Streitmann Bruno Dr.
(
Bearbeiten)
Biografie:
Österreich
Prim. Dr. Bruno Streitmann
* 7. Dezember 1910 ? (+) 15. August 1994
Bruno Streitmann, der ?Primar" wie er im Klub respekt- und liebevoll genannt wurde, ist tot. Nach langem, schwerem Leiden ist er so still, wie er auch sonst stets im Leben auftrat, von uns gegangen. Wen können wir künftig fragen, wenn es um klubhistorische Belange oder überhaupt um Alpingeschichte aus dem Wiener Raum und weit darüber hinausgeht? Bei wem können wir künftig Rat einholen, wenn wir, die nächste Ausschußgeneration, auch noch einmal den Standpunkt der ?Alten" hören möchten? Ja, mit dem Primar verließ uns der Letzte einer großen Ära der alten Klubleitung.
Dr. Bruno Streitmann trat 1945 dem ÖAK bei und hatte zuletzt die Mitgliedsnummer 33. Von 1961 bis 1964 war er 2. Vizepräsident und dann von 1965 bis 1979 1. Vizepräsident. Nur widerwillig entließen wir ihn damals aus dem Ausschuß, nur ungern nahmen wir zur Kenntnis, daß er alle Ehrungen ablehnte. Er wollte einfach nur Jüngeren Platz machen. Ich empfand es als ganz besondere Ehre, jeweils seine Stelle in der Klubleitung einnehmen zu dürfen. Ebenso sah ich es als große Auszeichnung, als mir Bruno Streitmann das Du-Wort, mit dem er äußerst sparsam umging, erlaubte.
Der alpine Werdegang von Streitmann begann in den zwanziger Jahren in der Austria-Jungmannschaft unter Hofrat Pichl, den er zeitlebens hoch
verehrte. Aus dieser Jungmannschaft wurde später die Austria-Bergsteigerschaft, die ?AB". Nach dem Kriege, also zu jener Zeit, als Bruno Streitmann auch unserem Klub beitrat, wurde er der Neugründer, über lange Zeit auch Leiter und später Ehrenvorstand dieser ?AB". 1993 wurde ihm auch die Ehrenmitgliedschaft der großen ÖAV Sektion Austria verliehen.
Die große Liebe von Bruno Streitmann, was Berg-gebiete betrifft, war das Gesäuse. Von diesem Gebiet führte er auch die grundlegende Neubearbeitung der 10. Auflage des ?Heß-Pichl-Führers" durch. Auch hier ist die Bescheidenheit wieder ein Beweis für den edlen Charakter des Verstorbenen: sein Name scheint nur kurz im Vorwort auf; der Name der Pioniere bleibt am Umschlag und Innentitel erhalten. Von Bruno Streitmanns Gesäusetouren seien hier angeführt: Hochtor Nordwand-Pfannlweg, Sparafeld-Nordpfeiler, Planspitze-Deyepfeiler, Peternschartenkopf-Nordwand, usw. An der Roßkuppenkante, bereits nach Überwindung der Schlüsselstellen, brach er sich 1931 ein Bein. Den Bericht aus den ?Austria-Nachrichten" über die komplizierte Bergung, die mehrere Tage gedauert hat, bringen wir nachfolgend. Zusätzlich sei noch vermerkt, daß auch ?Der Bergsteiger" in 1. (IX.) Jg., 2. Hbd. (IV/31 - IX/31), 674f einen entsprechend ausführlichen Bericht zu diesem Unfall brachte, fast wortident bis auf einige unterschiedlich geschriebene Namen (Anmerkung der Redaktion). Dieser Bericht zeigt auf, welchen Einsatz und welche Leistung solch eine Kameradenrettung vor Einführung von Stahlseilgerät, Mariner-Trage und Hubschrauber gefordert hat. Den Männern der Rettungsmannschaft, darunter viele ÖAK-Leute wie z.B. Toni Ecker, R. Hamburger, Hans Slezak, Norbert Stärker und Toni Weigend, blieb Bruno Streitmann sein Leben lang in Dankbarkeit verbunden.
Ein weiteres Lieblingsgebiet Bruno Streitmanns muß die Glocknergruppe gewesen sein. In seinem Aufnahmeansuchen finden wir eine ganze Reihe großer Gratrouten und Eiswände bis hin zur damals noch ganz neuen Wiesbachhorn Nordwest-wand.
Auch eine ganze Reihe von Neutouren konnte unser verstorbener Freund durchführen, u.a. schon 1929 die Westwand der Richterspitze oder 1934 eine dreihundert Meter-Wegänderung am Patteriol am NW-Pfeiler mit der Schwierigkeit V. Ein eigenes Kapitel sind seine ?Karnischen Erstbegehungen": Creta dei Cacciatori Westgrat, Hochweißstein Nordwand, ein Anstieg, der heute noch mit V+ bewertet wird, und die großartige und doch verblüffend leichte Monte Chiadenis Nordwand, eine naturgegebene Linie. Als wir, eine größere Klubrunde, 1992 diese Route begingen, sandten wir ihm spontan ein Dank- und Glückwunschschreiben. Alleine mit diesem Anstieg hat sich Bruno Streitmann ein Denkmal gesetzt. Seilpartner bei den meisten dieser Fahrten waren Dr. Kurt Noe oder/und Dr. Raimund Skuhravy.
Aber auch weit im Westen, damals 1934/35, in Anbetracht der Weltwirtschaftslage weit schwieriger erreichbar als heute, gelangen diesem Trio bemerkenswerte Touren. Hier seien nur drei erwähnt: Drusenfluh Südwand, Piz Badile Nordkante und Monte Rosa Ostwand.
In die gleiche Zeit seiner großen Bergfahrten fiel das Medizinstudium. 1934 Promotion. 1936 wurde er Assistenzarzt an der Universitätsklinik für Dermatologie und verfaßte viele wissenschaftliche Arbeiten. Nach seiner Zeit als Militärarzt wurde Dr. Bruno Streitmann 1945 Leiter der Wiener Städtischen Heilanstalt Klosterneuburg und in der Folge diverser großer dermatologischer Abteilungen, zuletzt der Rudolfstiftung.
Das Leben von Primarius Streitmann war dreigeteilt: die Berge, sein Beruf als Arzt, den er mit großer Liebe und Gewissenhaftigkeit ausgeübt hat, und seine Familie. Mit seiner Familie trauern auch wir, seine Freunde, die dankbar sind, diesem großartigen Menschen begegnet zu sein.
Erich Vanis
Quelle: Österr. Alpenzeitung 1995, Folge 1520, Seite 36-37
Geboren am:
07.12.1910
Gestorben am:
15.08.1994
Erste Route-Begehung