Reisch Otto

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Biografie:
Otto Reisch
• 1. Februar 1904 — (+) 1. Juni 1978
Am 1. Juni 1978 ist unser Klubkamerad Dr. Otto Reisch einem Herzschlag erlegen. Er entstammte der weit über die Landesgrenzen hinaus bekannten Tiroler Familie Reisch und wurde am 1. Februar 1904 in St. Pölten als Sohn des Rechtsanwaltes Dr. Otto Reisch geboren. Schon im Jahre 1915 verlor er seinen Vater, der eine Frau mit fünf unversorgten Kindern hinterließ. Im Jahre 1917 übersiedelte die Familie nach Graz, in die Heimatstadt seiner Mutter. Nach der Matura im Jahre 1922 wählte er wie sein Vater das Jusstudium und inskribierte an der Universität Graz, doch war es ihm nicht vergönnt, ein freies und unbeschwertes Studentenleben zu führen, weil er vom Beginn seiner Hochschulzeit an sich als Werkstudent selbst erhalten mußte, teils als Bauhilfsarbeiter, teils als Bäckerlehrling im Betrieb seiner mütterlichen Verwandten. Seine Ausbildung als Bäckerlehrling beendete er mit der Gesellenprüfung und war dann noch während seines Hochschulstudiums als Kanzleileiter in einer Grazer Anwaltskanzlei tätig und konnte dort seine ersten Erfahrungen für seinen späteren Beruf sammeln. Im Jahre 1927 promovierte er, nachdem er neben seiner beruflichen Tätigkeit alle seine Prüfungen mit Auszeichnung abgelegt hatte. Im Dezember 1933 wurde er als Anwalt in die Liste der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer eingetragen und gehörte seinem Berufsstand bis zum Jahre 1972 an. Dr. Reisch war vielseitig interessiert und universell gebildet, ausgestattet mit einem scharfen und klaren Verstand und deshalb auch ein hervorragender Jurist und ein erfolgreicher Anwalt, beliebt und geachtet im Kollegenkreis. Durch viele Jahre gehörte er dem Disziplinarrat der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer an, zuletzt als Vizepräsident. Von 1959 bis 1970 führte er den Steirischen Advokatenverein als Obmann.
Schon seit seiner Gymnasialzeit war Dr. Reisch ein begeisterter Schiläufer und Bergsteiger. Als Hochschüler trat er dem Akademischen Turnverein und dem Verein „Turnerbergsteiger" bei, fand dort Gefährten, die ihn auf seinen zahlreichen Berg- und Schifahrten in den Ost- und Westalpen begleiteten, darunter Männer wie unsere leider schon verstorbenen Klubkameraden Dr. Ludwig Obersteiner, Dipl.-Ing. Karl Schreiner und Dr. Karl August Zahlbruckner. Sein Tourenbuch, das er seit dem Jahre 1922 führte, gibt Aufschluß nicht nur über die große Zahl seiner Berg- und Schifahrten, die ihn in nahezu alle Gruppen der Ostalpen und auch in die Bernina, ins Wallis und in das Montblancgebiet führten, sondern auch über seine Bergbegeisterung, nicht zuletzt aber auch über sein hartes Werkstudentenleben während seiner Hochschulzeit. Bezeichnend für diese Zeit und seine Bergbegeisterung ist die Eintragung in seinem Tourenbuch aus dem Sommer 1922: „Endlich am Morgen des 2. August brauchte ich nicht mehr in meinem schmutzigen Barabergewand zur Arbeit zu gehen, sondern griff freudig zum Pickel, schulterte den schweren Rucksack und nahm Abschied." Damals ging es in den Kaunergrat, wo er fast alle Gipfel im Umkreis der Kaunergrathütte besteigen konnte. Die folgenden Jahre führten ihn vor allem in die heimatlichen Berge des Hochschwab und des Gesäuses. Er begnügte sich nicht damit, begangene Wege zu wiederholen, es gelangen ihm auch Neutouren. Am 25. April 1929 wurde Dr. Reisch in unseren Klub aufgenommen. Von seinen Bergfahrten besonders hervorzuheben sind im Hochschwab die Erstbegehungen der Griesstein-Westwand, der Stangenwand-Westwand und des Peilstein-Ostwandkamins mit Karl Schreiner, im Gesäuse der Pfannlweg durch die Hochtor-Nordwand im Alleingang, die dritte Begehung des Reichenstein-Nordpfeilers mit Hans Feiertag und Karl Schreiner und die siebente Begehung der Peternschartenkopf-Nordwand mit Karl Schreiner im Jahre 1930. Dr. Reisch war nicht nur ein ausgezeichneter und erfahrener Felsgeher, sondern auch im kombinierten Gelände und im Eis der Ost- und Westalpen zu Hause. Im Eis bevorzugte er klassische Fahrten, wie den Biancograt auf den Piz Bernina und die Brenva-Flanke auf den Montblanc. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg gelangen ihm noch zahlreiche Berg- und Schifahrten in den Ost- und Westalpen. Erst in den letzten Jahren mußte er das Bergsteigen und Schilaufen wegen eines Herzleidens einschränken und schließlich aufgeben.
Seit den frühen dreißiger Jahren verband mich mit Dr. Reisch und seiner Familie eine herzliche Freundschaft. Wir waren Bundesbrüder und Klubkameraden und hatten den gleichen Beruf gewählt. Vor allem aber verband uns die Liebe zu den Bergen. Gemeinsame Urlaubsfahrten mit Zelt und Wagen ins Wallis und in die Dolomiten gehören zu meinen schönsten Bergerlebnissen. Am 12. Juli 1951 standen wir auf dem Gipfel des Matterhorns. Das Schicksal wollte es, daß wir auch im Krieg der gleichen Kampfeinheit im Osten angehörten und daß wir beide erst im Sommer 1947 aus der Gefangenschaft zu unseren Familien heimkehren konnten. So verbinden mich mit ihm Erinnerungen an gemeinsame Bergfahrten und glückliche Gipfelstunden, aber auch Erinnerungen an die
schweren Zeiten des Krieges und dessen bittere Folgen. Durch seinen Tod habe ich einen Freund verloren, den ich nie vergessen werde. Als Dank für alles, was ich mit ihm erleben
durfte, rufe ich ihm ein letztes „Berg Heil!" zu.
Dr. Helmuth Schmid
Quelle: Österreichische Alpenzeitung 1979, Nr. 1427 September/Oktober, Seite 309-311

Geboren am:
01.02.1904
Gestorben am:
01.06.1978

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