Heß Heinrich
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Biografie:
HEINRICH HESS 1)
An einem grauen, unfreundlichen Märztag d. J. trug man auf dem Matzleinsdorfer Friedhof in Wien einen 86jährigen zu Grabe, der vor mehr als sechs Jahrzehnten als kühner Bergsteiger der berg- und naturfreudigen Menschheit so manches Tor ins Alpenreich aufgestoßen und damit eine bergbegeisterte Jugend auf den Plan gerufen hatte, die seinen Spuren mit Leidenschaft gefolgt war und sich dabei selbst immer höhere Ziele gesteckt hatte. Nur seine Angehörigen und ein winziges Häuflein von Bergfreunden aus den Reihen des Alpenvereins, darunter des Österreichischen Alpenklubs, folgten dem Sarge. Keine Orden wurden dem einstigen Fürsten der Berge vorangetragen. Aber dafür besaß er ein Ehrenzeichen edelster Art: Das Goldene Edelweiß!
Schlicht und ohne Aufmachung, wie er es sein ganzes Leben lang gehalten, gestaltete sich auch der letzte Gang von Heinrich Heß. Einer seiner ältesten Freunde, ein »Ennstaler« widmete ihm Worte der Wehmut, dann dankte ihm der Vereinsführer der »Austria« namens aller Zweige — viele zählten ihn zu ihren Ehrenmitgliedern — für seine heiße Liebe zu den leuchtenden Höhen wie für seine unerschütterliche Anhänglichkeit an den Alpenverein und weihte ihm ein vor Zeiten gepflücktes Sträußchen Edelweiß.
Wer von dem heutigen Bergsteigergeschlecht weiß etwas von diesem hervorragenden Erschließer der Bergwelt, namentlich der herrlichen Gesäuseberge, die Heß vor 70 und 60 Jahren durchstreift und zahlreiche Erstersteigungen durchgeführt hat? So des geheimnisvollen »Petern«pfades, der einst einen üblen Wilderer stets vor den Augen der ihn verfolgenden Jäger verschluckte, des ungangbaren Wasserfallweges, des Kl. Buchstein-Nordostgipfels, des Hochtors über den Roßkuppengrat, des langen Hallermauerngrates u. v. a. Heß hatte als erster Führerloser die Spitze des Großglockners betreten, hat seine Alpenfahrten auf die allermeisten Gebirgsgruppen erstreckt, mit Ludwig Purtscheller lange Kammwanderungen ausgeführt und als Eröffner der oft überaus langen Sonntagstouren, die er von Wien aus mit Hilfe zweier Nachtfahrten bis ins Kaisergebirge ausdehnte, von diesen Fahrten viele Erstersteigungen heimgebracht.
Mindestens ebenso unermüdlich und fruchtbar betätigte er sich auf den Gebieten des alpinen Vereinslebens und des alpinen Schrifttums. 1876 gründete er die alpine Gesellschaft »Ennstaler«, deren Obmann er wurde und die ihm zu Ehren die »Heßhütte« im Gesäuse schuf, 1879 war er Mitgründer des Österreichischen Alpenklubs und leitete zwei Jahre sein Blatt, die Österreichische Alpenzeitung. Seit 1888 gehörte er dem Zweig »Austria« an, und im selben Jahre bestellte ihn der D.u. Ö. A.-V. zum Schriftleiter der »Mitteilungen«, welches Amt er über 30 Jahre mit größtem Geschick und bester Erfahrung versah; auch die Schriftleitung der »Zeitschrift« betreute er von 1895 bis 1920. Zahlreiche Aufsätze schrieb er in der Ö. A.-Z., 1884 gab er den »Gesäuseführer« heraus, sowie nachher andere bebilderte Führer. Gemeinsam mit Purtscheller bearbeitete er den »Hochtourist in den Ostalpen«, und auch an der »Erschließung der Ostalpen«, am »Alpenfreund« und an der »Deutschen Alpenzeitung« arbeitete er mit. Zum Gedächtnis an Purtscheller veröffentlichte er eine Reihe von Aufsätzen von diesem in einem Buch »Über Fels und Firn«. Zu den alpinen Fehden, die in den achtziger Jahren über die Fragen: »Mit oder ohne Führer?« oder »Gibt es eine alte und eine moderne Schule?« und »Wie weit darf der Bergsteiger in der Ausübung der Touren gehen?« ausgetragen wurden und die Gemüter erhitzten, bezog Heß die Stellung: “Verkümmern wir uns doch nicht die Freude an der Natur durch engherzige Regeln und knöcherne Gesetze und bewahren wir uns vor allem das, was wir im Hochgebirge als beglückendes Ziel suchen und finden wollen: Die herrliche Freiheit!“
Der stoßkräftige und gewandte Bezwinger der Berge, der Wegfinder für bergfrohe Jugend, der flinke und ausdauernde Geher und Kletterer, der die Feder gleich trefflich und natürlich handhaben konnte wie Pickel und Seil, war von einer rührenden Bescheidenheit und wollte von öffentlichen Anerkennungen und Ehrungen nichts wissen; nur zweimal mußte er sich fügen: Am Gedenktag seiner 50jährigen Erschließungstätigkeit in den Gesäusebergen und bei der Feier seines 70. Geburtstages durch die Wiener A.-V.-Zweige beim Julfest der »Austria«.
Ehrende und aufrichtige, ihm in der Stille ausgesprochene Dankesworte freuten ihn mitunter schon, wie er auch dem D.A.-V. für dessen Wirken stets dankbar blieb und versicherte, daß er „unserem großen schönen Alpenverein bis zum letzten Atemzug in Treue anhängen werde“.
Wir deutschen Bergsteiger — auch die ihn nicht mehr gekannt haben — wollen Heinrich Heß immer unsere Dankbarkeit und freundschaftliche Gesinnung bezeugen und die Pflege dieser Gefühle auch dem nachrückenden Geschlechte warm ans Herz legen!
E. Pichl
1) Siehe auch »Der Bergsteiger«, 8, Jahrg., Dezember 1937: „Heinrich Heß — 80 Jahre alt.“ Von E. Pichl.
Quelle: Mitteilungen des DAV 1944, Seite 63-64
Gestorben am:
03.1944
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