Wien Karl

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Biografie:
geboren in Würzburg (Deutschland)
gestorben am NaNga Parbat (Pakistan)

Bereits in früher Jugend war er mit dem großen Erlebnis der Berge bekannt geworden, von Mittenwald aus, wo sein Vater ein Landhaus hatte, machte er gelegentlich Ausflüge im Wetterstein und Karwendel 1924 trat er dem A.A.V.M. bei. Willo Weizenbach war es, der ihn einst in die Welt des Bergsteigens einführte und sein Lehrmeister in den ersten Jahren wurde. Mit ihm zusammen vollführte er die großen Erstbegehungen in der Glocknergruppe. Er war im Fels und Eis gleichermaßen zuhause. Auch außerhalb Europas in Afrika und im Himalaya war er bergsteigerisch tätig. Im Pamirgebirge gelang ihm 1928 zusammen mit Erwin Schneider die erste Besteigung des 7134m hohen Pik Lenin. 1937 starb er durch eine Eislawine am Naga Parbat.
Karl Wien war überzeugter Nationalsozialist und Mitglied in der NSDAP.
G.Schauer
1924 Durchquerung Berner Oberland, (Berner Alpen)
1924 1.Beg.Zugspitzeck-Westsüdwestgrat,IV,2820m, (Wettersteingebirge)
1924 1.Beg.Oberer Schüsselkarturm-Nordgrat,IV,2350m, (Wettersteingebirge)
1925 1.Beg.Hinterer Waxenstein-Windhaspel-Nordkante,V,2253m, (Wetterstein)
1926 1.Beg.Glockerin (Klocknerin)-Südwestgipfel-Nordwestwand „Welzenbach-Führe“,V,56°,922 HM,
3422m, (Glocknergruppe)
1926 1.Beg.Eiskögele-Nordwand,800 HM,3426 m, (Glocknergruppe,Hohe Tauern)
1926 1.Beg.Großglockner-Nordwand,IV+,Eis bis 55°,600 HM,3798m, (Glocknergruppe,Hohe Tauern)
1926 1.Winterbest.Lyskamm-Westgipfel,4479m, (Walliser Alpen)
1926 Beg.Matterhorn-Zmuttgrat,4478m, (Walliser Alpen)
1927 1.Winterbeg.Zugspitze,2962m,- Alpspitze,2629m, „Jubiläumsgrat“, (Wettersteingebirge)
1927 1.Beg.Hintere Kopfwand-Nordostwand,2102m, (Dachsteingebirge)
1927 1.Beg.Kleinleitenspitze-Nordostwand,3445m, (Ötztaler Alpen)
1927 6.Beg.u.1.Beg.Großglockner-Nordostwand-Linke Nordostrinne „Pallavicini-Rinne“,
Direkter Ausstieg,II-III,50°,600 Hm,3798m, (Glocknergruppe,Hohe Tauern)
1927 2.Beg.Große Bischofsmütze-Südwand „Steiner-Hein",2455m, (Dachsteingebirge)
1927 Winterüberschr.Montblanc vom Geantgletscher zur Vallothütte,4807m, (Montblancgebiet)
1927 Beg.Montblanc-Brenvaflanke,4807m, (Montblancgebiet)
1928 1.Best.Pik Vera Sluzkaja,5910m, (Trans-Alai Kette,Pamir)
1928 1.Best.Trapez-Pik,6048m, (Trans-Alai Kette,Pamir)
1928 1.Best.Pik Lenin(Pik Kaufmann) über Nordostgrat,7134m,
(Trans-Alai-Kette,Pamir,Zentralasien)
1929 1.Überschr.Zugspitze2962m,-Wettersteinkamm-Mittenwald, (Wetterstein,Karwendel)
1929 Beg.Riffelhorn „Matterhorn-Couloir“,2928m, (Walliser Alpen)
1929 Beg.Weißhorn-Schalligrat,4505m, (Walliser Alpen)
1929 Winterbeg.Piz Bianco-Biancograt,3998m, (Bernina)
1930 Überschreitung Grand Grépon,3482m, (Montblancgebiet)
1930 4.Beg.Piz Badile-Nordkante,V-,3308m, (Bergell)
1931 Teiln. 2. Deutsche Himalaya-Expedition zum Kangchendzönga, (Himalaya,Nepal)
1931 Best.Kangchendzönga bis „Sporngipfel“,7900m,8586m, (Himalaya,Nepal/Indien)
1934 Best.Pointe Lenana, (Ostafrika)
1936 1.Best.Nepal Peak,7136m, (Sikkim-Himalaya,Nepal)
1936 1.Best.Siniolchu,6891m, (Zemugebiet,Sikkim Himalaya,Nepal/Tibet)
1939 1.Best.Vers.Tent Peak/Kirat Chuli,7363m, (Sikkim Himalaya)
1937 Teilnehmer Nanga Parbat-Expedition
Gerd Schauer, Isny im Allgäu

