Künzle Konrad
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Biografie:
Bergführer Konrad Künzle (+)
Am Frühlingsanfangstag des Jahres 1949 hat der Lawinentod einen Mann aus unserer Mitte gerissen, der mit Leib und Seele Bergführer und Hüttenwirt war und dazu ein treuer Kamerad aller Bergsteiger, wie es wenige gibt Hinter Kränzen aus Tannengrün und Zirmenzweigen mit ersten Frühlingsblumen, ehrend geschmückt mit Bergseil und Eispickel, verließ der Sarg des Toten bei der Landbrugg im Montafon das Haus des Vaters, Orbas Peter genannt, der ein geachteter Jäger und Bauer war und sich auf das Hutmachen, auf Einlegearbeit und auf manche andere treffliche Handwerkerkunst verstand. Aus diesem Haus war 1937 der Bruder nach Deutschland, wenig später der zweite Bruder in den Krieg gezogen und keiner war wiedergekommen.
Diesen Sommer wären es fünfundzwanzig Jahre gewesen, daß Konrad Künzle Wirt auf der Wormserhütte auf dem Kapelljoch über Schruns war, als solcher vielen tausend Bergfreunden wohlbekannt in den österreichischen und deutschen Landen und darüber hinaus. Neun Jahre auch, neun harte Winter, hat er die Hütte versorgt auf dem Kaltenberg, der sein Leben gefordert hat. Und auch hier kam mancher Gast, wurde Gastfreund und schied als Kamerad. Wer auf Konrads Hütte kam, war willkommen zu jeder Stunde in guten und bösen Tagen. Dieser Wirt hatte keine Hamsterecken und keine Wucherpreise. Als der Zimbapfarrer Gunz aus Tisis am Grabe Abschied nahm, rief er den Lebenden zu: Seid allezeit bereit! Die Berge sind Freund und Feind. Selbst den Vorsichtigen, wie dieser Mann einer war, vermag der weiße Tod zu fällen. Als sie die Lawine, ein Schneebrett, unter den Maroiköpfen nahe der Hütte überraschte, rief der Führer den Gefährten zu: „Fest schwimmen, fest schwimmen!“ Ihn selber aber hinderte wohl die Verletzung durch einen unverschuldeten Autounfall wenige Wochen vorher, jene rettende Bewegung der Arme kräftig genug auszuführen. Schon mancher Lawine war dieser kundige Skilehrer durch Vorsicht, Mut und Geschick und durch seine Bärenkraft entronnen, aber nie
auf Kosten von Kameraden.
Als der Senior der Montafoner Alpinisten, Hofrat Prof. A. Durig von Latschau, dem toten Bergsteiger sein Valet am Grabe nachrief, erhob sich auf einmal ein dichter Schwarm von schwarzen Vögeln über dem Dach der Friedhofskapelle. Aber es waren keine krächzenden Raben. Bergdohlen waren es, die nur selten der strenge Winter ins Tal treibt. Mit traurigen Pfiffen zogen sie über den Friedhof und westwärts davon. Wer dächte bei diesem seltsamen Begebnis nicht daran, wie innig und fast kindlich Konrad Künzle in der Natur Gottes Schöpfung verehrte, wie er das scheue Schneehuhn ganz nahe zu locken verstand, wie er eine Blume
hegen konnte als sei sie ein Lebendiges. Als der letzte der Geleitgeber die Gabe des Weihwassers dem Toten gespendet hatte, stand die Sonne schon siegreich über den Graten, und der Himmel war wie warme
blaue Seide. Von Strahlen umglänzt, umglitzert vom Geschmeide des späten Bergwinters, grüßte die Wormserhütte herab zu ihrem toten Wirt, der so viele Menschen gelehrt hat, was alte Montafoner Geselligkeit,
was treue Kameradschaft und was dankbare Freude an Gottes schöner Bergwelt sei.
Dr. Richard Beitl, Schruns
Quelle: Berge und Heimat 1950, Heft 3 März 1950, Seite 99
Gestorben am:
1949