Richter Karl Hanns

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Biografie:
geboren in Wien (Österreich)
gestorben in Wien (Österreich)

Quelle: Österr. Touristenzeitung 1961, Seite 83

Karl Hanns Richter Ehrenmitglied
Die Sektion Berlin hat an Herrn Karl Hanns Richter vom Alpenverein Donauland, Wien, die Ehrenmitgliedschaft verliehen und damit die Übergabe des Ehrenzeichens für 60jährige Mitgliedschaft verbunden, nachdem Herr Richter schon seit 1907 der Sektion Bayerland angehört. Es wurde damit ein Bergsteiger geehrt, der Zeit seines Lebens für den Alpinen Gedanken wirkte und dieser Einstellung bis heute treu geblieben ist, was in dem noblen Angebot an den DAV, das Gelände für das AV-Haus Obertauern, die Glorerhütte und das Friesenberghaus vom Alpenverein Donauland zum Nutzen aller Bergsteiger zu übernehmen, seinen Ausdruck fand.
Quelle: Mitteilungen des DÖAV 1969, Heft 5, Seite 237

Quelle: DAV Mitteilungen 1975, Seite 133

Karl Hanns Richter
*2. Juli 1886 — (+) 29. Jänner 1975
Am 29. Jänner 1975 hat Karl Hanns Richter — er war wohl in den letzten Jahren der Senior der Wiener Bergsteiger zu nennen gewesen! — in seinem 89. Lebensjahr in aller Stille unseren Bergsteigerkreis in der Bundeshauptstadt verlassen. In seinem langen Leben ließ er sich kaum in eine besondere Gruppierung irgendwelcher Art durch längere Zeit hin einordnen, er ist in seinem ganzen Leben seinen eigenen Weg gegangen, bis zum Ende. Wie sagt doch Hermann Hesse:
Seltsam, im Nebel zu wandern ... Leben heißt einsam sein, kein Mensch kennt den andern, jeder bleibt allein.
Karl Hanns Richter wurde am 2. Juli 1886 als Sohn des Thomas Richter und seiner Frau Franziska, geb. Mareder, in Wien geboren und ist auch dort aufgewachsen. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß er schon in der Jugend von der Urgewalt der Schönheit der Bergwelt ganz und gar gefangengenommen wurde. Jedenfalls sieht ihn die Zeit vor dem Ersten Weltkrieg bereits im Spitzenfeld der Wiener Bergsteigerschaft, die ihrerseits gerade in diesen Jahren gegenüber der sogenannten Münchener Schule etwas ins Hinter-treffen geraten war. Als nun unser geschätzter verewigter Grazer Klubkamerad Dr. Felix König, der bekannte Bergsteiger, für das Winterhalbjahr 1914/15 eine österreichische Südpolar-Expedition vorbereitete (nachdem der Pol selbst 1911 und 1912 durch Roald Amundsen und Robert Falcon Scott erreicht worden war und eine weitere Erkundung des ungeheuren Süd-Festlandes geboten erschien), da hatte er auch K. H. Richter zur Teilnahme eingeladen, wobei dieser vor allem als Geologe tätig sein sollte. Als aber die Vorbereitungen und die körperliche Durchbildung aller Teilnehmer in vollem Gang waren, fielen am 28. Juni 1914 die Schüsse von Sarajevo, die eine fast ein halbes Jahr-hundert währende Periode des Friedens in Europa beenden, den Ersten Weltkrieg auslösen und den Grundstein zum seither andauernden Unfrieden in Europa legen sollten.
Im Lebensalter von 28 bis 32 Jahren erlebte also Richter den Ersten Weltkrieg. Ich habe als einer seiner Biographen bereits an anderer Stelle hervorgehoben, daß er sich — zuerst Einjährig-Freiwilliger — an der Dolomitenfront, wo er auch Heeresbergführer war, ausgezeichnet hat, mehrfach verwundet wurde und reich dekoriert als Oberleutnant in die graue Sorgenwelt von Wien 1918 und der folgenden Jahre zurückgekehrt ist. (Wie oft glauben die, welche die Zeit 1945-1948 in Wien miterlebt haben, schon alles zu wissen!)
