Arlt Wilhelm von

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Biografie:
Einem allzu Bescheidenen.
Wilhelm von Arlt als Ehrengruß.
Von E. F. Hofmann, München.
Unseres Vereines schönste Treupflicht ist, verschwiegenes Verdienst dem Dunkel zu entreißen.
Deshalb grüßen wir heute einen unserer stillsten Pioniere, den greisen Herrn von Arlt, der Sonnblickgruppe Wohltäter und Beschützer, wie Frl. Olga Stüdl, das orgliche Vereinsgedächtnis, ihn mit Recht benennt. Allzu schweigsam, nicht genug erkannt daher in der Bedeutung eines Wirkens, hielt er sich stets im Hintergrund. Es ist Zeit, daß der Name klingend werde. Ihn zu ehren, sei kurz berichtet von dieses Mannes tief erfülltem Leben, das in Zartheit der Empfindung, Herzensgute, Ideenreichtum und Tatkraft ruhte, durchdrungen dabei von ernster Nutzarbeit um zweckgemäße Ziele.
Es begann zu Prag, im vornehmen Zuschnitt eines echt deutschen Elternhauses, am 16. November 1853. Die Schulausbildung genoß Wilhelm in Wien, wo der Vater (Hofrat Dr. W. v. Arlt) seit 1855 die augenärztliche Professur innehatte. Der Sohn studierte nach Abschluß des Realgymnasiums Landwirtschaft, mehrere Semester Chemie und bekundete besonderes Interesse für Bergmannsfächer. Früh schon zogen ihn die Alpen an sich. 1876 machte er seine erste Eistour, auf den Glockner, damals ein Prüfstein für touristische Eignung, umgeben zugleich von der Hochblüte erschließerischen Geistes. Die Osttauern aber waren noch unbeachtet. Versunken in den Traum glanzvoller Vergangenheit, warteten hier die Täler auf das alpine Vordringen, ahnende Sehnsucht in sich, den herbeizuziehen, der ihre Art verstehen würde.
Für die Rauris war es Wilhelm von Arlt.
Als Student noch, 1876, sah er zum erstenmal dies seltsame, ihm so wesensgleiche Tal. Gewohnt wie er, sein Köstlichstes nach innen zu versenken, lag es — quer aufsteigend aus dem Salzachbett — als landschaftliche Geschlossenheit; in seiner Mitte umhütete es das stattliche Marktbild von Nauris, verzweigte sich dann ober Wörth, rechts nach dem Seiten- (Tauern-) Winkel zum Heiligenbluter Übergang, links in den Hüttenwinkel über die verstreute Gemeinde Bucheben zu den Gletschern hin, ans Herz der Goldminen und des Goldbergbaues, des höchsten und ältesten Europas.
Bedroht von Firnveränderungen, Erzrückgang und Lawinen, wurde er am stärksten und wechselvollsten in den Rauriser Bergwerken Goldzeche und Kolm-Saigurn betrieben. Um jene Jahre plante der österreichische Staat, sie allmählich aufzulassen, eine Katastrophe für die Bewohner. Einer von ihnen, der Hutmann Ignaz Rojacher (geboren 1844 zu Rauris), bannte die aufsteigende Not und pachtete Kolm-Saigurn mit den Goldberggruben. Sein kühnes Einspringen erregte Bewunderung und lockte manchen Besucher herbei, auch Arlt. Ihn fesselten Persönlichkeit und Werkanlage. Seine junge Begeisterung ward eingesponnen in den Zauber des einsamen Hochtales, für das er sich bei der alpinen Gebiets-Verteilung 1877 entschied.
Im Herbst kam er wieder dorthin. Mit hellem Blick ermaß er seinen Wirkungskreis in allen Möglichkeiten alpiner, wirtschaftlicher und technischer Förderung. Nicht in raschem Ansturm, schrittweise nur würde sie geschehen können. Wie gut das war! So konnte er langsam hineinwachsen in Erfahrungen, die Hand in Hand mit seinem Berufe gehen mußten.
1878 pachtete er, väterlich umsorgt, vom Grafen Rieneck-Rostiz den Meierhof Libesnitz unweit Prag. Hier gründete er eine Familie; hier schuf er sich ein Reich nach eigenem Willen. Immer Neues ersinnend, immer verbessernd, umwandelnd, aufbauend, machte er aus dem veralteten, kleinen Wohngebäude ein modernstes Mustergut mit lichten Scheunen, Speichern, Stallungen und gedeckten Dungstätten. Den Raurisern Absatz in Böhmen zu verschaffen, führte er ihr Zuchtvieh ein. Mit seinem Veloziped wurde er zum leidenschaftlichen Vorkämpfer des Fahrrades. Er begann Wiesenbewässerung, züchtete Enten, kurz, er gab Libesnitz eine neue Zeit. Jedes liebte ihn, der stets freundlich blieb, gefällig beisprang, überall wachte und aufs glücklichste anordnete. Er war „ein sehr, sehr guter Herr" (Frau Smidovä).
