Oberlercher Paul
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Biografie:
Der erste große Geoplast der Ostalpen: Paul Oberlercher
Von Mr. Frido Kordon, Graz.
In Nr. 6 unserer „Mitteilungen" vom Jahre 1932 bespricht auf S. 148/149 Alfred Steinitzer (München) das Relief der Palagruppe im Alpinen Museum und sagt in den einleitenden Worten: „Wenn man noch vor einem Jahrzehnt anerkennen mußte, daß die Schweizer einen großen Vorsprung auf dem Gebiete der Geoplastik besaßen — die Reliefs des Jungfraustockes und des Berner Oberlandes von X. Imfeld und das Säntisrelief von Prof. Dr. Albert Seim gaben Zeugnis davon —, so darf man erfreulicherweise behaupten, daß die Geo-Plasten der Ostalpen, Leo Aegerter und O. Raab, nunmehr völlig gleichwertige Werke geschaffen haben."
In dieser Betrachtung ist ein Name nicht genannt, der immer wieder sofort erklingt, wenn unter österreichischen Bergsteigern von geoplastischen Höchstleistungen gesprochen wird, der Name Paul Oberlercher, dessen Hauptwerke schon 1895 das Landesmuseum in Klagenfurt zierten, nach ihrer Übertragung jedoch — seit 1911 — den Kern des Alpinen Museums der Hauptstadt Kärntens bilden. Auch sind Arbeiten Oberlerchers noch vorhanden im Alpinen Museum zu München, ferner im Besitze verschiedener Mitglieder und Sektionen unseres Vereins sowie in Universitätsinstituten zu Wien, Berlin, Tudingen, Leipzig, Hannover, Paris, London und in amerikanischen sowie australischen Hochschulen.
Steinitzers Nichterwähnung Oberlerchers drängt mich nun, die Mitglieder unseres Vereins daran zu erinnern, daß bereits 1885 bis 1914 im Kärntnerlande still und bescheiden, mit vielen Widrigkeiten kämpfend und trotzdem erfolgreich sich der künstlerisch-plastischen Wiedergabe alpiner und außeralpiner Gebirge ein Mann widmete, von dem niemand Geringerer als Geheimrat Prof. Dr. Albrecht Penck sagt: „Oberlercher muß heute neben Simon als der erste Geoplast der Alpen gepriesen werden." Der Ausspruch findet sich in den „Mitteilungen" vom Jahre 1896, Nr. 9, S. 107, in dem fesselnden Beitrag aus der Feder des berühmten Forschers: „Oberlerchers Glocknerrelief." Diese 1890 bis 1894 nach eigenen Aufnahmen Oberlerchers im Maßstab 1:2000 hergestellte Wiedergabe des Königs der heutigen österreichischen Alpen mit seiner nächsten Umgebung, von Penck „ein Riesenwerk" genannt, da es 24,5 m² Bodenfläche einnimmt und 1,9m hoch ist (zum Vergleich Aegerters Palagruppe: Maßstab 1: 5000, Fläche 9,8 m², Höhe 0,64 m), bildet eine hervorragende Sehenswürdigkeit der Kärntner Landeshauptstadt. Kein sich in ihr aufhaltender Alpinist soll deshalb den Besuch des dortigen Alpinen Museums versäumen, das seit 1911 außer Oberlerchers großem Glocknerrelief auch eine Reihe anderer bemerkenswerter geoplastischer Arbeiten von seiner Hand bewahrt. Um die wichtigsten zu nennen, sei auf das Schulrelief von Kärnten und die kleineren Reliefs des Glocknergebietes (Glocknergruppe, Glocknerkamm, Pasterze), der Ankogel-Hochalmspitzgruppe, des Ortlers, des Montblanc, der Villacheralpe (Dobratschrelief), des Uschbagipfels im Kaukasus, die Polarreliefs (Gausberg im Kaiser-Wilhelms-Land, Karajak-Nunatakgletscher in Grönland), die ozeanischen Reliefs (Insel Guam der Marianen-, Hawai der Sandwichinseln), das Eiszeitrelief Kärntens nach den Forschungen Pencks, das Ozean- und Kontinentalrelief und das geologische Relief des Gran Kanon von Colorado besonders hingewiesen.
Von Oberlerchers Lieblings- und Lebenswerk, dem großen Glocknerrelief, sagt Penck in dem erwähnten Aufsatz: „Absolute Naturtreue ist das Hauptmerkmal an Oberlerchers Werk." Nach einer ausführlichen Schilderung der Einzelheiten dieser geoplastischen Schöpfung und der Fülle von Eindrücken, die jeder Betrachter davon empfangen kann, kommt der Gelehrte zu dem Ergebnis, daß „von den zahlreichen Alpenreliefs, welche in den letzten Jahrzehnten gefertigt wurden, nur eines den Vergleich mit jenen Oberlerchers aushält: Simons große Plastische Wiedergabe der Finsteraarhorngruppe".
Durch diese Beurteilung von hervorragender fachmännischer Seite steht wohl fest, daß Paul Oberlercher als der erste große Geoplast der Ostalpen vor den von Steinitzer angeführten Männern zu nennen ist.
Oberlercher schied leider allzufrüh 1915 mitten aus seiner Tätigkeit. Unsere „Mitteilungen" desselben Jahres brachten in Nr. 5/6, S. 49, einen ehrenvollen Nachruf, in dem auch berichtet wird, daß der Verblichene zu einer Zeit, in der alpine Kreise von seinen Bestrebungen noch nichts wußten, in Geheimrat Prof. Dr. Arnold, dem damaligen Vorsitzenden unserer S. Hannover, einen tatkräftigen Förderer fand, der Prof. Dr. Penck auf Oberlercher aufmerksam machte. Trotz seiner Bescheidenheit, die jede Reklame für sich ängstlich mied, genoß der rastlos Schaffende in den letzten Lebensjahren einen Weltruf, von dem nur wenige seiner engeren Landsleute eine Ahnung hatten.
Da seine Biographen es bisher nicht berichteten, sei noch erwähnt, daß Oberlercher als Volksschullehrer in Gmünd (Kärnten) 1885 dort sein erstes Relief herstellte, das die Bergumgebung dieses Städtchens am Zusammenflüsse der Lieser und Malta wiedergab.
In der Ankogel-Hochalmspitzgruppe ragt ein würdiges Denkmal zur bleibenden Erinnerung an den ersten bedeutenden ostalpinen künstlerischen Erfasser und Darsteller der Berggestalten: die von den Sektionen Hannover und Gmünd ihm zu Ehren benannte, 3096 m hohe Oberlercherspitze.
Quelle: Mitteilungen des DÖAV 1935, Seite 71
Gestorben am:
1915
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