Groß Franz

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Biografie:
Ministerialrat i. R. Dr. Franz Groß 60 Jahre AV-Mitglied!
In der letzten Jahresversammlung der Sektion Bad Ischl wurde Dr. Franz Groß für 60jährige Zugehörigkeit zum Alpenverein ausgezeichnet. Dr. Groß wurde 1877 in Graz geboren, seine ersten Bergziele lagen im Grazer Bergland, im Hochschwabgebiet und Gesäuse, und seine Mitgliedschaft hatte bei der Akademischen Sektion Graz des damaligen DÖAV begonnen. Mit dem Wechsel seines Dienstortes bzw. Übertritts in den Ruhestand kam Dr. Groß zur Sektion „Wien", dann zur Sektion „Linz" und schließlich zur Sektion „Bad Ischl“. Seine
Bergwege von der Rax bis zum Order und vom Toten Gebirge bis zu den Julischen Alpen brachten ihn in 25 Ostalpengruppen, wo zahlreiche Gipfel auf oft schwierigen Routen erstiegen wurden. Er stand am Ätna, bestieg fünf namhafte Gipfel der Hohen Tatra und vier Westalpenberge. Bedeutende Alpinisten wie Karl Greenitz, Dr. Gün￾ther v. Saar, Dr. Wolf-Glanvell und der Kreis der „Turner-Bergsteiger Graz" waren seine Gefährten. Ganz besonders muß aber hervorgehoben werden, daß Dr. Groß auch an den Anfängen des Skilaufes in Österreich beteiligt war. Mit Ing. Franz Kleinhans und Max Kleinoschegg (Männer, die mit Toni Schruf die ersten Skiläufer Öster￾reichs waren!) vollführte Dr. Groß viele Gipfelfahrten in Steiermark und 1906 mit seinen Bundesbrüdern vom ATV Graz eine große Ski￾durchquerung der Dolomiten. Nach wie vor nimmt Dr. Groß regen Anteil am Geschehen in unserem Alpenverein und steigt eifrig auf die Berge um Bad Ischl. Dies wünschen wir ihm noch viele schöne und ruhige Jahre.
S. W.
Quelle: Der Bergsteiger 1955-56, Heft 08 Mai 1956, Seite A 111

Liselotte Buchenauer
Lebendige Vergangenheit
Ein schwüler Mittsommertag, 1969, am Leonsberg bei Bad Ischl. Begeistert, aber doch etwas müde und gedrückt steigen wir nach fast sechsstündiger „Schleichtour" von diesem herrlichen Blumenberg zu Tal. Da sind Gegensätze, die wir erst überwinden müssen: aus der Urtümlichkeit eines Berges hinabzukommen in den lebhaften Kurort an der eiligen Traun. Aus Wäldern, in denen Frauenschuh und Türkenbund blühen. Aus Krummholzwildnis, darin Akelei und riesenhafte Maiglöckchen noch auf fünfzehnhundert Metern Seehöhe zu finden sind. Mitten hinein in den Fremdenverkehr; Sprachen aus aller Welt; schnell ein Eis bei Zauner inmitten von Pfadfindern, Negerstudenten, englischen Misses, cheesecakelooking, Amerikanerinnen mit Flitterkleidern am hellen Nachmittag. Und dann, zum Ausklang, ein Besuch bei unserem verehrten väterlichen Bergfreund Ministerialrat i. R. Dr. Franz Groß in der Girardivilla. Kostbare alte Möbel, verblaßter Brokat, ein Duft nach Jahrhundertwende; eine verschnörkelte alte Uhr scheint die Zeit nur zögernd anzuzeigen. Wir tauchen unter in gleichsam gefilterter Stille. Was für ein neuerlicher Kontrast! Doch das Ehepaar Groß macht es uns leicht, ihn zu überbrücken. Dabei sind beide - auch die charmant lächelnde, immer noch schöne Frau Ida - über neunzig Jahre alt!