Jeden Sommer ging er in die Berge, für deren Erschließung und Ruhm er auch in der Ferne arbeitete, wie man auf der Meierei von ihm sagte. Mit der Rauris war er dauernd in Verbindung. Alle Ereignisse dort durchlebte er mit. Besonderen Anteil nahm er am Kolmer Betrieb. Rojacher war in Nöten. Voll erfinderischer Intelligenz, erstaunlich in seiner Bergmannskenntnis, als Bastler und gelernter Zimmermann sehr geschickt, hatte er sich vom Hüterbuben auf emporgeschwungen. Mit eisernem Fleiß hielten seine Leute zu ihm; ihre Rührigkeit gewann für 1876/77 aus den Pochgängen 15.378 Kg Gold, 38 175 kg Silber.*) Das deckte die Kosten. Überschuß blieb keiner. Wie den Ertrag heben? Der neue Pächter war armer Leute Kind. Ohne eigenes Vermögen hatte er die Pacht übernommen. Sie mußte herausgewirtschaftet werden. Ihm fehlten Geld, höhere Ausbildung und Gesundheit. Seit einer Rückgratverletzung ging er an Krücken. Er brauchte Hilfe. Leise schlich die Sorge ums Knappen-Haus.
Ein anderer scheuchte sie diesmal, einer von draußen, Arlt. Er sah die Hemmnis — und er unterstützte geistig, geldlich. Ungelöste Kräfte machte er in Rojacher frei für eine einzigartige Gemeinschaft, die zweier Männer Gedanken und Verwirklichung verschmolz zum Segen eines ganzen Tales. Als ungesagter Anreger, Berater, Helfer ging neben dem Rauriser die Genialität des anderen. Fein empfindend, ahnte dieser wohl, daß man ihm, dem Fremden, für seine Pläne nicht gleich letzte Gefolgschaft geben würde. Knappschaftsdienst im Lawinendonner macht weltabgekehrt und menschenscheu. So trat Arlt selbstlos still zurück, alle Ziele und Erfolge Rojachers Namen überlassend, daß sie nicht durch inneren oder äußeren Widerstand vernichtet würden. Das war dieses Mannes menschlich größte Tat, vor der wir uns zu beugen haben. Durch sie geschah des Hüttenwinkels mächtiger Aufschwung, der seinesgleichen suchte. Er wurzelt im Kolmer Hüttenwerk. Die Pachtsumme zu sparen und volle Freiheit zu erlangen, stand Arlt bei, daß Rojacher es 1880 mit allen Sachwerten kaufen konnte und den Betrieb durch allerlei sinnvolle Einrichtungen erleichterte. Sein Schaustück war seit 1834 der berühmte Erzschleppaufzug Neubau—Kolm mit Neigungen bis zu 55 und 58 Grad bei 580 m Höhenunterschied. Kühn angelegt, wurde er nach Arlts Plan kühn fortgesetzt durch eine vielbestaunte Brems- und Rollbahn. In schwindelnder, doch schönheitstrunkener Fahrt führte sie in acht Minuten zum Knappenhaus (2340 m), war außerdem für Personenmitnahme berechnet im Angesicht beginnenden Fremdenverkehrs. Ihm diente auch die Umwandlung des Kolmer Werkhauses in Rojachers lieben Berggasthof — dem Anfangsstützpunkt unserer Sonnblicktouristik — mit der dortmals sensationellen elektrischen Lichtanlage, in solcher Höhe (1600 m) eine der allerersten in den Ostalpen. Sei übergangen, wie sich Alpinismus und Alpenverein stetig entwickelten, bis der Libesnitzer Gutsherr seinen Sonnblickgedanken hineinwarf in diesen Bereich edelster Firnpracht. Alpine Meteorologie blühte eben empor. Immer neu gewährten Wissenschaft und Bergverbände Gelder dafür. Verschiedene Wetterwarten entstanden in förmlichem Wettstreit. Sieger blieb Österreich mit der Station erster Ordnung auf dem Obir, ehe die Schweiz mit dem Säntis übertrumpfte. Seit den Schlagintweitschen Versuchsreihen auf der Goldzeche hielt sich im Hüttenwinkel das Interesse. Noch mißlang zwar Rojachers Bemühung, auf dem Knappenhaus Dauerbeobachtungen einzuschalten, da sich die Schneeverhältnisse am Herzog Ernst zu ungünstig zeigten. Es ist an sich äußerst schwierig, für feinste Registrierinstrumente einen völlig brauchbaren Platz in solchen Höhen zu finden.
