Ostsüdostgrat
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Routen Details:
Leiterspitze 2754 m.
In Folge Eröffnung der Oberinnthaler Bahn dürften sich die bisher fast gänzlich vernachlässigten Lechthaler Alpen häufigeren Besuchs von Seite der Touristen zu erfreuen haben. Eine stattliche Eeihe wenigstens touristisch noch nie bestiegener Hochgipfel, durchgehends wilde, zackige Felsgestalten, harren ihres Besiegers, und nur selten betrat bis jetzt ein Wanderer ihre, durch grossartige Naturschönheiten reich ausgezeichneten Seitenthäler. — Am 28. Juli 1883 machte ich mich auf. um die im hintersten Winkel des Madriol-Thals gelegene Leiterspitze zu besteigen. Abfahrt Innsbruck 7 U. 26 Abends, Ankunft Bahnhof Landeck 10 U. 10. Ich wandte mich zurück zu dem 15 Min. abwärts gelegenen Dorf Zams. Ein Bauernknecht erbot sich, mich die Nacht noch bis zur Alpe zu führen; er wolle nur eine Laterne ausleihen, dann könnten wir sogleich aufbrechen; es währte jedoch bis 12 Uhr, bis er wieder kam. — Ein schlechter, schuttiger Steig, »Kniebiss« genannt, leitet an der nördl. Thalwand scharf aufwärts. Zu allem Überfluss begann es zu regnen. An meinem Führer machte sich bald die Wirkung übermässigen Genusses von Branntwein unliebsam bemerkbar. Kaum 10 Schritte vermochte er zurückzulegen, ohne unter hässlichen Fluchen zu Boden zu fallen; um die Laterne vor Zertrümmerung zu bewahren, nahm ich sie unter meine Obhut und leuchtete ihm, ängstlich besorgt, dass er nicht über die scharf absetzende Wand stürze. Den schrillen Pfiff einer Gemse und das Gepolter der abstürzenden Steine erklärte er für Geisterspuck; nun getraute er sich nicht mehr weiter zu gehen und meinte, die beherztesten Männer seien hier schon oft von diesem Gespenst in die Flucht geschlagen worden. Erst auf meine kategorische Erklärung, dass ich ihn allein lasse und meinen Weg auch ohne seine Begleitung fortsetzen werde, raffte er sich auf, um mir nachzuschwanken. Sobald der Steig den Wald erreicht, wird derselbe breiter und besser. 3 U. 30 erreichten wir die Alpe Unterloch 1645 m, nahe der Gabelung der Thäler Madriol und Patriol. Mit kräftigen Flüchen und noch kräftigeren Fusstritten an die Thür weckte mein liebenswürdiger Begleiter den Senner.
Um nicht in irgend einen Conflikt zu gerathen, ging ich weiter. Nach Ueberquerung einer mächtigen Steinmure werden saftige Alpenweiden betreten. Herrliche, prächtig aufgebaute Felsgestalten umsäumen das Thal nach allen Seiten, durch die Kühnheit ihrer Formen an die Dolomiten erinnernd. 1 St. aufwärts von der Alpe Unterloch begann mein schwankender Begleiter die obere Alphütte zu suchen. Wie toll rannte er im Kreise herum, ohne sie entdecken zu können; endlich meinte er, es werde sie wohl eine Lawine vertragen haben. — Da mir dieser Mensch ferner doch nur hinderlich sein konnte, so verabschiedete ich ihn und setzte meine Wanderung allein fort. Spuren eines Steigs an der Ostseite leiteten auf die hinterste scharf ansteigende Thalstufe. In der vergangenen Nacht gefallener Neuschee machte sich je höher aufwärts, immer mehr bemerkbar. 5 Uhr 15 erreichte ich einen kleinen, am Fuss einer sich gegen die Leiterspitze aufwärtsziehenden, noch mit enormen Schneemassen gefüllten Mulde gelegenen See. Mihsam genug arbeitete ich mich durch alten und neuen Schnee weiter bis zu dem die Mulde abschliessenden Grat und nun- über häufig übereiste Felsen zur Spitze (7 Uhr 10). Die Fernsicht dürfte bei heiterer Luft wohl lohnend genug sein; mir war es nur gegönnt, Bruchtheile davon zu erhaschen. Starker Südwind bei -5° C. verleideten mir nach 8 Minuten den Aufenthalt auf der Spitze, eilends trachtete ich eine wirthlichere Region zu erreichen. Nach kaum 1 St. war die Thalsohle wieder gewonnen. Nun galt es, eine Üebergangsstelle in das Starkenbachthal ausfindig zu machen, um nicht denselben Weg zurück zu müssen. 1 St. anstrengenden Steigens auf steiler Grashalde brachte mich 10 U. auf das Mintsche-Jöchl 2409m. Nach einigen Minuten vorsichtigen Kletterns über scharf abstürzende brüchige Felsen und nach einer lustigen Fahrt über ein weit hinabreichendes Schneefeld betrat ich die herrlichen, blumenreichen Matten des obersten Starkenbachthals. Bald nahm mich ein gut kennbarer Steig auf, der sich da, wo der von Gramais über das Kofel-Grasjoch 2353 m (Zamserjoch) herabkommende Weg einmündet, zu einem kleinen Strässchen verbreitert welches immer in der Nähe des linken Bachufers bis gegen die Alpe Alfuz leitet; kurz vorher wird der Bach überschritten, der Weg tritt in den Wald; nach ca. 20 Min. ab Alpe eine Lichtung, wo sich der Weg theilt, rechts (westlich) führt einer gegen Zams, der links leitende wird überquert und man wird am Ende des Waldsaums ein anfangs wenig kennbares, steil abwärts führendes Steiglein finden, welches in 45 Min. nach Starkenbach leitet;*) ab Mintsche-Jochl 3 St., in weiteren 20 Min. Station Schönwies.
Innsbruck. - Julius Pock
Quelle: Mitteilungen des DÖAV 1884, Seite 53-54
Datum erste Besteigung:
29.07.1883
Gipfel:
Leiterspitze (Lechtaler Alpen)
Erste(r) Besteiger(in):
Pock Julius