Weilenmann Johann Jakob

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Biografie:
Weilenmann Johann Jakob,* St.Gallen, später in New York,
dann in Pernambuco (heute Recife, Brasilien). + St Gallen,(Schweiz)

Johann Jakob Weilenmann war einer der berühmtesten Alpinisten des 19.Jahrhunderts.Er hatte erst im Alter von 41 Jahren mit dem Bergsteigen begonnen und in mühevoller,oft gefährlichen Wanderungen die weitgehend unerschlossene Bergwelt,oft als verwegener Alleingänger, erkundet. Insgesamt hat er 1500 Bergtouren unternommen. Er zählte zu den bedeutenden Erschließern von Silvretta,Bernina und den Ötztaler Alpen.
In der Silvretta lockte ihn nach der dritten Besteigung des Piz Linard zuerst das Fluchthorn,weil es ihm schon von seinen heimatlichen Appenzeller Höhen bei St. Gallen,oft auffiel. Im Jahre 1861 machte er mit Franz Pöll,dem Paznauner Älpler,die erste Besteigung dieses Gipfels. Am 14.7.1865 erfolgte durch ihn die erste Besteigung des Piz Buin mit Franz Pöll,Jakob Pfitscher und Joseph Anton Specht.
In den Sommermonaten war Weilenmann im Gebirge unterwegs,in den Wintermonaten hatte er seine abenteuerlichen Unternehmungen niedergeschrieben.
Weilenmann war ein bekannter Alpenschriftsteller und wird auch als Vater der „führerlosen Bergsteiger“ genannt. Die Beschreibungen der durchwanderten Gebirgslandschaften und bestiegenen Berge, publiziert in „Aus der Firnenwelt" (3 Bde.,1872-77), machten ihn zu einem der bekanntesten Pioniere des Alpinismus. 1863 gehörte Weilenmann zu den Mitgründern des Schweizer Alpen-Clubs.

1858 3.Best.Piz Linard (Alleinbest.) über Südwand „Normalweg“,3411m, (Silvretta)
1858 1.Best.Muttler (Muot),3294m, (Samnaungruppe)
1860 1.Best.(Alleinbest.)Piz Fatschalv(Grenzeckkopf) vom Val Urscha,3046m, (Silvretta)
1861 1.Best.Südliches Fluchthorn,3399m, (Silvretta)
1861 1.Best.(Alleinbest.)Lareinfernerkopf,3006m, (Silvretta)
1862 2.Best.Marmolata Punta di Rocca,3342 m, (Dolomiten)
1862 1.touristische Best.(Alleinbest.)Hochwilde(Hohe Wilde),3482m, (Ötztaler Alpen)
1862 1.Best.Roter Kopf,3244 m, (Ötztaler Alpen)
1862 1.Best.Weißer Kogel (Hauptkamm) vom Taufkarjoch,3407m, (Ötztaler Alpen)
1862 1.Alleinbest.Hochwilde-Südgipfel,3480m, (Ötztaler Alpen)
1862 1.Best.Ramolkogel,3550m, (Ötztaler Alpen)
1862 1.Beg.Fluchthorn-Südgipfel von Süden auf den Hauptgipfel „Weilenmannrinne“,3399m, (Silvretta)
1863 1.Beg.Finsteraarhorn-Südwestflanke u. oberer Nordwestgrat,4273m, (Berner Alpen)
1865 1.Best.Großer Piz Buin über Westflanke und Nordwestgrat,3312m, (Silvretta)
1865 1.Best.Crast 'Agüzza über Westgrat,3854m, (Bernina)
1865 1.Beg.Montblanc de Cheilon über Westgrat,3869m, (Westliche Walliser Alpen)
1867 1.Beg.Monte Confinale-Südwestgrat,3370m (Ortleralpen)
1869 Best.Ortler,3902m, (Ortleralpen)
1870 1.Beg.Öhrli von Osten,2192m, (Alpstein,Schweiz)
1871 1.Best.Kaltenberg,2900m, (Verwall)
1876 1.Best.Rendelspitze,2877m, (Verwall)
1876 3.Best.Hoher Riffler,3163m, (Verwall)
1877 1.Best.(Alleinbest.) Saumspitze,3034m, (Verwall)
1887 1.Best.Helsenhorn,3272m, (Walliser Alpen)
Best.Wildspitze,3768m, (Ötztaler Alpen)
Best.Weißkugel,3738m, (Ötztaler Alpen)
1.Beg.Valschavieler Maderer (Kleinmader) im Abstieg nach Norden,2769m, (Verwall

