Darmstädter Ludwig Dr.
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Biografie:
geboren in Mannheim (Deutschland)
gestorben in Berlin (Deutschland)
Zählte zu den größten klassischen Dolomiten-Erschließer (Sextener, Marmarole, Palagruppe). Auch in Graubünden erschließerisch tätig. Hat insgesamt 66 Erstbegehungen durchgeführt.
Besteigung des Antelao, der Civetta und der Cima di Vezzana im Jahre 1987
Erste touristische Ersteigung des Innerkoflerturms mit H. Stabeler und L. Bernard im Jahre 1888.
3. Ersteigung des Fermedaturms im Jahre 1888.
10. Ersteigung der Grohmannspitze im Jahre 1888.
Erste Ersteigung des Zahnkofels mit Stabeler und Bernard am 28. Juli 1889.
Schöpfer der Darmstädterischen Dokumentensammlung (auch alpine Briefe).
Quelle: Archiv Proksch (Österr. Alpenklub)
Quelle: Adolfo Hess, Saggi sulla psicologia dell'alpinista, 1914, Seite 200 ff (siehe Anhang)
Dr. Ludwig Darmstädter feierte am 9. August in Berlin seinen achtzigsten Geburtstag.
Prof. Darmstädter gehört als Bergsteiger noch der klassischen Erschließerzeit an. Sein Name ist der heutigen Generation kaum noch bekannt, wenn ihn nicht der „Darmstädterweg" auf den Cimone della Pala, der heute gebräuchliche, steinfallsichere und eisfreie Weg, den Darmstädter 1889 fand, bewahren würde. Ludwig Darmstädters alpine Tätigkeit fällt in die Jahre 1866 bis 1900. Die große Zahl von 66 Erstersteigungen beweist seinen Bergeifer Seine erste Neutour führte er zusammen mit dem Kuraten Franz Senn, dem Alpenvereinsbegründer, 1869 auf die Firmisanschneide in den Ötztaler Bergen aus. Die Dolomiten, die Berge der Marmarolegruppe etc. waren die bevorzugten Schauplätze seiner Pioniertätigkeit, die ihn auch in andere Alpen-Gebiete, in die Ostschweiz und die Westalpen führte, sowie in die Tatra, wo der Darmstädter-Weg auf die Gerlsdorferspitze (1900 begangen) den Schlußpunkt zur Reihe seiner alpinen Erfolge bildete. In der „Zeitschrift" und den „Mitteilungen" des Alpenvereins finden sich zahlreiche, sehr reizvoll geschriebene Beiträge seiner Feder, die auch der Österr. Alpenzeitung und dem Jahrbuch des SAC. manches wertvolle beisteuerte Prof. Darmstädter, eigentlich Chemiker, Dr. phil. und Ehrendoktor, gilt als einer der erfahrensten und eifrigsten Sammler, dessen köstliche Porzellansammlung insbesondere Weltruf hatte. Noch bedeutender aber ist seine Autographensammlung. eigentlich eine Sammlung handschriftlicher Dokumente der Kunst und Wissenschaft die er vor Jahren der preußischen Staatsbibliothek zum Geschenk gemacht hat und die, von ihm seither weiter gepflegt, ausgebaut und vermaltet, heute eine ganz einzigartige Sammlung, die als Archiv der Geschichte der Wissenschaften kein Gegenstück hat, darstellt. Der öffentlich zugänglichen Dokumentensammlung Darmstädters ist auch eine sehr reichhaltige Sammlung von Briefen etc. der Alpenpioniere und Bergsteiger (von Saussure und seinen Vorläufern angefangen bis zu Paul Preuß und den „Modernsten") angegliedert, die unter diesen sachverständigen Händen der Beweis ist, wie ernst Prof. Darmstädter den Alpinismus auffaßt und wie er ihn als große Kulturbewegung in das Weltbild einordnet — und die auch verrät, wie Prof. Darmstädter noch heute wenigstens auf diesem papierenen Wege seine Fühlung mit der Bergwelt sich zu erhalten sucht.
Ekz.
Quelle: Mitteilungen des DÖAV 1926, Seite 171
Am 18. Oktober ist wieder einer von der alten Erschließergarde von uns geschieden, der 82jährige in Berlin ansässig gewordene Prof. Dr. Ludwig Darmstädter, dessen Name unter uns Jüngeren vielleicht längst vergessen wäre, wenn ihn nicht der „Darmftädter-Weg" auf den Cimone della Pala lebendig erhalten hätte. Der großen Öffentlichkeit aber ist Darmstädters Name weit geläufiger geworden, denn der verdiente, gelehrte und viel geehrte Mann erfreute sich, was besonders anläßlich seines 80. Geburtstages in Erscheinung trat, großer Bekanntheit und Anerkennung.
