Bardodej Rudolf

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Biografie:
Soldat im 2. Weltkrieg
Zählte zu den besten deutschsprachigen Bergsteigern zu seiner Zeit!
viele hervorragende Bergfahrten mit Helma Schimke.
Dramatische Rettungsaktion nach Sturz von Helma Schimke in der westlichen Zinne Nordwand;
1934 - Unterwegs im Montblanc-Gebiet mit Walter Frauenberger;
1949 - Fleischbank Ostwand - neuer Durchstieg mit Markus Schmuck

Quelle: Mitteilungen des DAV 1952, Seite 52
Quelle: Salzburger Alpenvereins Nachrichten 1997, Heft 166, Seite 32

Dipl.-Ing. Rudolf Bardodej
* 14. Februar 1913 ? (+) 22. Februar 1997
ÖAK-Mitglied seit 15. Juli 1937

August 1995.
Longyearbeen ? Spitzbergen.
Durch breitflächige Nebelschwaden steigen wir über gelbbraunes Blockgewirr hinauf zum Nördenskijöld-Fjellet.
Mehrere Tage schon sind wir hier, ihm Gebiet um den Adventfjorden, bergauf und bergab, kreuz und quer unterwegs: wir warten auf einen einzigen ?blauen" Tag, auf die Gelegenheit, auf die Chance, zum Hornsundtind fliegen zu können, den Rudolf Bardodej 1938 erstbegangen hat. Fast 50 Jahre später wurde nun in den Karten des norwegischen Polar-Instituts der steile Südwestgletscher nach dem Erstbegeher benannt. ?Bardodej-Breen".
Beinahe exakt zum 83. Geburtstag hat Rudl diese Nachricht erhalten und mit jungenhafter Um-bekümmertheit einen Fixtermin in den Raum gestellt: ?Da fahren wir hin, ? das schauen wir uns an ?"
Wenige Monate danach, beim Anflug auf die Svalbard-Küste, prahlten Berge, Meer und Gletscher im Sonnenlicht, die arktische Welt lag in sinnverwirrender Schönheit unter uns.
Doch nun, da wir an Ort und Stelle sind, neugierig und unternehmungshungrig, verfolgt uns der sommerliche Spitzbergen-Nebel hartnäckig: an einen Anflug zum Hornsundtind ist nicht zu denken.
Zu fünft lassen wir ein bißchen unsere Nasen hängen, konzentrieren uns auf Ausweichtouren, auf mitternächtliche Plateau-Überschreitungen, ungebremst und ungehemmt, weil es ohnehin nicht Nacht wird.
Rudl setzt sich als erster über das wetterbedingte Mißgeschick hinweg, greift fest um seine Pickel-haue und meint halb lachend, halb drohend, aber wie selbstverständlich: ?Dann kommen wir nächstes Jahr halt noch einmal ...
Das war Rudi Bardodej, ? auch noch mit 84, ? nie pessimistisch, nie zögernd, nie resignierend, immer voll Auftrieb, immer der tatendurstige Alpinist, für den ein ?Aufgeben" nicht existierte. ?Verzicht" war ihm ein fremdes Vokabel, ein Ziel, einmal ins Auge gefaßt, wurde grundsätzlich nicht mehr aus der Blickrichtung verdrängt.
So wie diesmal in Spitzbergen, so war es auch damals, während eines 56 Stunden dauernden Wettersturzes am Aig. Noire-Südgrat undenkbar, auch nur ein einziges Mal zu zweifeln, auch nur ein einziges Mal zu murren, weder über das starrkalte Schneebiwak noch über natürlichen Gegebenheiten wie Hunger und Durst.
Auch am Einstieg zur Major-Route, der steilen Diretissima durch die Brenvaflanke des Mont Blanc, wischte er alle Bedenken, die seinen im Zelt vergessenen Eishaken galten, ganz einfach von der Bildfläche und meinte nur:
?Die Major geht auch so ..."
Sie ?ging" auch, ? wie fast alles im Leben des Rudolf Bardodej. Unangefochten von Krankheit, ungeschwächt durch Alltagskümmernisse, schien er eine Kraft in sich zu tragen, die etwas wie Zweifel, Verzweiflung, Zagen oder Ver-zagen, ganz einfach nicht zuließ.
Seine Eis-und Felstouren in den Ost-und Westalpen, im Himalaya, in Afrika oder in Saudi Ara-bien aufzuzählen, ist wahrlich nur blitzlichtartig möglich:
Predigtstuhl Westwand und Zwölfer Nordwand, Civetta Nordwestwand und Schleierkante, Große Zinne Nordwand, Ödsteinkante und Totenkirchl Westwand, Pelmo Nordwand, Fleischbank Südostwand, Leuchsturm Südwand und Mauckspitze Westwand, ... Grepon Überschreitung, Peutereygrat, Aig. Noire Westwand, Piz Badile Nordostwand und Fuorikante, im Himalaya Diran, bis 200 m unter dem Gipfel, in Afrika Dschebel Toubkal, eine Solobegehung des Mt. Camerun und eine Erstbesteigung des Jebal La'Ar in Saudi Arabien.
Endlos die Tourenreihe in den heimischen Bergen, Göll Westwand, Dachstein Südwand, Hoch-tor Nordwand, Dachl Nordwand, Watzmann Ostwand und fast ein dutzendmal die Fleischbank Ostwand im Wilden Kaiser.
Am beruflichen Sektor erwies sich für Rudl Bardodej Europa als zu eng. Von den Silvretta-Kraftwerken und dem Staudamm Kaprun übersiedelte er auf die arabische Halbinsel, arbeitete an der Südumfahrung von Mekka, baute Urwaldstraßen in Camerun und Mali, und fuhr mit einem alten Jeep durch die Sahara zurück nach Mitteleuropa, begleitet von seiner ersten Frau Maria, die ? dem musischen Bereich entsprungen ? in großartiger Weise übergewechselt war in das rauhe, alpine Metier des Rudolf Bardodej. Ihr allzufrüher Tod, der in einem weit gespannten Freundeskreis eine große, schmerzhafte Lücke hinterließ, führte Rudi schließlich zur mütterlich warmherzigen Hilde Hirschbichler, der Witwe des 1962 im Himalaya verschollenen Berchtesgadeners Albert Hirschbichler. Sie hat Rudl das Älterwerden leicht gemacht, weil sie ihn als resche, fröhliche, kumpelhafte Ehefrau auf allen jenen Wegen begleitete, die noch in seinem alpinen Wunschbereich lagen. Hildes Kinder aus erster Ehe, Bärbel und Albert, beide hochrangige Alpinisten aus dem süddeutschen Raum, führten ihren ?Ziehvater" Rudl, als er schon über siebzig war, noch durch die ?Micheluzzi" an der Ciavazzes Südwand und über den ?Schimkepfeiler" am Berchtesgadener Hochthron. Um vieles jünger als Rudl, starb Hilde zwei Jahre vor ihm durch eine aggressive Gehirnhaut-entzündung einen plötzlichen Tod.
Wenn man auf vielen steilen Wegen am Seil mit Rudolf Bardodej verbunden war, steht man kopf-schüttelnd und ein wenig hilflos vor seinem Porträt, vor seiner freien, scheinbar schwerelosen, von vielen Problemen unberührten oder losgelösten Lebensart, die kaum nachvollziehbar ist.
Er hat sein Bergsteigerleben genossen und genützt. Doch alle Ziele, die er erreicht hat, scheinen für ihn etwas wie Momentaufnahmen gewesen zu sein, die ihn ohne Bedenken, ohne Aufenthalt, ohne innere Rastpause wie selbstverständlich weitereilen ließen, nächsten, lockenden, großen oder kleinen Unbekannten entgegen ... Wenn man etwas atemlos in seinem Tourenbuch blättert, ? immer auf's Neue überwältigt von der unglaublichen Fülle, wird es zur blanken Ge-wißheit:
SEIN Leben war für EIN Leben zu viel.
Zu viel jedenfalls, um in einem Nachruf auch nur annähernd der atemberaubenen Vielfalt dieser Erdenwanderung gerecht werden zu können.
Helma Schimke

