Hiebeler Toni

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Biografie:
Toni Hiebeler
Ein Bergsteiger aus Leidenschaft
* 5. März 1930 in Schwarzach bei Bregenz
+ 2. November 1984 zwischen Jesenice und Bled
Am 2. November 1984 ist Toni Hiebeler zusammen mit seiner Frau Traudl und zwei Jugoslawen, dem erfolgreichen Bergsteiger Aleš Kunaver sowie dem Piloten, bei ei¬nem Hubschrauberflug zwischen Jesenice und Bled in Slowenien tödlich abgestürzt. Nach mehreren west- und zentralalpinen Helikopterflügen hatte Toni nun auch die Julischen Alpen abfliegen wollen, um für ein alpines Luftbilderbuch zu fotografieren. Begeistert war uns von ihm wenige Tage zuvor von der Schönheit dieser Flüge be¬richtet worden. Auf dem Flug zum Triglav und seinen Trabanten hatte er seine Frau sowie Aleš Kunaver mitgenommen, um sie an dem Erlebnis teilhaben zu lassen. Noch vor Erreichen der schroffen Berge über der eher lieblichen Wald- und Feldland¬schaft im Osten davon sind sie aus bislang ungeklärten Gründen am Boden zer¬schellt. Trotz aller nur denkbaren medizinischen Bemühungen hat letztlich doch kei¬ner von ihnen überlebt.
Traudl Hiebeler (*13. April 1930 in Stuttgart) war für Toni über mehr als 30 Jahre hin die wichtigste Bezugsperson, und dies nicht nur als Mutter der gemeinsamen drei Kinder Mathias (31), Antoinette (25) sowie André (24). Stets, in guten wie in schlechten Tagen, hat sie zu ihm gehalten, dabei viel Verständnis aufgebracht für alle seine Spinnereien, wie er das einmal nannte, was ganz sicher nicht immer leicht war. Von ihr unterstützt, ist er zu der Persönlichkeit gewachsen, die als eine der aus¬strahlungskräftigsten und wirkungsvollsten in unsrer Zeit die Entwicklung des Berg¬steigens wesentlich mitgeprägt hat.
Toni Hiebeler unternahm bereits mit neun Jahren, im Jahr 1939, seine ersten Berg¬touren. In seinem Buch »Abenteuer Berg“ bezeichnet er sich im Halbwüchsigenalter als „Taugenichts“. Die Jahre des Krieges und danach waren für ihn tatsächlich nicht nur eine Zeitspanne äußerer, sondern auch innerer Wirren, Jahre der Ratlosigkeit, des Suchens, während derer er nicht recht wusste, was er aus seinem Leben Ver¬nünftiges machen sollte. Als er das endlich gefunden, als er den Beruf des Redak¬teurs und Bergschriftstellers ergriffen hatte, gewann er alsbald den Ruf eines Man¬nes, der umsichtig und diszipliniert zu arbeiten verstand und imponierenden Ideen¬reichtum besaß. Vor Händeln, wo sie ihm nötig schienen, scheute er nicht zurück. Das betraf damals zum Leidwesen des Verlegers in erster Linie sein Verhältnis zum Alpenverein, der ihm seinerzeit ein verstaubter Haufen von Philistern dünkte. Die Wogen jener am Ende meist konstruktiven Auseinandersetzungen sind längst ver¬ebbt. Tonis Tourenliste reichte von schwierigsten Routen im Rätikon, seiner Berg¬heimat, über die großen Laliderer-Anstiege, bedeutende Gesäuse- und Dolomiten¬wände bis in die Westalpen, zur Badile- Nordostwand, Grand Capucin oder zum Walker-Pfeiler. Damit galt er während der fünfziger Jahre als einer der herausragen¬den jungen Bergsteiger. Insgesamt hat er sich überdies mit gut 50 Erstbegehungen in die Annalen des Bergsteigens eingeschrieben. Internationale Aufmerksamkeit im Bergsteigen zog Toni durch die ersten Winterbegehungen der Eiger-Nordwand 1961 sowie der Civetta-Nordwestwand 1963 auf sich. Die winterliche Civettawand hat er den „Höhepunkt seines bergsteigerischen Lebens“ genannt. Natürlich ging er dabei nicht allein vor,
sondern mit tüchtigen, guten Kameraden. Aber er war die treibende Kraft, sein Ver¬dienst war die generalstabsartige Planung beider Unternehmen. Da Toni nichts dem Zufall überlassen wollte, gingen seine Überlegungen so weit, dass er zur Vermeidung von Fußerfrierungen den bewährten „Eiger-Triplex-Schuh“ bei einem der besten deutschen Bergschuhhersteller bauen ließ. Das Hiebeler-Tonnen-Biwakzeit ist ein weiteres Beispiel seiner Ausrüstungsideen und -erfindungen.
