Schneider Hannes

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Biografie:
geboren in Stuben (Österreich)
gestorben in North Conway (USA)

In memoriam Hannes Schneider
In meinen frühesten Schilauferinnerungen um die Jahrhundertwende am Arlberg steht das Bild von Hannes Schneider heute noch so unverrückbar nah vor dem geistigen Auge wie in den sonnigen Winter- und Frühlingstagen in St. Christoph, als ich etwa gleichzeitig mit ihm den Schilauf richtig erlernte. Frohe Einzelfahrten im Schwarzwald und in den bayrischen Bergen um Schliersee und Tegernsee waren vorangegangen, als ich von München aus kurz vor einem Weihnachtstag den Entschluß faßte, allein von Oberstdorf aus über Einödsbach, am Biberkopf vorbei, auf Brettern nach Lech und Warth zu pilgern und von da auf völlig verschneiten Straßen über Zürs (das noch gar nicht als Ort existierte) zur Flexenstraße und bei sinkender Nacht über den total verschneiten Arlbergpaß ins Hospiz St. Christoph, das noch kaum bewohnbar war.
Bald darauf tauchte auch Hannes, von Stuben kommend, auf, und es dauerte nicht lange, bis wir uns recht gut angefreundet hatten, um zusammen in flottem Tempo auf sämtliche erreichbaren Höhen zu steigen, um mit mehr oder weniger Geschick wieder talwärts zu brausen. Noch war Paulcke unser leuchtendes Vorbild, der kurz zuvor erstmals auf Schiern mit den einheimischen Bergführern die Valluga im Winter bestiegen hatte, zu der heute das Drahtseil jeden Schimpansen sanft hinaufgeleitet.
Hannes ist ein ganz großer Mann auf den Brettern geworden und leider vor kurzem fern der Heimat in Conway (USA) an Herzschlag verschieden. Die deutsche Fachpresse brachte Nachrufe, so der „Bergsteiger" vom Mai 1955, aus dem Einzelheiten über seinen Lebenslauf entnommen werden können, — Mir geht es hier nur um den Menschen Hannes Schneider, der ein ganzer Kerl und famoser, treuer und zuverlässiger Tourenkamerad immer gewesen ist.
Über die ersten Schijahre am Arlberg habe ich im „Winter" (R. Rother, München), Dezember 1953, ausführlich berichtet. In diesen spielte Hannes Schneider zunehmend mehr die führende Rolle, Auch Dr. Oechslin, „Die Alpen", Schweiz, brachte seinerzeit daraus einen Auszug. — Nach kurzer Pause traf ich Schneider wieder beim ersten Schi-kurs unserer Seniorkanone R. Rickmers in Kühtai, dessen Kursmotto lautete: „Es wird nicht gewartet!" — Hannes sah mich von weitem den letzten Hang hinaufsteigen und alarmierte die kleine Schigemeinde mit den Worten: „Dort kommt der Lange!"
Mit denselben Worten hat er mich sehr viele Jahre später in Berlin „hinter den Kulissen" begrüßt, als ich ihn zu seinem Erstlingsfilm mit Leni Riefenstahl beglück-wünschte und herzlich begrüßte.
Auf der Fahrt nach Kühtai hatte sich der damalige Oberleutnant der Kaiserjäger Bilgeri aus Bregenz hinzugesellt, mit dem Berninatouren verabredet wurden. — Später, im ersten Weltkrieg, war. er mein hoher „Chef" in Innsbruck und Brixen, als der Zufall es wollte, daß Toni Schneider, der Bruder von Hannes, mir im Bergführerkurs in Christina/Sellajoch mit vielen anderen zugeteilt wurde.
