Löwl Ferdinand Dr.
(
Bearbeiten)
Biografie:
geboren in Proßnitz (Tschechien)
gestorben in Gaisberg (Österreich)
Quelle: Mitteilungen des DÖAV 1887, Seite 158
Quelle: Mitteilungen des DÖAV 1908, Seite 124 f
Quelle: Petermanns Geographische Mitteilungen 1908, Seite 146
Zur Erinnerung an Ferdinand Löwl
Von Professor J. K. Mayr - Wien
Vor fünfundzwanzig Jahren, am 1. Mai 1908, hat der Czernowitzer Universitätsprofessor für Geographie Ferdinand Löwl Edler von Lenkenthal auf dem Gaisberge bei Salzburg im 52. Lebensjahre den Tod gefunden; ein Steinschlag, vielleicht ein Fehltritt in den „Wandln" des Südäbhanges, die er so oft durchforscht hatte, war dem erfahrenen Bergsteiger zum Verhängnis geworden. Sein Vater stammte aus Königsberg im Egerland und war Major eines Kürassierregiments. Auch der Sohn hat sich der Armee verbunden gefühlt. Denn mehr als dem üblichen Studiengang eines Lehramtskandidaten hatte er der Terrainlehre zu verdanken, die ihm während des Freiwilligenjahres von einem ausgezeichneten Instruktionsoffizier nahegebracht worden war. Das lebhafte Interesse für Geographie, das sich daraus entwickelte, hat den zwanzigjährigen Studenten nach umfassenden Vorstudien im Sommer 1876 zum erstenmal ins Zillertal geführt, das damals noch selten besucht wurde. Zwar hatten sich schon seit den vierziger Jahren Thurwieser, Ruthner, Grohmann und andere im Zillertal alpinistisch und wissenschaftlich betätigt, seit der Mitte der sechziger Jahre aber war es dort wieder still geworden. Erst Löwl hat es dauernd erschlossen.
Drei Sommer lang — von 1876 bis 1878 — hat er es voll Begeisterung für die Schönheit der noch fast unberührten Alpenwelt und voll Interesse für Form und Bau des Gebirges, für Ortsnamen und Landessitten kreuz und quer durchwandert. Jäger und Steinklauber waren seine Begleiter, Sennen seine Quartiergeber. Sie fanden Gefallen an dem fröhlichen Naturkinde, das sich, blondhaarig und blauäugig, eine mächtige Adlerfeder auf grauem Turnerhute, hochgewachsen und sehnig, zu ihnen gesellte. Da nächtigte man zähneklappernd in Heustadeln, nährte sich von Melkermus, durchstreifte in treuer Kameradschaft die unwegsamsten Gründe und stürmte mit leichtem Gepäck die Flanken der Dreitausender hinan. Olperer, Greiner, Riffler, Schrammacher und andere sind damals zum zweitenmal bezwungen worden. An Ihnen hat sich Löwl zu jenem ausgezeichneten Bergsteiger entwickelt, als der er sich später bei seinen geologischen Forschungen bewähren sollte. 1877 hat er in Eduard Amthors „Alpenfreund" kurze Skizzen dieses ungebundenen Bergsteigerlebens veröffentlicht, die solchen Anklang fanden, daß ihn Amthor mit einer größeren Arbeit dieser Art betraute.
So ist 1878 unter Miteinbeziehung jener ersten Skizzen das Buch „Aus dem Zillertaler Hochgebirge entstanden, „ein wahres Kleinod der alpinen Literatur", in dem Berge und Täler, Land und Leute einen sachkundigen Beobachter und einen wortgewandten Verkünder ihrer noch kaum entdeckten Schönheiten gefunden haben. Bald wandten die Alpenvereinssektionen Berlin und Prag dem Zillertal ihre Aufmerksamkeit zu, Schutzhütten entstanden und Bergsteiger vom Rang eines. Ludwig Purtscheller, eines Emil Zsigmondy und andere priesen die Schönheit der neu erschlossenen Alpenwelt. Dankbar haben die Zillertaler das Andenken an den jungen Prager Studenten, der sie so gut verstanden hatte und so warm für sie eingetreten war, bewahrt. Noch 1906, als Löwl sein dreißigjähriges Zillertaler Jubiläum feierte und es aus diesem Anlasse nach so langer Zeit zum erstenmal wieder besuchte, eilten sie ihrem alten Freunde von Almen und Jagdhütten voll Freude entgegen, um ihn zu begrüßen und ihm die Hand zu schütteln.