Im Nu ist die lebhafteste Unterhaltung im Gange. Natürlich über Berge - Berge - Berge! Dr. Groß ist einer der „großen, alten Herren" des Alpinismus und hat um die Jahrhundertwende auch schwierige Kletterführen seiner Zeit begangen. Als 76jähriger besuchte er noch mehrmals den Gosaukamm und bestieg dabei den Mittleren Mandlkogel, den Strichkogel und den Flachkogel. Er schreibt dazu, daß ihm sein turnerisch gewandter und gestählter Körper dabei die größte Hilfe war. Seine letzte Tour machte er als 86jähriger auf die Hohe Schrott bei Bad Ischl. Wer diesen alpinen Berg mit seinen großen Höhenunterschieden kennt, der weiß, welchen Wert eine solche Abschiedstour hat! Als wir Dr. Groß vom Leonsberg erzählen, und daß wir doch etwas müde seien, sagt er voll Freude: „Da bin ich mit 82 noch in der Früh mit dem Radl nach Pfandl gefahren, habe den Berg überschritten - und war zu Mittag wieder zu Hause". Bumm. Da haben wirs! Der Älteste aus unserer Partie ist nämlich nur etwa halb so alt wie Dr. Groß. Ja, das möchte man sich wünschen: ein so gesegnetes Bergsteigerleben durchleben zu können - und dann noch mit über neunzig Jahren so mitreden, so Anteil nehmen zu können !
Ein so interessantes, lebendig geschriebenes Manuskript über die Bergfahrten eines biblisch langen, begnadeten Lebens verfaßt zu haben! Dr. Groß hat uns liebenswürdigerweise in dieses Werk Einblick nehmen lassen. Diese seine „Streifzüge durch die Ostalpen" umfassen fast alle Gebiete der Ostalpen und noch manches Außeralpine. Unwahrscheinlich, unglaublich diese Fülle von Berg- und Kletterfahrten, von Gipfeln und Berggruppen auf über neunhundert Seiten! Rax und Schneeberg, Österreichische und Bayrische Voralpen, Wilder Kaiser und Silvretta, Rofan und Ferwall, Tauern und Julier, Karawanken und Brenta, Urner Alpen und Hohe Tatra, Hochschwab und Karwendel, Bernina und Hochkönig, Gesäuse und Wetterstein, Dachstein und Rieserferner, Dolomiten und Steiner Alpen, Zillertaler, Ötztaler, Stubaier - es drängt sich einem dabei das so oft mißbrauchte Wort „zahllose Gipfel" auf! Und - das ist eine Dokumentation über 70 Jahre Alpinismus!
Daß Dr. Groß die Gipfel mancher Berggruppen vollzählig kennt ist klar. Als schönste Tour nennt er eine Ersteigung der Grohmannspitze, damals ein erstklassiges Unternehmen. Und seine gefährlichste Bergfahrt machte er auf der Hochzeitsreise. Das mag scherzhaft klingen, war aber sehr ernst: auf der Schusterplatte geriet er unter einen abrutschenden Block und konnte sich nur durch größte Kaltblütigkeit retten. Dr. Groß, der auch mit bekannten Alpenerschließern der „goldenen Zeit" in die Berge gegangen ist, trat gleich nach der Matura im Jahre 1895 dem Alpenverein bei und hat ihm, je nach dienstlicher Laufbahn (zuletzt war er Oberfinanzpräsident in Linz) in verschiedenen Sektionen die Treue gehalten. Er war auch mit Stolz Mitglied der „Turnerbergsteiger Graz", einer alpinistischen Elitegruppe.
Rechnen wir nach: Dr. Groß ist Jahrgang 1877! Und heuer ist er gerade 75 Jahre lang Alpenvereinsmitglied. Nicht nur aus diesem so seltenen Anlaß berichten wir heute hier über Dr. Groß und seine Berge. Wir wollen mit ihm auch ein schönes Stück Alpinismus, einen Nestor der österreichischen Alpinisten ehren. Eine Vergangenheit, die noch so quicklebendig ist, daß sie hinüberreicht über die Gegenwart in die Zukunft der Bergsteigerei. Ad multos annos, lieber, verehrter Dr. Groß in der Girardivilla in Bad Ischl, und herzlichsten Bergsteigergruß Ihnen und Ihrer lieben Frau, die eine tapfere Gefährtin auf Ihrem langen, langen Weg durchs Leben und durch die Berge war!
Quelle: Mitteilungen des ÖAV 1970, Heft 3/4, Seite 81