Ludwig Darmstädter, einer vielgenannten Chemikerfamilie entstammend/ist am 9. August 1846 in Mannheim geboren. Die Anfänge seiner alpinen Laufbahn fallen in das Jahr 1866. Bis zur Jahrhundertwende ist er seinen geliebten Bergen treu geblieben, obwohl er, als er 50 Lebens- und 30 Bergsteigerjahre hinter sich hatte, auf den Wunsch seiner Frau den schwereren Türen entsagt hatte. In der Geschichte der Erschließung der Ostalpen begegnet uns Darmstädters Name zum erstenmal im Jahre 1869 im Gebiet der Oetztaler, wo er unter der Führung Alois Ennemosers bei einem Versuch auf den Fluchtkogel als Erster das Kesselwandjoch und das Guslarjoch überschritt und gemeinsam mit dem Kuraten Franz Senn (und dem Führer Al. Klotz) die erste Ersteigung der Firmisanschneide durchführte. Seine alpine Haupttätigkeit, die vor allem den Dolomiten galt, setzte aber erst gegen Ende der achtziger Jahre ein. Insbesondere waren die Jahre 1888—91 reich an neuer Gipfelbeute. Auf allen seinen Fahrten begleiteten ihn seine beiden treuen Führer: Stabeler (Johann Niederwieser) und Luigi Vernard, der tüchtige Dolomitenmann. In der Geislergruppe begannen sie 1888 mit der 3. Ersteigung des Fermedaturms und den Eroberungen des Villnöserturms und der beiden Nadeln von Tschisles und Villnöß; in der Langkofelgruppe galt es vor allem der viel umworbenen, als unersteiglich geltenden Fünffingerspitze— deren Name übrigens von Darmstädter stammt —, an der er mit seinen beiden Führern sich bis in die Daumenscharte hinaufarbeitete. Aber auch nach drei weiteren, im nächsten Jahr angesetzten Versuchen (auch an der Nordwand und SO.-Wand) wollte sich die Spitze, an der man am Zeigefingergrat noch weitere 60 m über die Daumenscharte hinausgekommen war, noch nicht ergeben. Neben einer Besteigung der Grohmannspitze und der ersten (turistischen) Ersteigung des Inner-
koflerturms, auf dessen Gipfel vorher nur Michel Innerlofler gestanden war, sind es in jenem Jahr noch einige zweite Ersteigungen in der Rosengarten- und der Marmolatagruppe (Faltwand, Sasso Vernale, Punta Tasca, Cima Cadina etc), die Darmstädter für sich buchen kann. Bedeutender sind die Erfolge des nächsten Jahres 1889), wo auf die erwähnte Belagerung der Fünffingerspitze der schöne Sieg über den Zahnkofel folgte, dem sich die erste Ersteigung der Westlichen Grasleitenspitze und die zweiten Besteigungen des Pisciadu und anderer Erhebungen des Mesulestammes in der Sella, des Kleinen Valbonkogels und die Auffindung eines neuen Weges ouf die Tfcheinerspitze anreihten. In der Palagruvve glückt ihm (stets mit Stabeler und Bernard) vor allem die Auffindung eines steinfallsicheren (später mit Wegversicherungen versehenen) Anstieges auf den Cimone della Pala, der diesem viel beachteten Berg zu gewisser Popularität verhalf und als „Darmstädter-Wcg" noch heute der übliche Zugang ist. Die Erstersteigungen der Cima di Bureloni, der Punta di Mezzodi etc. gaben Darmstädter, der seine Erschließertätigkeit stets sehr gründlich nahm, fie auch durch Messungen ergänzte, vielfach Anlaß, die unklare Nomenklatur dieser Gruppen richtigzustellen und zu bereichern. Die Jahre 1890 und 31 waren vor allem der systematischen Durchforschung der Marmarolegruppe gewidmet, die wieder mit den alten Führern von Zeltlagern aus und zum Teil in Verbindung mit Dr. Helversen und dessen Frau durchgeführt wurden: 1890 wurden dorten zum ersten Mal erstiegen: Croda Bianca, Monte Castellin und die schwierige Cima Bestioni, der man nur mit Seilmanüvern beikommen konnte. Und 1891 fallen: Croda San Lorenzo, Groda del Arbell, Cima Valtama, Cima Val Longa, Pala di Meduce, Cima Schiavina, Cima Valedel etc. (mit Stabeler und Orsolina). Das vorhergegangene Jahr beschlossen noch einige Unternehmungen in den südlichen Sextener Bergen (Auronzo-Gruppe), wo Monte Giralba (mit Helversen), Cima di Padola, Cima di Ligonto, Croda di Campo und Cima d'Ambatg ihre Jungfräulichkeit verloren.
