Ruthner Anton von
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Biografie:
geboren in Wien (Österreich)
gestorben in Salzburg (Österreich)
Anton v. Ruthner.
Von E. Richter in Graz.
Am 16. December starb zu Salzburg im hohen Alter von 80 Jahren Anton Edler v. Ruthner. Mit ihm ist der letzte aus der Schaar der alten Alpinisten der Vierziger- und Fünfziger]ahre geschieden. Die Generation der Pfadfinder und Entdecker ist nun gänzlich vom Schauplatze dieser Welt verschwunden; die Generation, die noch unbezweifelte Erstlingstouren auf Gipfel allerersten Eanges auszuführen in der Lage war. Zwei Alpinisten von ähnlicher Stellung, Specht und Weilenmann, sind ihm vor kurzer Zeit vorangegangen. Aber Ruthner war doch wesentlich älter; er reicht mit seinen Anfängen noch in die Periode des Erzherzogs Johann und P. Thurwieser's. Hat er doch an einem vom Erzherzoge zuerst versuchten Problem, der Ersteigung des Grossvenedigers, 1841 seine alpinen Sporen verdient und zum ersten Male sich als alpiner Schriftsteller versucht. Damals war Ruthner 24 Jahre alt; es dauerte aber noch fast ein Decennium, bis er bedeutender hervortrat. Von da an jedoch bis gegen die Mitte der Sechzigerjahre war Ruthner unbezweifelt der erste Bergsteiger; in den Ostalpen. Erst die Touren der Engländer, insbesondere Tuckett's, dann der Generation, die durch die Namen J. Payer, Grohmann, Stüdl und Hofmann gekennzeichnet wird, verdrängten ihn von der führenden Stellung.
Ruthner war unter seinen bergsteigenden Zeitgenossen auch dadurch der erste, dass er Bergsteiger mit Bewusstsein, man könnte sagen von Profession, nicht nur ein gelegentlich sich ergötzender Liebhaber war. Die Erforschung der Alpen — im Sinne der touristischen und bergsteigerischen Erschliessung — war ihm Lebenszweck. Ruthner war überhaupt zu systematischem Vorgehen in allen Dingen geneigt er hatte sich einen ausführlichen Plan für seine Reisen und Gipfelersteigungen auf Jahre hinaus festgelegt und hielt ihn mit Eifer ein. Er hatte es überall auf die dominierenden Gipfel abgesehen. Hochalmspitze, Wiesbachhorn, Ankogel und Grossglockner, Olperer, Wildspitze, Ortler u. dgl. — das waren die Ziele seines Ehrgeizes. Er hat nicht überall die Lösung seiner Probleme erzwungen. Man muss aber die Schwierigkeiten richtig würdigen. Abgesehen davon, dass Ruthner's Reisen noch in die Zeit fielen, wo man von Wien nach Salzburg drei Tage mit dem Wagen fuhr, gab es damals in den meisten Tiroler Hochgebirgsstationen nur Curatenunterkunft, keinen Führer, kein Unterstandshaus. Wer weiss, ob Jene, die heute die Umständlichkeit, ja Zaghaftigkeit mancher seiner Touren belächeln, jenen Enthusiasmus für die Schönheit der Alpen und die Lösung bergsteigerischer Aufgaben aufbrächten, der damals nothwendig war, um nur die Annäherungsschwierigkeiten zu überwinden. Und was thürmte sich erst dem Sonderling entgegen, der in das innerste Heiligthum eindringen wollte! Dafür betrat man dieses Heiligthum freilich auch mit einem frommen, seligen Schauder, der der heutigen Generation kaum mehr verständlich ist. Ruthner war auch nach heutigen Begriffen ein flinker und gewandter Bergsteiger. Sein kleiner und schmächtiger Körper entbehrte nicht der Kraft und Ausdauer. Wenn er öfters scheiterte, so war es meist die Schuld seiner schlechten Localführer. Hätte sich Ruthner einen Führer als dauernden Begleiter geschult — es hätten sich wohl schon damals geeignete Leute finden lassen — und sich dadurch von den Localführern freigemacht, so wären seine Erfolge vervielfacht worden. Doch gewisse Ideen reifen erst in bestimmten Momenten. Grösser als Ruthner's Bedeutung als thätiger Erschliesser war noch die als Schriftsteller. Sein 1864 erschienenes Buch „Aus den Tauern" wurde von dem damaligen alpinen Nachwuchs mit Begeisterung ergriffen; schon das zweite, wenige Jahre später erschienene „Aus Tirol" fiel nicht mehr auf denselben empfänglichen Boden Ruthner's Schreibweise war gewählt und geschmackvoll, etwas breit und docierend, aber den damaligen kartographischen Verhältnissen angemessen, wo eine eingehende Discussion über Kammverlauf und Nomenclatur unerlässlich war. Man wird seine zahlreichen Aufsätze in den Jahrbüchern des Oesterr. Alpenvereins und der Wiener Geographischen Gesellschaft nur mit Genuss und Achtung vor dem Autor lesen können.