Karl Wien +
Der Tod Karlo Wiens durch die Lawine am Nanga Parat war für viele von uns ein besonders schwerer Schlag, zu lebhaft ausgeprägt stand uns allen das Bild seiner frohen und schaffensfreudigen Persönlichkeit noch vor Augen. Gerade zwei Monate vorher war er mit selbstverständlichem Gleichmut abgereist, wie wir das bei ihm gewohnt waren, sodaß wohl keiner, der beim Abschied dabei war, schwere Gedanken hatte. Mit seinem Hinscheiden hat nicht nur das Bergsteigertum, sondern nicht weniger die geographische Wissenschaft, die beide zu ihrem Nutzen in ihm eine seltene persönliche Vereinigung gefunden hatten, einen großen Verlust erlitten.
Geboren in Würzburg am 10. September 1906, besuchte Karl Wien zunächst das Gymnasium in jener Stadt und dann in München. Es war vielleicht dem Einfluß der großen Persönlichkeit seines Vaters, des berühmten Physikers und Nobelpreisträgers Wilhelm Wien zuzuschreiben, der ihn dazu veranlaßte in seinen Fußstapfen zu folgen; er ging auf die Universität München, wo er 1930 als Physiker promovierte und begann dann eine Laufbahn als technischer Physiker in den Laboratorien der Siemens & Halske A.G. in Berlin.
Es gab aber noch einen anderen Einfluß in seinem Leben, der mehr und mehr vorherrschend wurde. Bereits in früher Jugend war er mit dem großen Erlebnis der Berge bekannt geworden, von Mittenwald aus, wo sein Vater ein Landhaus hatte, machte er gelegentlich Ausflüge im Wetterstein und Karwendel, später als Universitätsstudent trat er 1924 dem A.A.V.M. bei, wo ihn Freundschaft mit vielen verband, nicht zuletzt mit jenen, die jetzt seinem Ruf, ihn zum Nanga Parbat zu begleiten, Folge leisteten. Er schloß sich der schärferen Richtung des Bergsteigens an, die in ihrem Tun nicht nur ein Vergnügen sieht, sondern auch eine Probe der eigenen Kräfte, des Kampfesmutes und der Ausdauer unter schwierigen Verhältnissen. Von seinen Anfängen als Bergsteiger schrieb er noch kurz vor seiner Abreise nach Indien 1937: "Willo Weizenbach war es, der mich einst in die Welt des Bergsteigens einführte, der mein Lehrmeister in den ersten Jahren wurde. Unzählige Male hat uns auf schweren Bergfahrten das Seil verbunden, haben wir alle Freuden durchgekostet, welche die Berge zwei Bergsteigerfreunden geben können und haben wir mit den Schwierigkeiten und drohenden Gefahren in Eis und Schnee und Sturm gerungen"; Mit Willo Welzenbach zusammen vollführte er die großen Erstbegehungen in der Glocknergruppe: Glockerin-Nordwestwand, Eiskögele-Nordwand und Großglockner-Nordwand. Als Unternehmungen, die Härte und Ausdauer erfordern, sagten ihm Winterfahrten besonders zu. Nachdem er schon 1924 das Berner Oberland durch¬quert hatte, ging er im Winter 1926 in das Wallis, wo ihm die erste Winterbesteigung des Lyskamm-Westgipfels gelang, im April 1927 vollbrachte er die erste Winterüberschreitung des Montblanc vom Geantgletscher zur Vallothütte. Daß er auch im Fels gleichermaßen zuhause war, beweisen seine Erstbegehungen im Wetterstein (Herbst 1924): Windhaspel-Nordkante, Zugspitzeck-Südwestgrat und Oberer Schüsselkarturm-Nordgrat. Alle diese und andere Sonderleistungen Karlo Wiens zeigen nur, daß er auch rein nach der bergsteigerischen Tat gemessen ganz vorne stand. Viel wichtiger für uns aber ist seine Person und sein Leben für die Berge und für die Kameradschaft in dem Sinne, wie er dies im letzten Jahresbericht noch einmal richtungweisend niedergelegt hat.
Bei einem Manne, in dem sich Empfänglichkeit für die Eindrücke und die Neigung für höchste Bewährungsproben derart vereinigte, wie dies bei Karlo Wien der Fall war, ist es nicht verwunderlich, daß das Erlebnis der Berge Asiens bei ihm eine so tiefe Wirkung auslöste, daß davon seine ganze Laufbahn eine neue Richtung erhielt. 