Tschippan Julius
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Biografie:
Julius Tschippan
*6. Februar 1903 — (+) 8. Februar 1974
Es mag im Sommer 1921 gewesen sein, als wir im Fahrtenbuch der Hofpürglhütte die in Dr. Prusiks typischer, raumsparender Schrift verfaßten Ersteigungsberichte über Nordostkante und Nordwand der Großen Bischofsmütze lasen und vor allem über die für die damalige Zeit außerordentlich bedeutende, einsame Ersteigung der Nordseite staunten. Bei beiden Fahrten war ein in weiten Kreisen noch Unbekannter — Julius Tschippan — Gefährte des in den wenigen Jahren nach dem Ersten Weltkrieg bereits viel beachteten Wiener Kletterers Prusik. Wer war dieser junge Mann, der Jahre hindurch dem Philosophiestudenten Prusik Kletterkamerad war?
Tschippan, seit Jänner 1924 Klubmitglied, auf dem Boden der Tatsachen stehend, sachlich, Geschäftsmann und an der Hochschule für Welthandel berufliches Rüstzeug suchend, bärenstark, war in seinem Wesen das gerade Gegenteil von Prusik, bei dem stets jede Tat aus einem verklärenden Hintergrund heraus geschah. Kein Wunder daher, daß der Tatsachenmensch Tschippan stets im Schatten der wegweisenden Persönlichkeit Dr. Prusiks stand und seine bergsteigerischen Sternjahre auch in der Rückschau an ihn gebunden erscheinen.
Etliche Jahre hindurch bestimmten die Namen des Bergsteigerpaares Prusik-Tschippan weitgehend das Geschehen am steilen Fels im Gosaukamm und im Gesäuse; so gingen in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg — 1920 bis 1924 — folgende Erstersteigungen in die alpinen Annalen ein:
Schwingerzipf (Nordwestgrat-Westflanke), Zahringkogel (Nordwestgrat), Wiener Turm, Mandlkogel (Südwestkante), Große Bischofsmütze (Nordostkante), Planspitze (Nordwestgrat), Große Bischofsmütze (damals „Nordwand"), Zahringkogel aus dem Armkar, Planspitze („Alpenklubweg") - Hochtor (Nordseite, Abstieg im Ostteil), Übergang Angerstein - Gamsfeldkogel, Geisterkogel (vom Westen), Übergang Großwand—Niederes Großwandeck u. v. a.
Von vielen anderen Fahrten, die Tschippan allein oder mit anderen Begleitern ausführte, wurde kaum etwas bekannt. Ich selbst konnte einmal mit ihm bei einem gelegentlichen Treffen zwischen und während mehreren Regengüssen die Planspitze über die Nordostkante ersteigen. Trotzdem er kein Freund intensiven Vereinslebens war, hat er dennoch unserem Alpenklub und seinem Ausschuß viel Zeit gewidmet.
Die Zeit ging dahin — sein gutgehendes Geschäft weitete sich aus und seine organisatorischen Fähigkeiten wurden erkannt und in geschäftlichen Verbänden zum Einsatz gebracht.
Fortschreitendes Alter brachte schließlich ein für einen Bergsteiger dieses Formats wohl eigenartiges Ergebnis: eine wohl bis dahin verdrängte Sehnsucht nach einem eigenen Reich ließ ihn im Weidlingtal bei Wien ein großes Weingut aufbauen und seine große Freude war es, „auszustecken" und unermüdlich und emsig für seine vielen, vielen Gäste zu sorgen. Und dort, im großen Garten des von ihm geliebten und sorgsam betreuten Alterssitzes traf ich ihn — und ab und zu auch noch andere Mitglieder und Freunde des Alpenklubs: der früh verschiedene Egon Benisch, Karl Kadlec, die Hofers, Alfred Horeschowsky, Walcher - zum letztenmal.
Der Kreis der Generation aus der Jahrhundertwende wird immer kleiner, und so wird es den wenigen, die noch leben, zur Verpflichtung, derer zu gedenken, die vor ihnen die Bergwelt verlassen, in der wir uns gefunden haben, auch wenn die persönliche Bindung nur lose war. Gleiches Zeiterlebnis, verbindende Weltgeschichte, für Nach¬kommende meist nicht mehr erfaßbare persönliche Erlebnisgrundlagen, Ansichten und Handlungen schmieden eine Zeitgemeinschaft, die erst im späteren Alter erkannt wird.
Aus diesem, unseren Kreis fehlt nun auch Julius Tschippan.
Rolf Werner
Quelle: Österreichische Alpenzeitung 1974, November/Dezember, Folge 1398, Seite 179-180
Geboren am:
06.02.1903
Gestorben am:
08.02.1974
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