Keil Franz

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Biografie:
Franz Keil, der ausgezeichnete Alpenforscher und Geoplast, ward am 26. Juni 1822 zu Graslitz im Egerer Kreise in Böhmen geboren. Nach Vollendung der Gymnasialstudien wendete er sich der Pharmacie zu und wurde nach Absolvirung des hierzu erforderlichen practischen und theoretischen Cursus Magister der Pharmacie. Aber schon damals trat seine Neigung und Befähigung zu den beschreibenden Naturwissenschaften so lebhaft hervor, dass er 1846 zum Assistenten bei der Lehrkanzel der Botanik an der Universität zu Prag ernannt wurde. Als solcher unternahm er, um den botanischen Garten in Prag, welcher durch eine Ueberschwemmung sehr gelitten hatte, mit Pflanzen neu zu versorgen , Ferienreisen in das. Riesengebirge und in die Alpen und betrat so zum ersten Male jenes Gebiet, das fortan für sein ganzes Leben der Gegenstand seiner Studien und Arbeiten werden sollte.
Im Jahre 1848 verliess er Prag und nahm eine Stelle als Pharmaceut in der Apotheke "zum goldnen Hirschen" in Graz an, siedelte aber schon 1849 in gleicher Stellung nach Lienz über. Von hier aus unternahm er viele Alpenfahrten, jeden freien Tag benutzte er hierzu; als er im September 1854 zum ersten Male den Grossglockner erstiegen hatte und bei dem herrlichsten Wetter die wunderbare Alpenwelt vor sich ausgebreitet liegen sah, da erwachte, wie er selbst erzählte, in ihm die Idee, diesen gewaltigen Gebirgsstock plastisch darzustellen. So entstanden seine ersten geoplastischen Arbeiten, die Reliefkarten des oberen Draugebietes und der Glocknergruppe. Als Kaiser Franz Joseph 1856 von Lienz nach Winklern reiste, stellte Keil sein eben vollendetes Glocknerrelief auf der Höhe des Iselberges zur Besichtigung aus, hoffte dadurch die Aufmerksamkeit auf seine Arbeiten zu lenken und Unterstützung zur Weiterführung derselben zu erlangen; doch diese seine Hoffnungen erfüllten sich damals noch nicht. Er selbst war von seiner ersten Arbeit nicht befriedigt, weil er sie nach dem Massstabe doppelter Ueberhöhung, auf einen Zoll Fläche zwei Zoll Höhe, angelegt hatte, und entwarf mit besserem Erfolge ein Relief der Kreuzkofelgruppe, des bekannten Dolomit- und Schieferstockes südlich von Lienz. Nun wurde man auch mehrfach auf Keil, seiner Arbeiten und noch mehr der Erwartungen wegen, die man von seinen künftigen Leistungen auf diesem Gebiete hegte, aufmerksam, er erfreute sich der Förderung durch Prof. Simony und Kais. Rath Steinhauser in Wien und wurde auch durch den damaligen Unterrichtsminister Grafen Leo Thun und die k. k. Akademie der Wissenschaften unterstützt. Dies veranlasste ihn, seine Stellung als Pharmaceut in Lienz aufzugeben und sich ganz der Geoplastik zu widmen. Er siedelte 1860 nach Salzburg, 1865 nach Wien über und schritt zur Ausarbeitung seines grossen Werkes "Reliefkarten aus den Deutschen Alpen", des grössten derartigen Werkes, welches durch die Kraft eines Einzelnen geleistet wurde; es umfasst das Gebiet von der "Dreiherrnspitze bis zum Ankogel", 105 Quadrat-Meilen, in 12 Sectionen im Massstabe von 1 : 48,000.
Bevor er an diese Arbeit schreiten konnte, und während er mit derselben beschäftigt war, musste er zahllose Bergbesteigungen unternehmen, oft unter grossen Gefahren und mit schweren Anstrengungen und Entbehrungen verbunden, um die ihm unentbehrliche Autopsie des Urbildes zu erlangen. Dadurch aber legte er den Keim zu seinem späteren furchtbaren Leiden, der Rückenmarkslähmung, welches ihn sowohl körperlich siech machte, so dass er selbst nicht mehr schreiben und zeichnen konnte, als auch sonst fremde Hilfe nöthig machte, da er, nie mit Glücksgütern gesegnet, stets nur auf die Arbeiten seines Geistes und seiner Hand zur Befriedigung des Lebensunterhaltes angewiesen war. Nachdem eine längere Kur in Gastein keine dauernde Besserung gebracht, fand er freundliche Aufnahme auf dem Gute sseines Gönners, des Grafen Spaur zu Sagor in Krain, wo er mehrere Jahre blieb, bis er, schon so krank, dass er selbst mit Hilfe eines Stockes nur schwer mehr gehen konnte, 1870 nach Marburg in Steiermark übersiedelte.
Eigentlich nur zwölf Jahre lang, von 1855 bis 1867, war es Keil vergönnt, seinem wissenschaftlichen Berufe zu leben; um so staunenswerther ist die grosse Zahl seiner kartographischen und geoplastischen Arbeiten, um so bewunderungswürdiger ist die Meisterhaftigkeit derselben. In seinem Nachlasse fand sich ein von seiner eigenen Hand geschriebenes »Verzeichniss der vorzüglichsten Arbeiten des Geoplasten Franz Keil, welches mit wenigen unbedeutenden Änderungen hier wiedergegeben sein möge.