Mit dem kürzlich in St. Gallen verstorbenen Ehrenmitgliede des Schweizer Alpenclub ist wieder Einer von der alten Garde des Alpinismus dahingeschieden, auf deren Schultern stehend die heutige Generation ihren Siegeslauf gegen die letzten noch unerstürmten Gipfel des Hochgebirges unternimmt.
Das, was die ersten Touristen, unsere eigentlichen Pfadfinder, thatsächlich geleistet, tritt in seiner ganzen Grosse und Bedeutung nur dann richtig in die Erscheinung, wenn die Ungunst aller Umstände erwogen wird, unter denen die ersten Erfolge im Bergsteigen erzielt wurden.
Fast abergläubisch gefürchtet standen die starren Felsbauten und eisigen Höhen unserer Alpen in gänzlich unerforschten Gebieten, deren Schrecknisse, von Sage und Tradition in das Ungemessene vergrössert, selbst die verwegensten und kühnsten Söhne des Gebirges von wirklichem Eindringen in ihre Geheimnisse abhielt. Kaum dass hie und da Eigennutz oder Leidenschaft einen Schmuggler oder Wilderer auf geheimgehaltenen Pfaden seinen Zwecken entgegentrieb. Der Mangel an nur halbwegs brauchbaren Karten, das Fehlen jeder selbst dem wenigst verwöhnten Menschen von Bildung behagender Unterkunft sogar in den Wirthschaften der meisten Gebirgsdörfer, erschwerten jedes, heute ohne weiteres Nachdenken von Hunderten verwöhnter Stadtkinder in das Werk gesetzte Unternehmen auf das Höchste. Den Zugang in die hintersten Gründe erleichternde Wege und mit Holz und Proviant ausgestattete Clubhütten existierten ebensowenig wie etwa ein Führer von Beruf. Nur schwer gelang es bei Hirten oder Jägern die Indolenz oder gar das Misstrauen des Aelplers gegen Alles, was ihm „brotlose Kunst" däuchte, zu überwinden. Pickel und Seil waren unbekannt, und alle Erfahrungen in der Vermeidung wie Bekämpfung der Gefahren des Hochgebirges, heute, ein Gemeingut Jedes, der alpinen Sport treibt, nmssten erst gemacht, d. h. oft genug recht theuer mit unsäglichen persönlichen Opfern erkauft werden.
Sollten auch einzelne unserer modernen Gipfelstürmer glauben, mitleidigen Lächelns auf all' die Mühen und umfassenden Vorbereitungen, denen sich die Alten vor ihren Touren in weiser Voraussicht unterzogen, herabschauen zu können, alle besonnenen Männer und wirklichen Alpinisten werden mit dank barem Verständniss der alten Lehrmeister gedenken, deren persönlicher Muth den unbekannten, oft übertriebenen Gefahren gegenüber unbedingt höher steht als die Tollkühnheit manches Jungen, der mit frivolem Leichtsinn sein Leben — vielleicht nur persönlicher Eitelkeit fröhnend — in die Schanze schlägt. Unter diesen Pionnieren war unser Weilenmann einer der kühnsten und erfolgreichsten.
Am 24. Jänner 1819 als Sohn eines aus dem "Züribiet" stammenden Lehrers in St. Gallen geboren, sog er schon mit der Muttermilch die Liebe zu den Bergen ein, so dass die Bewunderung ihrer unvergänglichen Schönheit ihn schon im Jahre 1836 zur führerlosen Besteigung des höchsten Gipfels im heimatlichen Alpstein, des aussichtsreichen Säntis, trieb. Als jungen Kaufmann führte ihn dann sein Thatendrang, wie soviele seiner Landsleute, über das grosse Wasser; aber überall hin begleitete ihn seine Liebe zur Natur, und von zahlreichen Streifzügen durch die Urwälder Brasiliens — er war unter Anderem längere Zeit in Pernambuko thätig — brachte er reiche Sammlungen gut bestimmter Käfer und Schmetterlinge heim, die er als treuer Eidgenosse den Museen seines Vaterlandes schenkte, wie er auch seine innige Anhänglichkeit an die Heimat dadurch bewies, dass er letztwillig sein gesammtes Vermögen (über 170.000 Frcs.) zu wohlthätigen Zwecken bestimmte. Die Resultate seiner überseeischen Thätigkeit ermöglichten es ihm, nach seiner anfangs der Fünfzigerjahre erfolgten Rückkehr in die Heimat, in verhältnissmässig unabhängiger Stellung seiner ältesten Liebe, der zu den schönen Bergen, treu zu bleiben. So lange seine Körperkräfte es gestatteten, durchzog er alljährlich,. meist jiallein, das .pfadlose Hochgebirge. Vom Monte Viso im Westen bis zum Grossglockner im Osten blieb ihm keine Gruppe der Alpen fremd. Mit gleicher Liebe umfasste er die „bizarren«Dolomitgebilde" Südtirols, die Eisgipfel Westtirols und der Tauern, wie die "verblauenden Felskuppen" Italiens und Corsicas, wenn er auch begreiflicher Weise den Schwerpunkt seiner bergsteigerischen Thätigkeit in das majestätische Hochgebirge der Schweiz und deren Grenzgebiete legte. Ueberall war er zu Hause, und seine charakteristische Gestalt im weissen Zwilchanzuge mit dem langen Bergstocke in der Hand war Jägern und Hirten auf mancher einsamen Alm vertraut und lieb geworden. Enorme Zähigkeit und Ausdauer, grosse körperliche Kraft und seltene Genügsamkeit, Hessen ihn Strapazen und Entbehrungen oft arger Art- mit Leichtigkeit ertragen. Kühn aber kühl blickte er jeder Gefahr scharf in das Auge, und ein nie versagendes Gedächtniss Hess die gesammelten Erfahrungen zu einem so bewundernswerthen Maasse von Bergkenntniss, zum richtigen Berginstincte heranwachsen, dass er Touren, namentlich im Firngebiete, ausführen konnte und durfte, wie sie nur wenige andere Alleingeher unternommen haben. Weilenmann ist der eigentliche Vater der Führerlosen, und stets vertheidigte er lebhaft das Alleingehen für den — wirklich Erfahrenen; er kannte alle Gefahren und Tücken des Hochgebirges, unterschätzte aber keine und wies sowohl in seinen Schriften, wie auch mündlich stets eindringlichst warnend auf sie hin.
