Böttcher Ludwig

(Bearbeiten)
Foto gesucht!
Biografie:
geboren in Simbach (Deutschland)
gestorben in Heidelberg (Deutschland)

Erstbegehungen im Gosaukamm am 4. August 1922.
Erste Begehung der SO-Kamine am Däumling am 9. September 1923.
18. Begehung der Nordwestkante am Großen Ödstein mit Karl Hermüller am 25. Mai 1924;
Seilgefährte zumeist Karl Hermüller, aber auch Bechtold und Merkl.
Quelle: Archiv Proksch (Österr. Alpenklub)


LUDWIG BÖTTCHER
DIPLOMINGENIEUR
Im August 1925 traf sich eine Anzahl junger Bergsteiger auf der Coldaihütte. Ihr Wunschtraum war die Bezwingung der damals noch jungfräulichen NW-Wand der Civetta. Unter diesen Civetta-Kandidaten befand sich auch unser Freund Ludwig Böttcher. Damals entstand sein Bergsteigerlied „Frisch auf, Berggefährte ...", das seine ganze Liebe und Begeisterung zu den Bergen widerspiegelt. Er widmete es dem Akademischen Alpenverein München, der ihn zum Bergsteiger erst geformt hatte.
Nun hat Böttcher „seine letzte Bergfahrt angetreten" und wir, seine Freunde, wünschen ihm von Herzen, daß es ihm „auch oben wohl gefallen möge". Er ist am 4. August dieses Jahres in Heidelberg einer tückischen Krankheit erlegen.
Unser gemeinsamer Freund Bechtold schreibt zu seinem Tode:
„Mich hat die Nachricht schwerst getroffen, Ludwig war ein Mensch, den man sein Leben lang nicht vergißt, wenn auch der gemeinsame Weg schon längst auseinandergegangen ist. In unserer Generation war er in der Flucht der Erscheinungen eine Lichtgestalt, wundervoll ausgeglichen und doch voll innerer Begierde nach Vollendung." Als Jugendfreund und langjähriger Berggefährte Böttchers könnte ich ihn nicht besser charakterisieren.
Böttcher war ein Sonntagskind, am 1. Januar 1900 in Simbach geboren. Von seinem Vater, der aus Hannover stammte, erbte er Tatendrang und Pflichtbewußtsein, von seiner bayerischen Mutter Humor und Frohsinn. Sein Vater übersiedelte aus beruflichen Gründen bald darauf nach Linz. Hier verbrachte Wigg — so wurde er immer gerufen — seine Jugend und besuchte die Realschule. Im Herbst 1914 meldete er sich zu den Oberösterreichischen Jungschützen, einer Freiwilligen-Organisation ähnlich den Tiroler Standschützen. Bei Kriegsausbruch gegen Italien im Mai 1915 stand der nun 15 1/2jährige Wigg mit vielen Altersgenossen an der Front am Lavarone-Plateau. Hier kam er zum erstenmal mit den Bergen in Berührung. Im Herbst 1917 wurde er, nunmehr wehrpflichtig, als deutscher Staatsbürger zur deutschen Armee eingezogen und erlebte im Passauer-Hausregiment noch die Schrecken der Westfront. In die Heimat nach Kriegsende zurückgekehrt, legte er die Reifeprüfung ab und übersiedelte an die Technische Hochschule in München. Beruflich war er dann in St. Pölten, Baden bei Zürich und Mannheim tätig. Als anerkannter Turbinenfachmann wurde er im zweiten Krieg bei der Marine dienstverpflichtet.
So ernst Böttcher seinen Beruf und sein Familienleben nahm, seine besondere Liebe galt den Bergen. Als blutjunger Soldat erblickte er aus den Schützengräben der Tiroler Vorberge über das Suganatal hinweg die Dolo-miten. Damals erwachte in ihm die Sehnsucht nach den Bergen. Kaum heimgekehrt, erstieg er mit einem väterlichen Freund Warscheneck, Priel und Flohen Dachstein. Als er dann sein Studium in München begann, trat er dem A. A.V. M. bei. Da fand er gleichgesinnte, bergbegeisterte Freunde, treue Kameraden. Nun begann seine hohe Zeit. Die besten Bergsteiger der damaligen Zeit — ich nenne nur Welzenbach, Allwein, Bauer. Merkl, Bechtold — sahen ihn gerne als Begleiter. Eine große Zahl der damals klassischen Felsfahrten