1850. Kleinere Aufsätze botanischen Inhaltes, abgedruckt im Österreichischen botanischen "Wochenblatte (Wien) und in der Zeitschrift »Lotos« (Prag).
1850-1858. Sammlung von naturwissenschaftlichem Material zu einer Beschreibung des Gebietes der oberen Drau, der Isel und der Moll. Meteorologische Beobachtungen in Lienz, Organisirung von Beobachtungsstationen an sieben anderen Orten jenes Gebietes, das nach allen Richtungen hin durchforscht wurde. (Das gesammelte Material wurde 1855. Barometermessungen im obersten Draugebiet. Topographische und Profil-Zeichnungen aus den Deutschen Alpen. (Manuscript).
1856. Die ersten Reliefkarten über das oberste Draugebiet und die Grossglocknergruppe.
Eine Broschüre über »das Mineralbad Leopoldsruhe nächst Lienz in Tirol«. Innsbruck 1856.
1858. Meteorologische und phänologische Beobachtungen in Ost-Tirol. (Abgedruckt in der »Zeitschrift des Ferdinandeums« in Innsbruck). Reliefkarte der Kreuzkofelgruppe 1:48000 (gegenwärtig ein Exemplar im physikalisch-geographischen Cabinet der Universität in Wien,
und eines im Museum zu Innsbruck).
1859. Physikalisch-geographische Skizze der Kreuzkofelgruppe (abgedruckt in den Publikationen der k. k. Akad. d. Wissensch. in Wien). Flora und Fauna der Kreuzkofelgruppe (abgedruckt in den Mittheilungen der k. k. botanischen Gesellschaft in Wien).
1860 erschien der Anfang seines Hauptwerkes: »Reliefkarten aus den Deutschen Alpen«, und zwar die Sectionen Heiligenblut, Winklern, Lienz. Exemplare hiervon befinden sich im Museum zu Klagenfurt, bei der k. k. geographischen Gesellschaft und im k. k. militär-geographischen Institut in Wien. Orographisch-physikalische Karte des Grossglockner und seiner Umgebung. In Petermann's geographischen Mittheilungen.
1861—1864. Relief der Berchtesgadener Gebirgsgruppe (Exemplare davon sind u. A. im Besitze des Königs von Baiern, des kgl. Armeeconservatoriums zu München, der Königin Elisabeth von Preussen). Prospect von Salzburg (1862). Vortrag über Reliefkarten im Jahrbuche des Vereins für Salzburgische Landeskunde 1862.
Zwölf Sectionen der Reliefkarten der Deutschen Alpen (angekauft vom k. k. militär-geographischen Institut in Wien, vom Landesausschuss in Salzburg, vom Stift St. Peter in Salzburg, vom König von Preussen, vom Baron Lerchenfeld in München u. A.). Der Untersberg. Relief und Karte. Glocknerkarte. In v. Ruthner's "Wanderungen in den Tauern", Wien, Gerold.
Begleitkarten zu den Reliefs aus den Deutschen Alpen. Diese enthalten den topographischen, hydrographischen und hypsometrischen Theil (ohne Bergzeichnung) und liefern das vollständige Material für die Reliefs. (Theilweise noch im Buchhandel ä 1 M. zu haben).
1865. Zehn Sectionen der Reliefkarten aus den Deutschen Alpen, geognostisch colorirt.
Vier grosse geognostische Durchschnitte. (Angekauft vom Museum zu Salzburg.)
1866. Reliefkarten der Umgebung von Reichenau, Schneeberg, Raxalpe, Semmering. (Für den Kronprinzen Rudolph von Oesterreich.)
1866. Karte der Gross-Venedigergruppe. Im Jahrb. II. des Oesterr. Alpenvereins.
1867. Karte der Umgebung von Salzburg im Massstabe 1:72 000, Salzburg, Glonner. Dem Erzherzog Ludwig Victor gewidmet.