Als Schriftleiter mehrerer Bergsteiger-Zeitschriften setzte Toni Hiebeler Maßstäbe, die so schnell von niemand anderem erreicht werden. Am Anfang stand da der von Bergverlag Rother publizierte Bergkamerad, dann seine Neugründung der Zeitschrift Alpinismus - lange Zeit über den deutschen Sprachraum hinaus das vorbildhafte Alpinblatt -, schließlich der bei Bruckmann verlegte Bergsteiger und seit vorigem Jahr (1983) seine Tätigkeit bei dem schweizerischen Zweimonatsmagazin Berge.
Mit seinen Zeitschriften trug Toni zu jenem Sicherheitsbewußtsein bei, aus dem 1968 der Sicherheitskreis im Deutschen Alpenverein entstand, eine Einrichtung - vielleicht die wichtigste -, die längst in anderen Bergsteigerstaaten Nachahmung gefunden hat. Bei Diskussionen wies er mehrfach auf die Gefährdung anderer durch mancherlei Negativvorbilder hin, eine in unsrer Zeit liegende Fragwürdigkeit, über die man leider viel zu leichtfertig hinweggeht. Ich erinnere mich an zahlreiche Tagungen und Po¬diumsdiskussionen, die Toni mit vorbereitete, an denen er aktiv teilnahm oder die er mit Witz und Charme leitete. Die von ihm unter tatkräftiger Mithilfe durch den langjäh¬rigen Freund Fritz Maschke organisierten Alpinismusfeste, einmal in der Schwäbi¬schen Alb, dann in Berchtesgaden, in der Fränkischen Schweiz, an der Kampen¬wand und in der Pfalz, sie zählen zum Fidelsten, das wir erlebt haben. Überhaupt ist Toni nie ein Griesgram gewesen. Im Kreis seiner Freunde und darüber hinaus galt er als glänzender Erzähler und Unterhalter. So konnten gemeinsame Stunden und Tage oder auch einmal ein Biwak zur herzerfrischenden Episode werden. Viele wer¬den sich an seine lebenssprühenden Vorträge erinnern, auch an die Hiebelerschen Bergfilmabende in Münchens Kongresssaal.
Die Förderung der Verbundenheit unter den Bergsteigern aller Nationen galt für Toni Hiebeler stets als eines der wichtigsten Anliegen. In Wort und Schrift tat er Bedeut¬sames für das Kennen- und Verstehen lernen über Grenzen hinweg, legte eine Saat, die längst schönste Früchte trägt: Heute gelten uns zwischenstaatliche Bergfreund¬schaften geradezu als Selbstverständlichkeit. Übernationale Arbeit leistete Toni wie¬derholt als Jurymitglied bei den Festspielen für Berg- und Forschungsfilme in Trient sowie auf Vortragsreisen in die verschiedensten Staaten in West, aber auch in Ost. Als Höhepunkt jener Bemühungen sei an die Spendenaufrufe und seinen Hilfsgüter¬transport in das notleidende Polen (1981 und 1982) erinnert.