Ruthner war der namhafteste unter den Gründern des Oesterr. Alpenvereins und in den ersten Jahren seines Bestehens dessen Seele und Stütze. Ueber die beantragte Aenderung der Verfassung dieses Vereins, Errichtung von Sectionen ausserhalb Wiens, kam es zu Conflicten. Ruthner hatte ein starkes Selbstbewusstsein und war nicht leicht dazu gestimmt, nachzugeben. Grollend zog er sich zurück und hat sich von da. ab nicht mehr an der alpinen Literatur thätig betheiligt. Er verliess in jenen Jahren auch seine Heimat Wien und übersiedelte zuerst nach Steyr, dann nach Salzburg. Hier hat er noch mehr als 20 Jahre ein ruhiges Alter genossen. Er machte auch gerne seinen Frieden mit dem Alpenvereine, als er sah, dass die jüngere Generation seinen Verdiensten die gebührende Anerkennung nicht versagte, und es war ein wahres Freudenfest, als er im Jahre 1891 im Kreise der S. Salzburg das 50 jährige Jubiläum der ersten Venedigerbesteigung feiern konnte. Damals war Ruthner noch so rüstig, dass er nur durch ein zufälliges Unwohlsein verhindert wurde, den Venediger abermals zu besteigen; er war schon auf der Kürsingerhütte. Auch an der Generalversammlung unseres Vereins im Jahre 1895 nahm er noch regen Antheil.
Durch seine führende Stellung in alpinen Kreisen kam Ruthner auch in Berührung mit den Bestrebungen der Wiener Geographischen Gesellschaft, in deren Leitung er längere Zeit wirkte, und die er bei dem 25 jährigen Stiftungsfeste der Berliner Gesellschaft für Erdkunde 1869 in einer damals Aufsehen erregenden Weise vertrat, indem er drei Jahre nach dem Kriege die Wiederherstellung der alten freundschaftlichen Beziehungen zwischen den norddeutschen und österreichischen Gelehrtenkreisen feststellte. Er hat dann in späteren Jahren auch ein topographisches Werk: „Das Kaiserthum Oesterreich", herausgegeben.
Ruthner war ein Mann von Geist und Kenntnissen, beredt, scharfen und sarkastischen Urtheilen nicht abgeneigt. Der Schreiber dieser Zeilen verehrte ihn als väterlichen Freund, zu dem er schon als Kind mit scheuer Bewunderung, als zu einem waghalsigen Bahnbrecher in das Reich der alpinen Seligkeit, aufgeschaut hat. Sein Name wird in der Geschichte der Erschliessung der Ostalpen unvergänglich fortleben. Dem Leichenbegängnisse v. Ruthner's, das am 19. December stattfand, wohnten seitens des Alpenvereins der ehemalige I. Vorstand der S. Austria, Herr Landesgerichts-Präsident K.Ritter v. Adamek, ferner der Ausschuss der S. Salzburg, Vertreter der Sectionen Hallein nnd Reichenhall, sowie eine Abordnung des Vereins der Salzburger Landeskunde bei. Der Central-Ausschuss des D. u. Oe. Alpenvereins, ferner die Sectionen Berchtesgaden, Linz und Salzburg legten prächtige Kränze auf den Sarg.
Quelle: Mitteilungen des DÖAV 1897, Seite 287-288
Quelle: Österreichische Alpenzeitung 1898, Seite 1 ff
Dr. Anton v. Ruthner, ebenfalls einer der Mitbegründer des Österreichischen Alpenvereins, war in den Jahren 1863, 1865 bis 1867 und 1869 bis 1870 Vorstand. Am 21. September 1917 in Wien geboren, gehörte er zu den wenigen aus sich selbst heraus gewachsenen Bergsteigern, die ihren Drang nach der Bergwelt schon verspürt haben und ihm gefolgt sind, ehe sie noch durch die entstandenen alpinen Vereine ans Seil genommen und auf die Berge geleitet worden waren.
Ruthner war in den Fünfziger- und Sechziger-Jahren jedenfalls der bedeutendste deutsche Bergsteiger und wirkte auch als Schriftsteller ungemein befruchtend. Er nahm an der ersten Besteigung des Großvenedigers im Jahre 1841 teil und besuchte hernach die Scesaplana, den Similaun und den Ankogel. 1857 führte er die erste Ersteigung des Ortlers über die Stickle Pleiß (bis wenige Meter unterhalb des Gipfels) aus. Von 1852 bis 1890 bestieg er etwa 330 Hochgipfel und Pässe, darunter Glockner, Venter Wildspitze, Zugspitze usw. und führte auch die erste Ersteigung der Ruderhofspitze aus. Im ÖAV berichtete er in den Versammlungen stets über seine vielseitigen Bergfahrten. Er zog dabei planmäßig und zielbewußt aus, um die Gebirge zu erforschen, und brachte eine für die Zukunft beispielgebende Ordnung in seine Fahrten. Ruthners Aufsätze erschienen in zwei Bänden „Aus den Tauern 1864“ und „Aus Tirol 1869“. Diesen Schriften entquoll eine Liebe zu den Alpen, wie sie vorher bloß Adolf Schaubach gepredigt hatte. Ruthner lebte zuerst als Hof- und Gerichtsadvokat in Wien, ging dann nach Steyr und ließ sich endlich als Notar in Salzburg nieder, wo er am 19. Dezember 1897 im 81. Lebensjahr starb.
Quelle: Festschrift zum 70-jähringen Bestand 1862-1932 der DÖAV Sektion Austria, Seite 251-252
Quelle: Der Bergsteiger 1985, Heft 5, Seite 45 f
Geboren am:
21.09.1817
Gestorben am:
18.12.1897
Ruthner Anton von - ÖAZ 1898-495, Seite 1.pdf
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