. Als sie dort erfuhren, daß in der Gipfelrinne des Spitzkofels ein Bergsteiger verunglückt sei und dort verletzt läge, stiegen sie sofort auf und bargen ihn, was für ihre Leistungsfähigkeit ein beredtes Zeugnis gibt. Ebenfalls mit Rudl Klose führte Kristen eine der vielleicht großzügigsten Eisfahrten der Ostalpen durch: Sie stiegen vom Südosten über den Teufelsmühlgrat auf das Wiesbachhorn und über den Nordgrat hinab zum Firnsattel; von diesem gelang ihnen ein neuer Abstieg nach Nordwesten durch die Eisbrüche und auf einer Gratrippe in die innere Bucht des Wielingerkeeses; über den Fochezkopf gelangten sie dann zum Schwaigerhaus. Auf den Großglockner stiegen sie über die Pallavicinirinne und den Nordgrat, auf die Glocknerwand vom Süden durch den Eisbruch des Fruschnitzkeeses, der vermutlich vorher noch nie durchstiegen worden war.
Während seiner beruflichen Auslandsreisen in der Türkei und in Persien erstieg er auch dort Berggipfel, zum Beispiel den Demavand, mit 5671 m der höchste Gipfel von Persien.
Anfangs 1943 fand Kristen Aufnahme in unseren Klub. Nach dem Zweiten Weltkrieg und nach den Wirren der Nachkriegszeit konnte er nach anderen Westalpenfahrten seiner bergsteigerischen Tätigkeit die Krone aufsetzen: er überschritt die Meije von La Bérarde nach La Grave und erreichte den Gipfel des Montblanc über den Brouillardgrat. Damals war er an die fünfundfünfzig Jahre alt, was zeigen mag, wie sehr er den Bergen treu verbunden war und aus der Tätigkeit in ihnen Lebenskraft schöpfte. In den Jahren seines Ruhestandes unternahm er größere Reisen, natürlich in Länder, in denen sich Berge erheben. In Nordafrika reiste er zu Gebirgen Algeriens, unternahm eine Saharafahrt nach Marokko bis in den Hohen Atlas und führte mit seiner Tochter als Maturareise eine Durchquerung der skandinavischen Länder bis zum Nordkap durch.
Auf dem Weg zu seiner letzten Ruhestätte auf dem Friedhof in Neustift am Walde, die er sich zu seiner Lebenszeit selbst bereitet hatte, begleiteten ihn neben seinen Familienangehörigen Berufskollegen und Freunde aus dem Alltag, auch manche seiner Berggefährten und die wenigen noch lebenden Männer, die zugleich mit ihm Zöglinge des gleichen Jahrgangs der Kadettenschule Traiskirchen gewesen waren. Am offenen Grab nahmen ihr Sprecher und für die Bergsteigergruppe Ing. Julius Zimmermann mit bewegten Worten von ihm Abschied.
Nun ruht Dipl.-Ing. Franz Kristen auf dem Friedhof so, daß sein Blick zu den nördlichen Ausläufern der Alpen, zu Bergen reicht, die in ihrer Gesamtheit einen so bedeutenden Platz in seinem Leben eingenommen haben. Uns, die wir gemeinsam mit ihm höhenwärts strebten, bleibt Franz in guter Erinnerung.
Otto W. Steiner
Quelle: Österreichische Alpenzeitung 1978, Mai/Juni, Folge 1419, Seite 45-46
Geboren am:
01.08.1899
Gestorben am:
01.09.1977
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