lernte er kennen, es gab kaum eine Berggruppe zwischen Gesäuse und Mt. Blaue, die er nicht besucht hätte. Nach seinen Aufzeichnungen führte er fast 1500 Bergfahrten durch und erstieg dabei mehr als 800 verschiedene Berggipfel zum Teil auf schwersten Wegen, davon 17 verschiedene Viertausender und über 200 Dreitausender. Totenkirchl-W-Wand, Fleischbank-O-Wand, Bischofmütze-S-Wand, Dachstein-S-Wand, Guglia di Brenta-S-Wand, Crozzon-N-Kante, C. d. Madonna-Schleierkante, Val di Rodakamm, Pordoispitze-W-Wand, Badile-N-Kante, Überschreitung des gesamten Sciora-Kammes, Punta Rasica-Überschreitung, Biancograt auf die Bernina, Scerscen-Eisnase, Matterhorn- und Weißhorn-Überschreitung, Überschreitung der Jorasses von West nach Ost finden wir unter vielen anderen Fahrten in seinem Buch. Besonders ist zu erwähnen die 5. Ersteigung und 2. Überschreitung des Gosauer Däumling mit Merkl und Bechtold, die 1. Begehung der Südostwandkamine dieses Berges, 1. Begehung der Nordwand des Wasserkarturmes, 2. Begehung der Bischofmütze-N-Wand und der Mandlkogel-N-Kante, sowie die 1. Begehung der direkten Westwand der Cima del Mulaz mit Eugen Röckl.
Besonders liebte aber Böttcher Winter- und Skibergfahrten. Im ersten Winter nach dem Weltkrieg plagte er sich noch mit Schneereifen auf den Großen Priel, auf Warscheneck und sogar auf den Großvenediger. Die spöttischen Blicke der Skifahrer aber erweckten seinen Ehrgeiz und in kurzer Zeit wurde er unter Anleitung seiner Münchner Freunde ein so guter Skiläufer, daß ihn Welzenbach und Siemens zu einer Überquerung des Berner Oberlandes mitnahmen; alle bedeutenden Gipfel wurden dort erstiegen. Anschließend gings ins Wallis auf das Rimpfischhorn und die Monte Rosagipfel. Bei einer winterlichen Durchquerung der Zillertaler wurde ihm durch einen Schmuggler sein auf der Dominikushütte verwahrter Proviant gestohlen. In einem beachtlichen Langlauf holte er den zähen Einheimischen ein, stellte ihn, bewaffnet mit einem langen Küchenmesser, und nahm ihm das Diebesgut ab. Jahr für Jahr finden wir ihn auf großen Winterfahrten. Glockner- und Venedigergruppe, die Zillertaler, Ötztaler und Stubaier Berge, Ortlergruppe, Silvretta und Bernina durchquerte er mehrmals und erstieg die meisten bedeutenden Gipfel dort. Während seines beruflichen Aufenthaltes in der Schweiz sind im Winter die Dreitausender des Gotthardgebietes und der Graubündner Alpen sein Ziel.
Das große Verständnis seiner Frau für seine alpine Leidenschaft ermöglichte ihm jederzeit die Erfüllung seiner Bergsteigerpläne. Selbst einer großen beruflichen Karriere entsagte er, nur um seine Bergsteigerei nicht einschränken zu müssen. So zog er jedes Jahr Sommer und Winter hinaus, in der letzten Zeit immer einsamer, denn die meisten seiner Kameraden hatten die Berge oder der Krieg verbraucht, sie waren tot oder zu Krüppeln geworden. Nur Wigg war nicht unterzukriegen. Anfangs Februar dieses Jahres war er zu einem Abfahrtslauf nach Engelberg in die Schweiz geladen. Dabei erstieg er seinen letzten Berg, den 2500 m hohen Jochstock, allein, nahm am nächsten Tag trotz schlechtester Schneeverhältnisse am Abfahrtslauf teil und erzielte dabei eine beachtliche Zeit. Alle weiteren Pläne, eine Compadellfahrt mit Hans Reimer und ein herbstlicher Dolomitenbesuch kamen nicht mehr zur Ausführung. Das Schicksal schlug zu, der Tod holte sich sein Opfer viel zu bald für seine Familie und seine Freunde.
Kar/ Hermüller
Quelle: Jahresbericht des Akademischen AV München Jahrgang 64/65, 1955-1958, Seite 4-6


Geboren am:
01.01.1900
Gestorben am:
04.08.1958

Erste Route-Begehung