Südflanke
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Erste Begehung im Abstieg
Maurer Kees-Köpfe.
Die Maurerkees-Köpfe gehören zu den noch weniger aufgeklärten Theilen der Venediger-Gruppe. Eine touristische Begehung derselben dürfte in früheren Jahren kaum erfolgt sein. Ich verliess am 20. Juli 1881, 2 U. 15 früh mit Führer J. Grill (Kederbacher) die Johannshütte im Dorferthal. Nach Ueberschreitung des Gletscherbachs auf einer etwas unterhalb der Hütte befindlichen Brücke begann der Aufstieg über den das Dorfer- vom Maurerthal trennenden Scheiderücken. 3 U, 15 erreichten wir über theilweise noch begrünte Felsstufen den Uebergangspunkt 2743 m. Derselbe trägt nach einer in der Nähe aufragenden Felspyramide den Namen „Thürml".
Hier eröffnete sich ein überraschend grossartiger Blick auf die aus der Morgendämmerung geisterhaft hervortretenden Eisgipfel des Venediger-Hauptkamms und des Malhamstocks. Nicht minder prächtig war der Einblick in den ausgedehnten Gletschercircus des oberen Maurerthals und auf die denselben umgebenden Firnhänge. Meine Absicht ging dahin, über die Maurerkees-Köpfe die Simonyspitze und dann die Dreiherrenspitze zu besteigen. Unser nächstes Ziel war das Maurerthörl. Nach einer kleinen Rast brachen wir wieder auf, und betraten, den Kleinen Geiger 2819 m links lassend, den vom Grossen Happ herabkommenden Gletscherzufluss. Derselbe, eine Componente des Maurerkees, zeigt in allen Theilen die Spuren rapiden Eückgangs. Der mit Gesteinstrümmern theilweise ganz übersäte Eiskörper dürfte kaum mehr als zwei Drittel jener Area besitzen, die er in früheren Jahren eingenommen hat. Nach einer dreistündigen Wanderung, während welcher der aufstrahlende Morgen die ganze Herrlichkeit dieser Hochgebirgs-Scenerie enthüllte, erreichten wir das Maurerthörl 3109 m. Der letzte Anstieg zum Maurerthörl führt über einige Felsstufen; der Uebergang selbst bietet keine Schwierigkeiten. Wir hofften einer früheren Abschätzung zufolge die Kammstrecke Maurerthörl - Maurerkees-Köpfe - Simonyspitze in 3 St. bewältigen zu können. Es zeigte sich aber bald, dass wir uns hier stark verrechnet hatten !
Die Maurerkees-Köpfe bilden von SO. gesehen, vier grössere und einige kleinere, scheinbar nur durch kleine flache Sättel getrennte kuppenförmige Erhebungen. Der das Maurerthörl westlich einschliessende schneefreie Felskopf heisst der „Schwarze Maurerkees-Kopf" 3304 m *). Er bildet mit seinem nördlich vorspringenden, theilweis von Firneis bedeckten Grat den Scheiderücken zwischen dem Obersulzbach- und Krimmlerkees. Ob der östlich des Maurerthörl gelegene, von Herrn Th. Harpprecht als „östlichster Maurerkees-Kopf bezeichnete Punkt 3190 m **) noch zu den Maurerkees-Köpfen zu rechnen ist, konnte ich nicht in Erfahrung bringen. Ohne uns auf dem Thörl aufzuhalten, kletterten wir an den NO.-Wänden des Schwarzen Kopfs empor. Ein öfteres Stufenhauen im harten Firneis und die schon hier beginnenden Zick-Zackgänge verlangsamten das Fortkommen beträchtlich. Endlich erreichten wir die Gipfelkuppe, und in 1/2 Std. auch den zweiten in der photogr. Copie der Originalaufnahme mit „Hinterer Maurerkees-Kopf" bezeichneten Punkt 3232. Derselbe, hat von S. gesehen, die Form eines schön abgerundeten Schneedoms. Um zu dem nächstfolgenden Gipfelpunkt 3270 zu gelangen, musste wieder die nördliche Felswand betreten werden, da der zerborstene Grat und die Steilheit des jenseitigen Firnhangs das Fortkommen auf dem Kamm nicht erlaubten. Das Gestein besteht durchgehends aus einem glimmerreichen, stark, verwitterten Chloritschiefer, in welchem sich häufig schöne Eisenkies-Krystalle eingesprengt finden. Wir näherten uns nun der mittleren Kammstrecke. Ob Punkt 3270, oder die ca. 300 m westlich und mehr central gelegene Erhebung 3266 m als „Mittlerer Maurerkees-Kopf" zu bezeichnen ist, steht in Frage. Am besten wäre es, für beide Erhebungen den Namen „Mittlere Maurerkees-Köpfe" zu gebrauchen. Von dem westlichen Kopf, auf welchem sich ein 2 m hoher Steinmann erhebt, zieht ein steil abfallender Felsrücken ins Krimmlerkees hinab.