Als Mitglied der Alpenvereinssektion Austria sollten sich für Richter schwerwiegende Probleme auch in das Wiener alpine Vereinsleben einlagern. Die neue Sektionsführung unter Hofrat Dipl.-Ing. Eduard Pichl, Altpräsident des ÖAK und als erfolgreicher Bergsteiger überall bekannt, strebte in den Jahren 1920 und 1921 die Einführung des Arier-paragraphen in der Sektion an und konnte dieses Vorhaben auch verwirklichen. Die jüdischen Sektionsmitglieder mußten austreten und gründeten zusammen mit einigen Nichtjuden die Alpenvereinssektion Donauland, die schließlich Ende 1924 unter demselben Druck aus dem damaligen Deutschen und Österreichischen Alpenverein ausgeschlossen wurde. Richter war stets an führender Stelle und schließlich Vorsitzender von „Donauland", welche Körperschaft sodann als selbständiger alpiner Verein („Alpenverein D.") mit Sitz in Wien zu arbeiten begann, in der Folgezeit in enger Arbeitsgemeinschaft mit dem „Deutschen Alpenverein Berlin", der in der damaligen deutschen Reichshauptstadt unter ähnlichen Zeichen entstanden war. Unbeirrt und unbeirrbar ging Richter mit der um ihn versammelten Gemeinschaft von Bergsteigern und Bergwanderern seinen eigenständigen Weg. Mit der Eingliederung Österreichs in das Deutsche Reich war es mit „Donauland" vorbei. Eine lange Vernehmung in der Wiener Dienststelle des Staats- Sicherheitsdienstes auf dem „Morzinplatz" folgte für Richter; eine harte Fragestellung war es, wie er mir selbst erzählt hat, die er nur durch seine wortkarge, nach außen hin abweisend erscheinende Haltung überstanden hat. Man berief sodann den ehemaligen Frontoffizier der österreichisch-ungarischen Armee zum deutschen Heer ein; seine nichtarische Ehefrau wurde mit unbekanntem Ziel abtransportiert, und man hat von ihr fernerhin nichts mehr gehört.
Als Major kam er aus dem Zweiten Weltkrieg in den zivilen Alltag zurück. Es entstand wieder der „Alpenverein Donauland", der seine Hütten und Arbeitsgebiete (an der Grenze von Glockner- und Schobergruppe, im Tuxer Hauptkamm der Zillertaler Alpen und auf der Hinteralm der Schneealpe) zurückerhielt und unter Richters Leitung an der Bildung eines gemeinsamen Dachverbandes aller österreichischen alpinen Vereine von Anfang an tatkräftig beteiligt war. Von diesem Forum aus war er als Kassier von Mitte 1948 bis Ende 1967, als er sich aus altersbedingten Gründen aus dem VAVÖ zurückziehen mußte, einer meiner Vorgesetzten, und ich habe ihn da im Lauf von fast zwei Jahrzehnten als einen nach außen hin oft polternd und cholerisch erscheinenden, im Innern aber grundgütigen Menschen kennen- und schätzengelernt, einen weichen Kern mit rauher Schale, der beispielsweise bei von außen an den Verband gerichteten Ansuchen um Spenden sich nie von politischen oder religiösen, sondern stets nur von gerechten, sachlichen und 'menschlichen Beweggründen leiten ließ, obwohl er selbst eine bestimmte Weltanschauung und -einstellung vertreten hat.
Bei unserem Klub war er kraft seiner bergsteigerischen Persönlichkeit, die er darstellte, Jahre hindurch als Rechnungsprüfer tätig, vorher schon als Tourenwart. Zeitweise gehörte er auch den „Reichensteinern" und den „Bayerländern" an.
Die weitere Entwicklung von „Donauland" machte es notwendig, die Hütten und Arbeitsgebiete des Vereins nach und nach an andere alpine Körperschaften zu übereignen. In den letzten Jahrzehnten seines Lebens stand Richter seine langjährige Berg-und Vereinsgefährtin, Frau Leonina Göttler, stets umsichtig und treu sorgend zur Seite.
Richters Interesse an den Alpen und ihrer Schönheit hat auch nach seinem Ausscheiden aus dem alpinen Vereinsleben nicht geendet, und er war trotz seiner mit dem Alter zunehmenden Schwerhörigkeit ein häufiger Besucher meiner verschiedenen Farblichtbildervorträge im ÖTK oder in Wiener Volksbildungshäusern, bis ... Ja, Frau Göttler schreibt in der Parte zu seinem Ableben mit überaus tiefsinnigen Worten, daß er sich bis ins Alter von 86 Jahren der Berge und der Natur erfreuen durfte und daß er im 89. Lebensjahr gestorben ist ...