Angesichts seines Grabes darf man wohl, ohne den bekannten Spruch: "Quod Hcet Jovi etc." verallgemeinern zu wollen, fragen: Würde es nicht manchem Epigonen besser bekommen sein, wenn er den Wahlspruch des Verstorbenen: "Erst wägen, dann wagen", der immer Geltung behalten wird, besser beherzigt hätte? Unzweifelhaft wäre dann dem Gesammtalpinismus manch bitterer, wenn auch über das Ziel hinausschiessender Vorwurf erspart geblieben.
Es hiesse Eulen nach Athen tragen, eine Liste all' der Gipfel in den West- wie Ostalpen zu veröffentlichen, welche er führerlos oder als Erster mit Freunden bestieg, sie müsste auch unvollständig bleiben, weil er viele ganz notorische Besteigungen nicht veröffentlicht hat und zu weiteren Veröffentlichungen nach seinen Aufzeichnungen leider nicht mehr zu bewegen war; es genüge, dass es ihm volle 30 Jahre vergönnt war, seinem geliebten Hochgebirge als activer Bergsteiger huldigen zu können und die Kenntniss der Alpen in die weitesten Kreise zu tragen. Fast mehr noch als sein Beispiel haben jedoch seine ganz eigenartig anziehenden Schilderungen der unternommenen Bergfahrten die Begeisterung für die Alpen in Tausenden entfacht und genährt. Seine scharfe Beobachtungsgabe, verbunden mit einem fast untrüglichen Gedächtniss und umfassender Kenntniss des Gebirges nach Structur und Aufbau, machten aus seinen Berichten, in denen für jede Situation das bezeichnende Wort gefunden ist, zuverlässige Leitfäden, an deren Hand der Nachfolger wohlgemuth zu Berge steigen konnte. Dazu kommt, dass seine bilder- und farbenreiche, oft hochpoetische, stets von wärmster Begeisterung für die hehre Alpennatur getragene Sprache, verbunden mit natürlichem, meist schalkhaftem, mitunter allerdings auch sarkastischem Humor in Schilderung von Land und Leuten ebenso wie seiner kleinen persönlichen Erlebnisse dem Leser an und für sich hervorragenden ästhetischen Genuss bereitet und auch den Laien an den Stoff fesselt.
Sein Hauptwerk: "Aus der Firnenwelt" war epochemachend für die alpine Literatur; ausserdem bearbeitete er in Ulrich's "Berg- und Gletscherfahrten" die Berner- und Walliser Alpen und lieferte in die Jahrbücher des Schweizer Alpenclub, auch in die "Zeitschrift" des D. u. Oe. Alpenvereins, mehrere, stets formvollendete Beiträge. Leider jedoch war alles Drängen seiner Freunde zu weiteren Fortsetzungen der "Firnenwelt" vergeblich. Wenn ihm auch in den Achtzigerjahren zunehmendes Alter grüssere Leistungen verbot, so stieg er doch noch 1889 zum Hohen Säntis hinauf, ,auf dessen Gipfel der einsam gebliebene Bergfreund früher alljährlich Sylvester zu feiern liebte, um, wie er dem Schreiber dieser Zeilen feuchten Auges versicherte, dort Abschied von den lichten Höhen zu nehmen, wo ihm vor 60 Jahren das volle Verständniss für deren Zauber aufgegangen war. Von da an begnügte er sich mit kleineren Touren und jährlicher Sommerfrische in den Vorhallen jener Paläste, deren ständiger Besucher er so lange gewesen. Seit drei Jahren etwa war er an das Zimmer gefesselt, und am 8. Juni 1896, 9 U. morgens, schloss ein sanfter Tod das einst so strahlende Auge, das in selbstvergessener Trunkenheit so oft und so lange von den stolzesten Zinnen die unvergängliche Schönheit der Hochgebirgsnatur in sich eingesogen hatte. Auch im Leben war er allmälig zum Alleingeher geworden. Seine intimeren alten Freunde wie Studer, Ulrich, Specht u. A. waren ihm, wie alle näheren Verwandten, im Tode vorangegangen.
Leidige Erfahrungen und Enttäuschungen, die er von Mitmenschen glaubte erfahren zu haben, hatten ihn, den wahrhaften Mann mit dem kindlichen Vertrauen zurückhaltend und misstrauisch werden lassen, und dies erschwerte in seinen letzten Jahren hie und da selbst einen Freunden den Umgang mit dem Einsiedler.
Wie geschätzt und verehrt aber der Altmeister unter den Mitclubisten war, konnte man bei den Clubfesten des Schweizer Alpenclub 1889 in Zürich, wo er mit seinem Freunde Ulrich stets der Mittelpunkt eifrig lauschender Kreise war, und wo er in guter Rüstigkeit noch den Ausflug auf den Gottschalkenberg mitmachte, und 1893 in St. Gallen ersehen, wo seine Klause kaum leer wurde von Besuchern, die dem Alten noch einmal die treue Hand drücken wollten. So erwiesen denn auch die Section St. Gallen und der Schweizer Alpenclub als Hauptleidtragende ihrem verstorbenen Mitgründer, Alt-Vicepräsidenten und Ehrenmitgliede in treuem Geleite die letzte Ehre. Möge ihm die Erde leicht sein!
Dr. W. Strauss.

