von der Mittagsscharte

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Routen Details:
Zwölferkopf (Mittagspitze, 2232 m). (I. Ersteigung.)
Dieser imposante steile Obelisk, im Waxensteinkamm gelegen, senkt zur Mittagscharte eine enorme Platte ab und erhebt zwischen dem Kleinen und Grossen Waxenstein sein freies kühnes Haupt. Am 20. Juni brach ich mit Mathias Schönherr, Schmied von Ehrwald, von Obergrainau um 6 h früh auf, stieg durch den Stangenwald zur grossen Sandreisse der Mittagscharte, bog rechts in die Felsen in einen breiten, rasendurchsetzten Graben ein und erreichte um 9 h 30 m einen kleinen Felskopf. Hier begannen die Schwierigkeiten. Wir stiegen in eine schneeerfüllte Mulde ab und kletterten an der rechten Seite über vereiste Platten hinauf. Einen zweiten Graben traversirend, kamen wir in die grossartige Felsschlucht, die ihre Wände zu den Gipfeln des Waxenstein und Zwölferkopfes hinaufreckt. In der Richtung gegen Südost auf sehr steilem Schnee aufwärts, erreichten wir plattige Hänge, die bedeutende Schwierigkeiten boten, dann einen kleinen, schmalen Graben, der in eine regelrechte enge Höhle mündete, in der wir uns kurze Zeit vor dem nun losbrechenden dritten Gewitter an diesem Tage bargen. Da ein Weiterkommen nach oben, vor der Höhle, zu beiden Seiten unmöglich war, so erkletterte ich das „Fenster“ unseres Unterschlupfes, ein hochliegendes enges Loch.
Nun ein weiter schlechter Tritt über eine Platte zu einem breiten Felsband, um eine Felsecke herum — und der Gipfel liegt ganz nahe vor uns. 2 h 10m betrat ich ihn als Erster, errichtete schnell einen Steinmann und sah mir noch den unheimlichen Grat zum Grossen Waxenstein (2319m) an. Wie versteinerte Narren kappen mit Schellen ragen diese Zacken zur Höhe, doch tief unter ihnen wäre eine Traversirung des Felsthales und Erkletterung des Waxenstein meiner Ansicht nach nicht unmöglich. Den gleichen Weg mussten wir wegen der vorgeschrittenen Zeit, die uns diesen Versuch leider nicht mehr gestattete, zurück, was bei dem ganz lockeren nassen Schnee oft sehr harte Arbeit bot, umsomehr als doch zwei Gewitter uns überraschten. Abends um 9 h trafen wir wieder in Obergrainau ein, wo man so weit als möglich uns immer verfolgt und auch auf dem Gipfel gesehen hatte, der wegen seiner Steingefahr für uneinnehmbar galt. Rastzeit während der ganzen Tour 45 Min. Einmalige Seilanwendung bei den obersten schwierigen Platten.
Josef Ruederer
Quelle: Österreichische Alpenzeitung 1893, Folge 378, Seite 161
Datum erste Besteigung:
20.06.1893
Gipfel:
Zwölferkopf (Wettersteingebirge)
Erste(r) Besteiger(in):
Gazert Hans
Ruederer J.
Schönherr M.