Jetzt, wo ich das alles niedergeschrieben habe, wird mir beinahe schmerzhaft bewußt, daß ich hier, im Blatt der prominentesten alpinen Körperschaft Österreichs, bisher noch so gut wie nichts über die bergsteigerische Bedeutung des Verblichenen geschrieben habe. In unserer Klubzeitung habe ich im Jahrgang 1963 (S. 120 ff.) die Geschichte seiner bedeutendsten und bekanntesten Erstbegehung, des „Richterweges" in der Stadelwand des Wiener Schneebergs, nachzuerzählen versucht und damals in einer ausführlichen Unterredung mit ihm das, bis dahin unbekannte, genaue Datum mit fast völliger Sicherheit feststellen können. Auch in „Wiens Bergsteigertum" (Wien 1927) von Eduard Pichl finden sich verschiedentlich Hinweise auf Richter und seinen Verein. Schließlich war Richter auch Jubilarmitglied des ÖTK; aus diesem Grund finden sich immer wieder (1951, 1956, 1961, 1964, 1966, 1971 und 1975) Hinweise auf ihn in der ÖTZ.
Sein ganzes Leben hindurch war Richter selbständiger Bergsteiger, Herren- oder Vereinsführer, staatlich geprüfter Schi- sowie Sportlehrer. Sehr groß war auch seine Tätigkeit bei alpinen Rettungsunternehmungen und Bergungen; er war einer von denen gewesen, die 1919 die letzten Überreste von Gustav Jahn vom Fuß der Ödsteinkante herabholten.
So ist auch die Zahl von Richters schwierigen und sehr schwierigen Kletterfahrten sowie seiner großen Eistouren in den Ost- und in den Westalpen nicht aufzählbar. Er muß eine gewaltige Zahl von Viertausendern erstiegen haben! Unter seinen ausländischen Berggefährten erwähnte er mir gegenüber einmal auch den bekannten italienischen Bergsteiger Graf Ugo di Vallepiana; auch mit Dr. Severino Casara war er in den Bergen zusammen, ebenso mit Frau Emmy Brioschi, die in ihrer Jugend Emmy Hartwich hieß und in Wien sehr bekannt war. Veröffentlichungen in alpinen Zeitschriften sind mir von Richter nicht bekanntgeworden.
Unter Richters Neufahrten wäre neben dem „Richterweg" in der Stadelwand auch die „Richterkante" dort zu nennen, weiters der „Wilde Preintaler-Riß" in der Loswand der Raxalpe, die Westnordwestwand des Johannisbergs in der Glocknergruppe sowie dort den Glocknerkarkamp, schließlich in den Dolomiten der Südpfeiler des Sass de Mesdi. Diese Aufzählung macht keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Mit 73 Jahren besuchte Richter seine letzten Viertausender in den Westalpen, mit 75 Jahren beging er noch „seinen" Richterweg mit unserem Vizepräsidenten Erich Vanis, fast ein halbes Jahrhundert nach der ersten Begehung, mit 77 Jahren erstieg er im Kameradenkreis einer Führungstour von mir an zwei Tagen hintereinander den Großglockner, wobei er an einem der Tage den Stüdlgrat zum Abstieg wählte.
So nehmen wir Abschied von Karl Hanns Richter! An Stelle einer sehr dichten Wiedergabe seiner bergsteigerischen Bedeutung habe ich in vielen einzelnen Strichen beinahe eine Rückblendung auf einzelne Punkte der bisherigen allgemeinen und alpinen Geschichte unseres Jahrhunderts zu geben versucht. Die Spur von Richters Erdentagen ist in der Geschichte der Wiener Bergsteigerei dauernd festgehalten.
Dr. Robert Hösch, Wien
Quelle: Österreichische Alpenzeitung 1975, September/Oktober, Folge 1403, Seite 116-118

Karl Hans Richter:
u. a. Schneeberg Stadelwand Richterroute 1. B. (mit Sektionsmitgl. Heinisch, Heger), auch 2. u. 5. B., 1. Allg., Glocknerkarkamp 1. B., Johannisberg W-Wand 1. B., Saß de Mesdi S-Pfeiler 1. B., Schneeberg „Richterkante", Rax Loswand neuer Durchstieg, jeweils 1. B. Richter war ein ausgezeichneter Bergsteiger, aber „großer Schweiger". In den Wänden des Gesäuses war er ebenso zuhause, wie in der Bergwelt von Zermatt. Während des 1. Weltkrieges betätigte er sich auch bei der Ausbildung der Heeresbergführer auf der Regensburgerhütte in den Dolomiten, gemeinsam u. a. mit Jahn, Pichl, Merlet, wobei viele Neutouren erschlossen und wiederholt wurden. Als Jahn und Kofler an der Ödsteinkante verunglückten, leitete Richter die Suchaktion, gemeinsam mit Horeschovsky.
Quelle: Jahresbericht der Hochtouristischen Gruppe „Bergland“ der Sektion Wien des ÖAV (1970-1973), Seite 12


Geboren am:
02.07.1886
Gestorben am:
29.01.1975

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