Quelle: Mitteilungen des DÖAV 1896, Seite 159-160

J.J. Weilenmann.
Dieser bekannte Schweizer Bergsteiger, der unter den Pionieren der Ostalpen einen hervorragenden Platz einnimmt, ist am 8.Juni d.j. in St. Gallen gestorben. Wir behalten uns vor, über den Lebenslauf desselben von berufener Feder einen ausführlichen Bericht zu bringen.
Quelle. Österreichische Alpenzeitung 1896, Seite 170

Quelle. Österreichische Alpenzeitung 1896, Seite 242 ff (siehe Anhang)


Der Mann mit der Alpenstange
Der Schweizer Kaufmann Johann Jakob Weilenmann (1819-1896) aus St.Gallen war das treibende Element. Sein recht abenteuerliches Berufsleben hatte ihn für längere Zeit nach Nord- und Südamerika geführt, wobei er offenbar ein Vermögen und nebenher 10.000 Käfer sammelte. Eine Lebensbeschreibung findet man in der Neuauflage seiner Schriften, Bd. I, München 1923. Weilenmann war einer der ganz großen Pioniere in den West- und Ostalpen, einer der kühnsten Alleingänger im Hochgebirge und einer der mutigen Vorkämpfer der Führerlosen, Mitbegründer des Schweizer Alpenklubs und einer der ersten und zugleich erfolgreichsten alpinen Schriftsteller deutscher Zunge. In der Silvretta hatte er bereits 1859 die dritte Besteigung des Piz Linard, des höchsten, und 1861 mit Franz Pöll die erste Ersteigung des Fluchthorns, des zweithöchsten Gipfels gemacht. Jetzt stand der Piz Buin auf dem Plan, war aber nicht das eigentliche Hauptziel dieses Unternehmens.
Das war nämlich die Erstersteigung des Piz Roseg in der Berninagruppe, den er schon am 21.7.1864, auch mit Pöll, versucht, aber nur den Nordgipfel erreicht hatte.
(Auszug aus dem Artikel "Noch zwei Jubiläen" von Walther Flaig)

Quelle: SAC Die Alpen 1963, Seite 100 f
Quelle: Der Bergsteiger 1985, Heft 8, Seite 53 f

Geboren am:
24.01.1819
Gestorben am:
08.06.1896
application/pdf Weilenmann J.J (ÖAZ 1896 242-244)..pdf

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