Das alles und noch viel mehr schrieb ich Hannes nach Amerika, als ich endlich seine Adresse durch gute Freunde erhalten hatte. Er antwortete mir mit folgendem Brief vom 16. September 1948, den ich statt vieler Worte hier im Auszug folgen lasse; „... ich habe noch immer das Bild, wo Sie auf dem Galzig stehen und im Hintergrund der Peichelkopf ist. Es sind nun weit über 40 Jahre vergangen, gute und schlechte Jahre. Bin seit dem. 12. März 1938 (am 12, März 1918 stand ich mit seinem Bruder Toni auf dem Gipfel der Boespitze!) aus St. Anton vertrieben und seit Februar 1939 hier in den Staaten. Habe damals noch meine Frau und die beiden Kinder mit herübergebracht. Meine Frau ist aber leider schon im August desselben Jahres hier gestorben. Ich bin vollkommen mittellos hier angekommen, hatte hier aber noch meinen Namen und daher sofort eine Anstellung als Leiter der Schischule in North Conway N. H., wo ich seither lebe, Es ist mir in Amerika unberufen gut gegangen und geht mir auch heute noch gut, hatte großes Glück im Unglück, Es ist mir gelungen, eine der größten Schischulen aufzubauen, und junge Burschen, die ich auch herüberbrachte, sind heute ebenfalls Leiter von Schischulen über ganz Amerika zerstreut, Letztes Jahr war ich im Sommer zu Besuch in St. Anton, wo ich noch mein Haus und Geschäft habe, aber alles verpachtet. Es hat sich dort aber so vieles geändert, nur die Berge und Bäche sind gleich geblieben, nicht die Menschen. Ich war nicht unglücklich, einen amerikanischen Paß in der Tasche zu haben und wieder hieher zurückkehren zu können, Die Berge und das Schifahren sind nicht zu vergleichen mit den Alpen. Für mich spielt es beruflich aber keine Rolle, ob ich auf den Schihängen hier oder am Arlberg Schiunterricht erteile. Dafür bin ich hier ein freier Mann und kann tun und machen, was ich will. Ich bin sehr viel herumgereist, und im Westen von Amerika gibt es schon auch genug Berge, die mit den Alpen verglichen werden können. Da ich im Nordosten von Amerika lebe, ist es für mich nicht weit nach Kanada, wo es im Frühjahr noch sehr gut zum Schilaufen ist, Bequem in einem Tag mit dem Auto. Die Amerikaner sind sehr gelehrige Schüler und ich komme ausgezeichnet mit ihnen aus, Während des ganzen Krieges, wo ich noch nicht Bürger war, hatte ich nicht die geringste Einschränkung und wurde behandelt wie jeder Amerikaner. Meine beiden Kinder, jetzt 28 und 27 Jahre alt, sind bei mir. Herbert ist mein Stellvertreter und die Tochter Herta führt uns den Haushalt. Im Sommer habe ich die Aufsicht an unserem Schiberg, wo ich ständig Arbeiter beschäftige zur Erstellung von neuen Schihängen und Schitrails. Hier ist alles bewaldet, man muß ausholzen lind ausebnen, bevor man schilaufen kann. Von unseren ganz Alten höre ich nur mehr ab und zu von Viktor Sohm, Mein Bruder Toni lebt in Bieberwier, Außerfern. Mein jüngster Bruder Friedrich hat wieder die Schischule in Zürs. ... Es hat mich wirklich sehr gefreut, wieder etwas von einem ganz Alten zu hören.., , Grüße ... auch ein alter Humpen Hannes Schneider.»
Louis Trenker schrieb mir März 1949, der Hannes sei am Arlberg und es gehe ihm gut. Er sah ihn, wie er mir kürzlich schrieb, vor einigen Jahren das letztemal in Innsbruck.
Ja, lieber alter Humpen Hannes, so ändern sich die Zeiten. Auch für mich hat sich am Arlberg „zu viel geändert" seit unseren Jugendtagen. Wenn ich alljährlich im Herbst auf der Fahrt zu den letzten Weggenossen vom ÖAK über den Arlberg fahre, schaue ich wehmütig hinaus in Stuben und St. Anton, aber aussteigen werde ich dort wohl nicht mehr. — Bereite mir dort den himmlischen Pulverschnee, wir werden dann in alter
Weise schwingen und springen!
Dr, Waldemar Beck
Quelle: Österreichische Alpenzeitung 1955, September/Oktober, Folge 1283, Seite 160-161

Quelle: Austria Ski 1975, Heft 3, Seite 8


Geboren am:
24.06.1890
Gestorben am:
24.04.1955

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