Rudolf Bardodejs gedenkend
Es wird etwa sechzehn Jahre zurückliegen, daß ich Rudolf Bardodej, dessen Name als erstklassi-ger Bergsteiger mir durch den ÖAK schon be-kannt war, zufällig kennen lernte. Sepp Walcher und ich saßen in Wien im Esterhazy-Keller, bei einem Glas gutem Roten, als Rudolf Bardodej ganz unvorhergesehen dort auftauchte, zu unserem Tisch trat und Eswe begrüßte. Daran schloß sich dann eine längere alpine Fachsimpelei an, der ich interessiert zuhörte.
Die nicht große, eher hagere Gestalt Rudis hin-terließ bei mir den Eindruck, daß es sich bei ihm sicher um einen sehr zähen, ausdauernden Bergsteiger und Kletterer handele.
Bei Klubveranstaltungen sahen wir uns gelegentlich weder. In Meran besuchten mich er und seine liebe Gattin Hilde einmal kurz. ? Als ich ab 1989/90 öfters in Salzburg bei meiner Freundin Helma Schimke ? die ja mit Rudl großartige, schwierigste Besteigungen gemacht hatte weilte, kam es zu etlichen gemeinsamen Touren, die wir miteinander fröhlich genossen. Trotz seiner schon fast 80 Jahre war Rudl ein unentwegter und unerschrockener Geher, so daß ich mir gut vorstellen konnte, daß ihm als junger Bergsteiger kein Berg zu schwierig erschien.
In seinem gemütlichen Heim führte er uns an manchem Abend Bilder seiner vielfältigen Reisen vor. Sogar mit Filmen hatte er sich in den letzten Jahren noch beschäftigt und uns dadurch manch Erlebnis lebhaft dargestellt. Bis kurz vor seinem Tode hatte er noch andere Kontinente besucht. Immer hatte ich von Rudl den Eindruck, daß er in seinem ganzen Leben in jeder Hinsicht großes Glück hatte, vielleicht auch, weil ihm manche Ereignisse, oder sogar Schicksalsschläge nicht so nahe oder tief gingen, wie vielen anderen Menschen. Es mag auch sein, daß er es verstand, Unangenehmes von sich fern zu halten. So war das Ende seines 85-jährigen Lebens ? nach nur kurzer Krankheit ? durch einen raschen, sanften Tod bestimmt.
Giovanna Koch, Meran
Quelle: Österreichische Alpenzeitung 1997, Folge 1536, Seite 108-110



Geboren am:
14.02.1913
Gestorben am:
22.02.1997

Erste Route-Begehung