Lec Sass da
(
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Höhe:
2.936 m
Infos:
Sas dal Léc (ca. 2950 Mtr., Erste Ersteigung).
Am 8. August 1892 verliessen Hans Lorenz, Walter Merz, Victor Wessely und die Unterzeichneten um 6 Uhr 30 Minuten Wolkenstein. Das Ziel war der noch unerstiegene Sas dal léc in der Seilagruppe. Er erhebt sich gerade westlich vom Pissadoi-See, dessen Abfluss die von Colfuschg sichtbare Cascade bildet. Allseits in schroffen Wänden abfallend, hängt er durch eine Schneescharte mit den Erhebungen des westlichen Sellastocks zusammen. Wir wussten, dass der Gipfel, dessen Ersteigung schon mehrmals versucht wurde, von dieser Scharte aus bereits mit negativem Erfolge angegangen worden war. Eine hohe senkrechte Wand hatte etwa in halber Höhe das weitere Vordringen verhindert. Um 7 Uhr 50 Min. hatten wir das Grödnerjoch erreicht und stiegen gerade südlich über einen Grashang zur ersten Terrasse empor, die wir in südwestlicher Richtung, nur wenig ansteigend, verfolgten, bis wir an die Mündung des ersten, in die ober uns sich erhebende, etwa 400 Mtr. hohe Wandstufe tief eingerissenen, schneeerfüllten Vallons kamen, welches nach einer freundlichen Mittheilung von Herrn Professor Dr. Alton, dem besten Kenner der Sellagruppe, bei den Einheimischen den Namen ?Val Culèa" zu führen scheint. Hier Frühstücksrast 8 Uhr 20 bis 8 Uhr 45 Min. Dann giengen wir durch das Val Culèa über harten Firn, zuletzt ziemlich steil, in grossartiger Umgebung, hinauf. Um 9 Uhr 30 Min. war die obere, schnee- und schuttbedeckte Terrasse, um 10 Uhr die Nordwand des Sas dal léc erreicht. Durch dieselbe kommt links, also östlich vom Gipfel, ein Eiscouloir herab, das wegen mehrfacher, überhängend abbrechender Stellen unpassierbar ist. Das Terrain östlich des Couloirs schien gangbar zu sein, brach aber gegen dasselbe in Wänden ab, die anfangs unüberwindbar erschienen. Nach längerem Recognoscieren wurde ein dieselben durchquerendes, schwach ausgeprägtes Band entdeckt; um dasselbe zu erreichen, wurde zuerst an der orographisch linken Seite des Couloirs nahe an der Wand ziemlich steinsicher in Stufen emporgestiegen, bis an einer schmalen Stelle ein rasches Hinüberkommen möglich wurde. Dann gieng es über steile Platten in die Nähe des Bandes, wo unter einem Ueberhang die Schuhe, Pickel (bis auf einen), Steigeisen etc. zurückgelassen wurden. In Scarpettis zum Band. Dieses ist unterbrochen, die Fortsetzung wird nicht leicht erreicht. Es ist schmal und exponiert, der Ueberhang zur Rechten drängt stellenweise stark heraus.
Nach Ueberkletterung eines lockeren Felskopfes (sehr schwierig) hat man das gestufte Terrain erreicht, über welches rasch an Höhe gewonnen wird. So kommt man zu einem breiten Bande unterhalb des östlichen Vorgipfels. Dieser ist durch eine Scharte, von welcher das früher genannte Eiscouloir herabstreicht, vom Hauptgipfel getrennt. Während zwei von uns den Vorgipfel der Recognoscierung wegen erstiegen und so den
leichtern Weg fanden, hatten die andern bereits die steile Eisrinne betreten. Die Arbeit durch diese verursachte viel Zeitaufwand und Anstrengung, da im glasigen Eise grosse Stufen für die unbeschuhten Füsse hergestellt werden mussten. Daher noch unter der Scharte Einstieg in die Wand des Hauptgipfels, wo zuerst ein sehr schwieriger, 6 Mtr. hoher, überhängender Kamin, dann ein zweiter leichterer zu einer Schulter emporführen, zu welcher auf der entgegengesetzten Seite von der Scharte ein Schuttcouloir heraufleitet, der Weg unserer Freunde. Eine Eisrinne kommt vom Gipfelblock herab. Zuerst wird der Grat rechts von derselben verfolgt, dann diese gequert und an der linken Wand, zum Theil schwierig, ein Fenster im östlichen Grat erreicht. Nun steht man vor dem sehr schwierigen Gipfelblock. Die Rinne endet in einem oben durch einen grossen Stein versperrten, stark überhängenden Kamin.
Die senkrechte Wand rechts davon wird erklettert. Griffe klein und spärlich, aber fest. Ueber leichte Schrofen mit wenigen Schritten auf die höchste Erhebung , ein ebenes, ca. 20 Schritt langes, halb so breites Plateau, das nach allen Seiten senkrecht oder mit Ueberhängen abbricht. Ankunft des Ersten um 1 Uhr 30 Min. Da sich mittlerweile drohende Wetterwolken ringsum gesammelt hatten ? weshalb Aussicht nur auf den tief unten liegenden, lichtgrünen Pissadoi-See und die gegenüberliegende-Pissadoi-Spitze ? wurden rasch zwei Steinmänner gebaut und 2 Uhr 15 Min. der Abstieg angetreten. Abseilung durch den überhängenden Kamin. Von der Schulter durch das unten abbrechende Schuttcouloir hinab, dann mittelst Traverse zur Scharte, von welcher auf den östlichen Vorgipfel. Ueber einige senkrechte Wandeln nach links hinab auf das Band oberhalb des Schrofenterrains. Der weitere Abstieg fällt mit der Anstiegslinie zusammen. Grödnerjoch nach einer längeren Rast an 7 Uhr, Wolkenstein 8 Uhr. Der Sas dal Léc ist eine Klettertour ersten Ranges.
Akad. S. Wien. Th. u. M. v. Smoluchowsk
Quelle: Mitteilungen des DÖAV 1893, Heft 03, 15. Februar, Seite 34-35
Bild:
Gebirgsgruppe:
Dolomiten - Sellagruppe
Erste(r) Besteiger(in):
Lorenz Hans
Merz Walther
Smoluchowski Tadeusz R. von
Smoluchowski von Smolan Marian v.
Wessely Viktor
Datum erste Besteigung:
08.08.1892
Routen:
Abstieg über den Normalweg
Südkamin zum Südgipfel - "Bindel"
Südwestgrat - "Lorenz"
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Route Neu)