Sie bestätigten damit Löwls Verdienste um das Zillertal, wie sie inzwischen Carl Diener in Eduard Richters großem Sammelwerk über die Erschließung der Ostalpen für alle Zukunft festgehalten hatte.
Auch für Löwl selbst sind diese drei Zillertaler Sommer bestimmend geworden. Sie verstärkten sein geographisches Interesse, und was das Freiwilligenjahr wachgerufen und die Zillertaler Wanderungen gefördert hatten, das vollendete der bosnische Feldzug des Jahres 1878, der den jungen Reserveoffizier im Zillertal überrascht und in zwei Kriegsmonaten dauernd für die Geographie gewonnen hat.
So hängte Löwl nach acht frisch-fröhlichen Feldzugswochen die es mit den Strapazen des Jägerlebens im Zillertale nicht hatten aufnehmen können, im Herbst 1878 mit dem Waffenrock auch das Mittelschullehrfach an den Nagel, begann nach dem Doktorat aufs neue zu studieren, vollendete bei Hochstetter, Sueß und Richthofen in Wien und Bonn seine Ausbildung und habilitierte sich schon 1882 an der Prager Universität. Fünf Jahre später — erst 31 Jahre alt — wurde er Professor der Geographie an der Czernowitzer Universität. Damit verschoben sich auch Art und Gegenstand seines alpinen Arbeitsfeldes. Als touristischer Schriftsteller ist Löwl nun nicht mehr hervorgetreten. Um so eifriger widmete er sich — zum Teil im Verein mit Friedrich Becke — seit den achtziger Jahren petrographischen und geologischen Untersuchungen der Adamello- und Rieserfernergruppe, des Großvenedigers, der Granatspitze und des Großglockners, deren Ergebnisse in Petermanns „Mitteilungen", den Jahrbüchern der Geologischen Reichsanstalt und in der „Zeitschrift" des Alpenvereins niedergelegt sind. Andere Arbeiten behandelten den Kaiserwald bei Marienbad, den Lünersee, die Verschiebungen der Strandlinie, Talbildung, Siedlungsarten, Durchbruchstäler, Erdspalten und Vulkane und anderes. Löwls Hauptarbeiten waren eins Gesteinskunde für Geographen über die gebirgsbildenden Felsarten (1893), ein „ausgezeichnetes petrographisches Vademekum", und seine Geologie, ein Handbuch für Geographen (1906), das Carl Diener damals „das im besten Sinne modernste" Handbuch genannt hat, das die deutsche geographische Literatur besitzt.
Den Verdiensten, die sich Löwl um die Erforschung der Alpen erworben hat, seiner hervorragenden Beobachtungs- und Darstellungsgabe, seinen pädagogischen Talenten und seinen alpinistischen Qualitäten hat sein Wirkungsfeld an der Czernowitzer Universität keineswegs entsprochen. Und doch war er schon 1886 als einziger zum Ordinarius für Prag in Aussicht genommen, hat 1903 die große Tauernexkursion des Wiener internationalen Geologenkongresses geführt, und noch 1905 und 1906 hat Friedrich Becke „keinen besseren Mann" als ihn für Graz und Wien zu nennen gewußt. Es war Löwls wissenschaftliche Gesinnung, sein unbeirrbares, allen persönlichen Konzessionen abholdes Festhalten an der eigenen, als richtig erkannten Überzeugung, die ihm diese Wege versperrt haben. Wie viel mehr doch hätte er an einer alpenländischen Universität als Forscher und Lehrer leisten können! Seine Czernowitzer Kollegen, der Germanist Oswald Zingerle, der Staatsrechtler Franz Hauke und viele andere haben ihn gleich seinen Czernowitzer Studenten richtiger einzuschätzen verstanden. Die haben es an sich selbst erfahren, „welcher Reichtum an Wissen, welche Fülle von Begabung, welcher Schatz von edlen Charaktereigenschaften" diesem seltenen Manne zu eigen gewesen sind Mit einer Gedenktafel in Erz und Marmor haben die Czernowitzer Studenten ihren toten Lehrer geehrt. Dauernder noch als mit dieser Hochschule aber wird sein Name mit den Zillertaler Bergen verbunden bleiben.
Quelle: Mitteilungen des DÖAV 1933, Seite 100
Gestorben am:
01.05.1908