Bereits zu einer Zeit, als das noch nicht allgemein üblich war (1970), besuchte Toni auf Einladung Fritz Wiessners einige Klettergebiete der USA. Dort lernte er unter an¬derem den anspruchsvollen Ostpfeiler am EI Capitan kennen. Dann hieß es: kanadi¬sche Berge, Tatra, Kaukasus, Pamir, Himalaya, Karakorum, aber auch böhmischer Sandstein, Montserrat und viel anderes mehr. Ich selbst sehe mit ihm neben gemein¬samen alpinen Abenteuern vor allem auf eine mehrwöchige Skandinavien-Reise zu¬rück, auf Elbsandstein-Touren und auf zwei freundschaftlich verbundene Segelwo¬chen in der Ägäis. Immer bewunderte ich seine sportliche Vielseitigkeit: Hier Hoch¬seesegeln mit Fahrten übers Mittelmeer nach Alexandria und zurück, dann eine At¬lantik-Überquerung. Auf mehreren dieser Reisen war Traudl seine treue Begleiterin. Beim Kajak-Wildwasserfahren bestand Toni riskante Abenteuer. Als Drachenflieger glückten ihm zahllose Flüge. Ein andermal überflog er die Alpen mit einem Heißluft¬ballon. Doch alle Fährnisse hat er stets wohlbehalten überstanden. Jahrzehntelang faszinierte ihn der Skilauf in allen seinen Formen. Er machte sich als Erschließer neuer Ski-Hochrouten verdient: in den Dolomiten, im Engadin, in den Walliser Alpen. Kaum ein alpiner Langlaufmarathon, an dem er nicht teilgenommen hätte. Das führte ihn auch nach Schweden zur erfolgreichen Teilnahme am Wasa-Lauf. Schließlich Tonis und Traudls Liebe zum Bergwandern über ungezählte Kilometer. Voll erfüllt erzählten sie uns kürzlich von ihrer mehrtägigen Wanderung durch den Vintschgau.
All das bunte Erleben fand in reichlich 30 vielverkauften Hiebeler-Büchern seinen Niederschlag, wobei es zu Tonis fotografischem Wirken auch einiges zu sagen gäbe.
Die stets zusammenarbeitenden Hiebelers haben es dank ihrem Fleiß zu einem er¬freulichen Wohlstand gebracht. Zumal Traudl strahlte, als sie vor knapp einem Jahr in ihr gediegen eingerichtetes Haus in Münchens Brunhildenstraße ziehen konnten. Für sie, die Schwäbin, Erfüllung eines unabdingbaren Wunschtraumes.
In der Vielfalt sportlicher Betätigung und bei zahllosen seiner sportlichen Abenteuer der letzten Jahre stand Toni der Sachse Mac (Werner) Bittner am nächsten. Mit Elke, seiner Frau, zählte er zum engsten Hiebelerschen Freundeskreis. Eine Reihe ver¬trauter Gefährten und Tourenkameraden sind Toni während seines vieljährigen Bergsteigens in den Tod vorausgegangen: Uli Wyss, Roland Löbl, Toni Kinshofer, das sind nur einige davon. Nun lebt auch er nicht mehr.
Uns bleibt die Frage: Was erhoffen wir denn von unserm Leben? Ganz vorn gewiss Verbundenheit mit liebenswerten Freunden, Kameraden, Ehe, Familie. Nur wenige können in einer wesensgemäßen Tätigkeit, über sich hinausbauend, Werte schaffen, die sie selbst schließlich überleben. Und kein Zweifel: Es befriedigt, wenn man im Kreis Gleichgesinnter Anerkennung findet. Dies als zutiefst menschliches, legitimes Anliegen.
Toni Hiebeler gehörte zu jenen Begünstigten, die das alles in reichem Maß gefunden haben - durch ihn auch Traudl, seine Frau, und er durch sie. Dafür wollen wir, die wir mit ihnen verbunden waren, rückschauend dankbar sein.
Dietrich Hasse
Quelle: Der Bergsteiger 1985, 52. Jahrgang, Heft 1, Seite 64-65


Geboren am:
05.03.1930
Gestorben am:
02.11.1984

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