Die Freizeit der späteren Jahre widmete Darmstädter mit Vorzug den Westalpen, wohin ihn ebenfalls mehrmals Stabeler begleitete. Im Montblancgebiet und in der Paradisogruppe (1891, z. T. gemeinsam mit Helversen oder M. v. Kuffner) waren es meist die bekannten großen Hauptturen, da und dort mit neuen Wegvarianten (Dent du Geant, Charmoz, Jorasses, Paradiso, Ciarforon etc.), die er sich zum Ziele wählte. 1892 begleiteten ihn die beiden Stabeler in die Ostschweiz, wo er insbesondere in der Piz Terigruppe, den Medelserbergen etc. meist vom Zeltbiwak aus eine große Zahl neuer Touren und Erstbesteigungen, so einen neuen Anstieg auf das Rheinwaldhorn, ausführte, oft dabei mit Dr. Offermann, dem deutschen Schipionier, und mit Dr. Helversen zu gemeinsamer Unternehmung verbunden. In der Bernina (Dosdögruppe) waren es 1893 der Pizzo Ricolda, Pizzo Matto, Corno di Doede und Passo di Corno, die Darmstädter seiner Liste der Erstersteigungen (die er mir gelegentlich mit 66 Gipfeln angab) anfügen konnte. Ueber eine weitere schöne Turenausbeute, wieder in treuer Verbundenheit mit Johann und Georg Stabeler, berichtete Darmstädter 1894 aus der Adulagruppe, womit er im Wesentlichen, fast 50 Jahre alt, seine schärfere Bergsteigertätigkeit einstellte Die letzten Neuturen sind: Tscheich- und Kleinhorn, Piz Piott, Juferhorn, Piz Grisch (2. Besteigung), Piz Mutalla, Piz Ferrera, Splügenhorn und einige neue Gipfel in den Medelserbergen. Nur noch einmal begegnet uns Darmstädters Name in der alpinen Literatur: Anläßlich seiner Anwesenheit in der Hohen Tatra (wieder mit Stabeler) glückte es ihm 1899, einen neuen (und sehr schönen) Weg auf einen der Hauptgipfel der Tatra, die Gerlsdorferspitze, aufzufinden und als Erster zu begehen, der auch dort als „Darmstädter Weg" seinen Namen den Heutigen und den Späteren überliefert.
In der Zeitschrift des A.V. (1889: „Wanderungen in den westlichen Dolomiten" und 1893: „Aus einem vergessenen Excursionsgebiet des S.A.C.") und im Jahrbuch des Schweizer A. C. (1887: Streifzüge in den Dolomiten") und auch häufig in den „Mitteilungen" hat Darmstädter von seinen Fahrten berichtet und auch für die „Erschließung der Ostalpen" die Monographie der Rosengartenund der Marmolatagruppe beigesteuert. Darmstädter stand — ähnlich wie etwa Merzbacher, Euringer u. a., mit denen er auch die Vorliebe für die Dolomiten teilte — als ausschließlicher Führerturist mitten in jener Zeit, in der sich fast über Nacht die alpine Einstellung änderte, in der die Führung an die „Führerlosen" überging, und sich, da die leisten Gipfel ja erstiegen waren — gerade Darmstädter hat in diesem Sinn noch letzte Nachlese halten können — eine gänzlich neue Problemstellung (der „Weg" statt der Kulmination) ergab. Dies und die Zunahme der Lebensjahre hat Darmstädters alpine Tätigkeit stiller werden lassen — hauptsächlich aber lag die Ursache dafür in der Gebundenheit an andere Aufgaben und Ziele.