Die meisten der Keil'sehen Reliefs erschienen bei Mayr in Salzburg, die späteren bei Max Glonner in Salzburg. Die vollständigsten Sammlungen seiner Arbeiten befinden sich im Besitze des Museums zu Salzburg und" des Erben des Baron Lerehenfeld, Dr. Beer in Bamberg.
An äusserer Anerkennung für seine ausgezeichneten Leistungen fehlte es ihm nicht; sie wurden von den bedeutendsten Geographen als vorzügliche Arbeiten anerkannt. Keil wurde correspondirendes Mitglied des naturhistorischen Vereins »Lotos« in Prag, Correspondent der k. k. geologischen Eeichsanstalt in Wien (1856), Ehrenmitglied des Ferdinandeums in Innsbruck (1858), correspondirendes Mitglied des Vereins für Geographie, und Statistik in Prankfurt a. M. (1859), correspondirendes Mitglied des Vereins für Salzburger Landeskunde (1866) und correspondirendes Mitglied der kais. Akademie der Wissenschaften in Wien; 1862 erhielt er für seine Arbeiten die Ehrenmedaille bei der Londoner Weltausstellung, 1864 die Ehrenmedaille des Freien Deutschen Hochstifts zu Prankfurt a. M. und 1866 von Kaiser Pranz Joseph die grosse goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft.
Um so trauriger gestalteten sich seine Gesundheitsverhältnisse; die letzten fünf Jahre seines Lebens (1871 —1876) verbrachte er grösstentheils unter schweren Qualen liegend im Bette. Als Lichtpunkte in dieser Nacht der Krankheit und Not konnte er die Spenden betrachten, welche ihm vom Deutschen und Oesterreichischen Alpen-Verein, von verschiedenen Sectionen desselben, von anderen alpinen Vereinen, vom Oesterreichischen Unterrichtsministerium und von anderen Corporationen und Persönlichkeiten zuflössen. Am 10. März 1876 um 5 Uhr Nachmittags erlöste ihn zu Marburg der Tod von seinem schweiren Leiden.
So lebte, wirkte und litt ein Porscher auf dem Gebiete der alpinen Wissenschaften, der Grosses geleistet, aber auch ein Opfer seines Berufes wurde. Für uns mag sein Leben und Wirken ein Beispiel sein, was ein Mann, der, begeistert von einer grossen Idee, einem hohen Ziele mit Aufbietung aller seiner Kräfte zustrebt, selbst unter den ungünstigsten Verhältnissen erreichen und leisten kann.
Quelle: Mitteilungen des DÖAV 1876, Seite 105-108

Geboren am:
22.06.1822
Gestorben am:
10.03.1876
application/pdf Keil_Franz_-_DAV_Mitteilungen_1957-10_Seite_170.pdf

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