Die Bewältigung der bisherigen Kammstrecke hatte einen Zeitaufwand von 3 St. erfordert, und noch war das Ende nicht abzusehen. Den zerstückelten Felstrümmern möglichst ausweichend, hielten wir uns nunmehr an der S.-Seite des Kamms. Einzelne Gratzacken nöthigten uns zu zeitraubenden Klettereien, was bei der Brüchigkeit und Glätte der oft mit Schmelzwasser überronnenen Felsen grosse Vorsicht erheischte. Nach Passirung einer weiteren Felskuppe 3245 m, die in der Sp.-K. als „Mittlerer Maurerkees-Kopf" bezeichnet ist, langten wir am Vorderen Maurerkees-Kopf an. Die Höhe desselben ist gleich dem letzteren Punkt, 3245 m. Letztere beiden Erhebungen senden einen steilen Felsvorsprung gegen den Firn des Krimmlerkees hinaus. Ein heranziehendes Gewitter, welches sich schon lange an der Dreiherrenspitze festgesetzt hatte, und die vom Krimmler Thal heraufwirbelnden Nebelballen erlaubten keinen längeren Aufenthalt. Wir betraten nun die Firnschneide, welche zur Oestlichen Simonyspitze hinüberzieht. Die grosse Steilheit des Firns und die darauf lastende unsichere Schneedecke, welche in einer mächtigen, bis 10 m breiten Wächte gegen das Krimmlerkees hinausstarrte, nöthigte uns zur äussersten Vorsicht. Um 12 U., 5 1/2 St. vom Maurerthörl, war die Oestliche Simonyspitze 3477 m erreicht. — Leider war es infolge der Witterungsverhältnisse nicht möglich, noch die Besteigung der Westlichen Simonyspitze und der Dreiherrenspitze zu unternehmen. Ich hatte meinen Entschluss nachher nicht zu bereuen. — Die Chancen des Abstiegs von der Oestlichen Simonyspitze waren nach jeder Eichtung sehr prekär. Aber Kederbacher fand auch hier bald den richtigen Ausweg. Ein bei 50° geneigter, mit weichem Schnee bedeckter Firnhang, der in kaum übersehbarer Flucht gegen das wild zerklüftete Simonykees abstürzte, sollte uns zum Abstieg dienen. Wir hielten das Seil straff, rammten den Pickel oberhalb fest ein, und stiegen bei möglichst aufrecht gehaltenem Oberkörper, den Fuss mit aller Kraft in den Schnee einstossend, herab. So ging es ziemlich schnell vorwärts, bis uns eine 5 1/2 m breite Kluft zu einem Sprung auf den unten jäh sich fortsetzenden Firnhang nöthigte. Er gelang und wir wandten uns nun, um dem Spaltengewirr des Simonygletschers zu entgehen, links (östlich) gegen das Maurerkees. Ueber die steilen Flächen abfahrend, betraten wir bald die begrünten Felshänge des Dellacher Keesflecks und die Zunge des Maurerkees. Unter immer stärker werdendem Kegen und heftigem Gewitter, welches den Tag in völlige Nacht verwandelte, trafen wir Abends 5 U. beim Stredenhof im Virgenthal ein. — Es braucht wohl nicht erst erwähnt zu werden, dass eine Kammwanderung über die Maurerkees-Köpfe durch die ringsum sich erhebenden, prachtvollen Gipfelbauten, als auch besonders wegen der sich der Eeihe nach erschliessenden grossartigen und erhabenen Gletscherbilder — ich nenne hier nur das Obersulzbach-, Krimmler-, Maurer- und Simonykees — zu den genussreichsten Hochtouren im Gebiet der Venediger-Gruppe gehört.
Salzburg. L. Purtscheller
Quelle: Mitteilungen des DÖAV 1882, Seite 188
Datum erste Besteigung:
20.07.1881
Gipfel:
Simonyspitze Östliche
Erste(r) Besteiger(in):
Grill Johann (Kederbacher)
Purtscheller Ludwig