Darmstädter war von Haus aus Chemiker, der in Heidelberg studiert und das Glück gehabt hatte, als Assistent des berühmten Bunsen arbeiten zu können, war später in Spanien in der Industrie tätig gewesen, bis er in Berlin zusammen mit Jaffe eine eigene chemische Fabrik gründen konnte, in der Glycerin, Ammoniak etc. und auch das bekannte Lanolin („Pfeilring") erzeugt wurde. Darmstädter war ein vielseitiger Mann, der sich insbesondere gern mit der Geschichte der exakten Wissenschaften beschäftigte, wie seine zusammen mit Du Vois-Reymund herausgegebenen „Geschichtstabellen" bzw. sein „Handbuch der Geschichte der Naturwissenschaften und Technik" zeigen. Das führte ihn, der eine ausgesprochene Sammlernatur war, u. a. eine der berühmtesten Porzellansammlungen besaß und als einer der besten Porzellankenner galt, auf das Spezialgebiet,seiner späteren Lebensjahre: Aus seiner eigenen sehr wertvollen großen Autographensammlung, die er 1897 der preußischen Staatsbibliothek schenkte, entstand unter seiner weiteren Arbeit mit den Jahren ein Werk, das weit über die Bedeutung einer Handschriftensammlung hinausging und das für die Geschichte der exakten Wissenschaften von allergrößter Wichtigkeit ist. Die „Darmstädter'sche Dokumentensammlung zur Geschichte der Naturwissenschaften und der Technik" bildet heute unter eigenen Beamten eine der bedeutendsten und wertvollsten Abteilungen der preußischen Staatsbibliothek, die Tausende von einschlägigen Briefen, Handschriften und neuerdings auch von Autophonen (Sprechplatten) enthält, eine einzige Sammlung von bisher meist unbekanntem Quellenmaterial.
Darmstädter hat ihr auch eine alpine Handschriftensammlung angegliedert, in der von Saussure und Früheren bis zu Preuß und Dülfer fast alle Bergsteiger mit charakteristischen und oft sehr inhaltsreichen Niederschriften vertreten sind, zu denen ich viele Stücke beisteuern konnte, worauf die mir lieben und freundlichen persönlichen Beziehungen zu dem nun nicht mehr Lebenden beruhten.
Seine letzten Jahre hat der vielfach Geehrte (Professor, Ehrendoktor) mit Leidens Haft ganz seiner Sammlung gewidmet, bis Krankheit und hohes Alter ihm diese Freude trübte. Sanft ist er nun hinübergeschlafen in die dokumentenlose Ewigkeit und eingegangen zu den Gelehrten, Forschern und Bergsteigern, deren Lebensdokumente er mit solcher Liebe, Verehrung und Begeisterung für die Nachwelt rettete.
Walter Schmidkunz.
Quelle: Mitteilungen des DÖAV 1927, Seite 245 und 246
1870 1.Best.Firmisanschneide,3491m, (Ötztaler Alpen) / 1870
1880 1.Beg.Gran Odla „Normalweg“,II,2832m, (Geisler-Gruppe,Dolomit.)
1888 1.Beg.Tscheiner-Spitze-Südwand ,III-IV,2791m, (Rosengarten)
1888 1.Best.Villnösser Odla „Normalweg“,ca.2800m, (Geisler-Gruppe,Dolomit.)
1888 1.Beg.Sass de Mesdi „Normalweg“,2760m, (Geisler-Gruppe,Dolomiten)
1888 1.Beg.Sass de Mesdi-Ostseite,II,2760m, (Geisler-Gruppe,Dolomiten)
1988 1.Best.Cumedèl von der Ostseite „Normalführe“,II,2755m, (Geislergruppe,Dlomiten)
1988 1.Best.Innerkofler Turm,3081m, (Langkofelgruppe)
1889 2.Best.Zahnkofel,3001m, (Langkofelgruppe)
1989 1.Beg.Kleiner Valbon Kogel-Nordwestflanke,2803m, (Rosengarten)
1889 1.Best.Westliche Grasleitenspitze über Südwand,III,350 KM,2672m, (Rosengarten)
1889 1.Beg.Mittlere Grasleitenspitze-Nordostflanke,II,2705m,(Rosengarten)
1889 1.Beg.Villnösser Turm „Normalführe“,II,2830m, (Geisler-Gruppe,Dolomiten)
1889 1.Best.Cimone della Pala über Südschulter „Normalweg“,3184m, (Pala,Dolomiten)
Quelle: Gerhard Schauer, Isny im Allgäu
Geboren am:
09.08.1846
Gestorben am:
18.10.1927
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