Ostgrat

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Routen Details:
Einen neuen Anstieg, nämlich über die Ostseite, hat Dr. Alfred Wächter am 13. August 1908 ausgeführt. Er berichtete darüber im 16. Jahresbericht des „Akademischen Alpenklubs Innsbruck" (Seite 14ff) wie folgt:
»Von der Simmshütte schlug ich den schon bekannten Weg zur Schafscharte ein. Es herrschte windiges und kaltes Wetter. Nach einer kurzen, aber anstrengenden Kletterei in dem zur Wetterspitz-Nordwand hinaufziehenden Grate ließ ich verdrossen von der kalten Arbeit ab und wanderte in die sonnige und windgeschützte Ostseite hinunter. Ob der mächtige Ostpfeiler der Wetterspitze nicht zu erklettern wäre? Über steile, beinhart gefrorene Firnstreifen, einen Mauerhaken mangels des Pickels wie ein Stilett benutzend, querte ich gegen die Felsköpfe unterhalb des Fallenbacherferners hin, um einen Anstieg zu erkunden. Ich verlor nicht viel Zeit damit, sondern kehrte zum Fuße des Pfeilers zurück. In der Falllinie eines der erwähnten Köpfe stieg ich in die Felsen ein. Ein System von senkrechten, kurzen Kaminen und schmalen Bändchen brachte mich höher. Dann hielt ich mich möglichst nach rechts, um ja den Ansatz der eigentlichen Gratschneide zu erreichen. Die leichteren Felsen links konnten mich nicht verführen. Jeder Moment erforderte volle Anspannung. Dann stand ich vor dem steilen Aufschwung einer schmalen Schneide; die bisherigen Schwierigkeiten schienen sich da um ein mehrfaches zu steigern; rechts und links glatte Wände. Es gab kein Ausweichen und nur ein Versuch konnte entscheiden. Winzige Griffe und Tritte gestatteten ein Emporkommen in regelrechter, wenn auch scharfer Kletterei. Willkommen bot sich mir dann ein kleiner Felskopf als Ruhepunkt. Der weitere Aufschwung schien noch ärger und ich sah von ihm weg, um die kurze Frist der Rast nicht mit Rückzugsgedanken ausfüllen zu müssen. Ganz ohne mir einen Erfolg zu versprechen, wagte ich eine Probe. Das sah ich gleich, daß es hier keine Kletterei mehr im gewöhnlichen Sinne gab. Die Stelle zeigte sich als griff los, glatt, das Gestein fest und geschlossen, wie aus einem Guß. Mangels anderen Haltes klemmte ich den Grat zwischen die Knie, wobei eine vorstehende Platte links als Widerlager für den linken Fuß gute Dienste leistete. Die Finger umfaßten die an einer Stelle weniger steil verlaufende äußerste Gratkante und die Ballen der Hände wurden fest gegen die Felsenschneide gepreßt. Winzige Rauhigkeiten und Grübchen für die Fingerbeeren wurden dankbar benutzt. Aus dieser Anfangsstellung arbeitete ich mich mit kurzen, zähen Zügen harpfend die nächsten paar Meter empor. Der Körper gravitierte dabei immer etwas gegen
die rechte Seite, wo die Wände über 100 m tief senkrecht und glatt wie geschliffen zur Schuttsohle des hintersten Grieseltales abfielen. Aber ich ertastete wieder kleine Griffe, die immer besser wurden, je höher es hinaufging. Zu meiner eigenen Überraschung zeigte sich nun bald ein horizontales Gratstück, das als Band an der Nordseite einer hier aufragenden Felsplatte bis zu einem hohen, turmartigen und ungemein kühnen Aufschwung des Grates weiterführte. Dort erlaubte ein schmaler Spalt zwischen Gipfel und Platte den Durchtritt auf
die südliche Seite, wo zu meiner freudigsten Überraschung ein gutes Band an den sonst glatten Wänden weiterführte. Ein schräger Kamin zog von ihm gegen das Massiv hinauf und stellte die Verbindung mit einer vom Ostgrat herabziehenden Geröllrinne her. In dem freudigen Gefühl, über den Berg gesiegt zu haben, beachtete ich keine Schwierigkeiten mehr, sondern stürmte, den nun zahmen Ostgrat wiedergewinnend, unaufhaltsam zum Gipfel. Führer Draxl von Flirsch und ein älterer Herr aus dem Reiche waren die überraschten Zeugen meiner Ankunft. Zur Bewältigung der etwa 300—400 m betragenden Höhendifferenz hatte ich nicht ganz eine Stunde benötigt."

Quelle: Zeitschrift des DÖAV 1911, Seite 195
Datum erste Besteigung:
13.08.1908
Gipfel:
Holzgauer Wetterspitze (Lechtaler Wetterspitze)
Erste(r) Besteiger(in):
Wachter Alfred