1928 nahm er als 21-jähriger an der Pamirexpedition teil, wobei er 20 Gipfel von über 5000 m bestieg, auch bei der Besteigung des Pik Kaufmann war er dabei. Daneben fand er noch die Möglichkeit, Dr. Finsterwalder bei seinen kartographischen Arbeiten zu unterstützen, nachdem er sich vorher durch die Mitarbeit bei den Aufnahmen für die Zillertalerkarte Kenntnisse in der photogrammetrischen Methode angeeignet hatte, die er 1931 im Himalaja bereits selbständig verwerten konnte; obwohl er damals am Kantsch fortwährend beim Spitzentrupp war, mit dem er bis zum höchsten Punkt des Nordostsporns kam, erlaubte es ihm seine unermüdliche Kraft, die Aufnahmen des schwierigen Geländes so gut zu vollenden, daß es möglich war, auf Grund des heimgebrachten Materials die Zemukarte zu zeichnen, die die erste Karte eines Himalajagebietes mit genauen Schichtenlinien ist. Er begann nun, sich endgültig darauf vorzubereiten, die wissenschaftliche Laufbahn als Geograph zu beschreiten. Nachdem er durch Erweiterung seiner Kenntnisse auf diesem Gebiet vorbereitet war, machte er zusammen mit Professor Troll ausgedehnte Reisen in Afrika, besonders in den Hochländern Ostafrikas, wo er photogrammetrisch und meteorologisch arbeitete, dabei auch Berge bestieg, u. a. den Kraterberg Mount Meru 6400 Meter. Seine „Beiträge zur Klimatologie des Roten-Meer-Gebietes", die noch nicht veröffentlicht sind, wurden als Habilitationsarbeit von der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität München angenommen, wo er 1937 seine Vorlesungen begonnen hätte. Nach seiner Rückkehr aus Afrika ging er nach Hannover, wo er an der Technischen Hochschule seine Kenntnisse in der Sterephotogrammetrie vervollständigte und selbst die Feldaufnahmen aus dem Kenyamassiv ausarbeitete. 1936 ging er mit Paul Bauer zum Sikkim-Himalaja, wo er den Siniolchu und Nepal Peak bestieg und nach Überschreitung des Simvusattels eine abenteuerliche Reise durch das Passanramtal hinaus machte. Diese Sikkimunternehmung war geplant worden im Hinblick auf den neuen Angriff auf den Nanga Parbat 1937, dessen Führung Karlo Wien anvertraut wurde. Dieser neuen Aufgabe hat er sich mit großer Hingabe gewidmet. Er stellte gründliche Untersuchungen über die Wetterfrage am Nanga Parbat an, über die er Arbeiten veröffentlichte, und erwies sich auch als Organisator und Mannschaftsführer seiner Aufgabe vollkommen gewachsen. Der tragische Ausgang hat die Tatsache der raschen und reibungslosen Entwicklung des Aufmarsches überschattet und verdient darum besonders festgehalten zu werden. Er war in der glücklichen Lage, daß er alle seine Begleiter aus dem Kreise seiner engsten Freunde erwählen konnte, wobei ihm besonders Hartmann eine Stütze war, so daß er im Stande war, eine der besten Mannschaften zusammenzustellen, die je sich eine derartige Aufgabe gestellt hat.
Die enge Verflechtung seiner Leistungen als Bergsteiger und als Wissenschafter machten seine Tätigkeit besonders wertvoll für beide. Von berufener Seite ist gesagt worden, daß Karlo Wien dazu ausersehen war, eine große Führerpersönlichkeit auf dem Gebiet der geographischen Wissenschaft zu sein; und es ist die Frage aufgeworfen worden, ob so wertvolle Menschen für die gefahrvolle Aufgabe einer solchen Unternehmung eingesetzt werden dürfen. Aber bestand seine Besonderheit nicht gerade in seinem Mut zum Kämpfen und seiner Bereitschaft zum Einsatz für ein Ziel, das er einmal zu dem seinigen gemacht hatte, ist nicht gerade dadurch die Bildung und das Wissen, die sonst ihre Blässe kaum verbergen können, vom blutvollen Leben erfüllt worden? Diese Seite von Karlo Wiens Entwicklung darf gerade in unserer Gemeinschaft besonders beachtet werden, unter deren Einfluß sie wesentlich gefördert wurde, wie er oft bekannt hat. So ist Karlo Wien nicht nur ein Freund, dessen Andenken für uns unvergeßlich ist, sein Leben ist auch ein Vorbild für die Jugend, die nichts besseres erwählen kann, als ihm nachzustreben.
Peter Aufschnaiter
Quelle: Jahresbericht des Akademischen Alpenverein München 1934/35, Seite 12-15

Quelle: Jahresbericht des Akademischen Alpenverein München 1936/37, Seite 10ff
Quelle: Der Bergsteiger 1936/37, Seite 746 ff
Quelle: Deutsche Alpenzeitung 1937, Seite 325 ff
Quelle: Der Bergsteiger 1985, Heft 1, Seite 93

Geboren am:
10.09.1906
Gestorben am:
14.06.1937

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