Arlt nahm brennend Anteil an der wichtigen Frage. Auch er suchte, auf seine Weise. Schon schwebte ihm ein Projekt für den Hochkönig vor. Es ließ sich nicht ermöglichen. Vielleicht doch im Hüttenwinkel? Der Sonnblick? Ganz allein, seiner schlichten Art gemäß, kundschaftete er ihn aus und erkannte die hervorragende Eignung der so schönen Bergspitze. Leicht zugänglich, ohne ausgesprochene Gipfelvergletscherung, dennoch in klimatisch reizvoller Jone gelegen, strebte sie frei auf bis zu 3103 m.
Sie hatte gute Schnee-, Fels- und Eisbedingungen zu jeder Jahreszeit, dazu eine herrliche Hochgebirgsschau. Alle Umstände mußten sich also verbinden zum meteorologischen und bergsteigerischen Anziehungspunkt, der sicher den Einheimischen nützen würde. Glückstrahlend meldete er das Ergebnis seinem Rojacher. Zwillinghaft beinahe brachten sie nun das Werk zum Gelingen. Es war schwieriger als gedacht. Allzusehr verblüffte der Vorschlag, der unerwartet großzügig vorgesehen war. In diesen Wochen ist es 50 Jahre, daß der Kolm-Naz (Rojacher) „ernsthaft damit heraustrat, der Eingang zu langen Vorkämpfen, Vorverhandlungen, Beratungen, wobei Altmeister Stüdl half und den Alpenverein erwärmte. Wiens bedeutender Wetterkundler, Dr. Hann, begeisterte sich für den stolzen Plan. Weit schauend wurde er verwirklicht. Unser Verein sorgte für Gipfelverbreiterung und Hausbau, die Wiener Meteorologische Gesellschaft für Station und Telephonanlage. Höchste Anstrengung aber war nötig. Sie fiel zumeist auf Rojacher. Endlich gesundet, hatte er den baulichen Teil übernommen. Rasch, energisch, mit schöpferischer Tatgröße löste er seine Aufgabe, das befreundete Denken und Wollen als befruchtende Anfeuerung um sich. Gewaltig klang das Lied junger Arbeit dort oben, erfüllte die Täler ringsum, verschaffte Brot und beschwor künftige Zeit herauf. Ausweg um Ausweg ersannen die beiden, die vielen Fährnisse zu überwinden. Besonders galt dies für die Fernsprecheinrichtung, die unter größten Schwierigkeiten vom Gipfel über Kolm-Saigurn nach Rauris (912m Höhe) gezogen wurde. Ihr die kürzeste Strecke auszuforschen, erkletterte Arlt im Sommer 1886 allein, unvermutet die unbezwungene Sonnblick-Nordkante, bei der „furchtbaren", gefährlichen Steilheit des Grates („Mitteilungen" 1887, Nr. 10) ein bergsteigerisches Husarenstücke! Zimmermann Jäggei Masterer weiß noch das Entsetzen der Baumannschaft, als plötzlich der Verwegene wie ein Teufelsspuk über der unmöglichen Scharte auftauchte. Das brüchige Gestein und der Hängegletscher verboten hier die Anlage. Sie führt heute über den Nordostgrat, den Arlt auch erstmals erstieg. Die Leitung war bei ihrem Entstehen einzigartig, deshalb hochalpin-technisch ein Muster-, ja Lehrbeispiel. Die feierliche Eröffnung von Haus und Observatorium am 2. September 1886 war für In- und Ausland ein Ereignis. Alles fühlte sich hingerissen von der Landschafts-Pracht des Platzes und seiner fortschrittlichen Auswertung. Unbestritten siegend stand Österreich zum zweitenmal mit einer höchsten, besten Wetterwarte in Europa. Wie außergewöhnlich gut der Ort gewählt gewesen war, erwies sich täglich mehr. Bald mußte erweitert werden. Die Einweihung war ein Ehrenfest für den Schutzherrn Alpenvereinspräsidenten Dr. Zittel. Seitdem ist das Gebäude, das berühmte Zittelhaus, unser Stolz geworden. Aus den Beobachtungsräumen gehen die Wetterberichte hinaus in alle Welt. Ein wahrer Turistenström lenkte über zum Sonnblick, und da sein offener Zugang von Norden her, aus Kolm, in 4 Stunden erfolgt, nutznießt davon das ganze Rauriser Tal, wie Arlt gewünscht und vorgesehen hatte. Er selber ließ sich ungenannt, sacht beiseite stehend in alpinem Edelmut. Kennt man die inneren Zusammenhänge, wird dies begreiflich für damals — heute nicht mehr. Amt der Geschichte ist, die Wahrheit festzustellen, damit neben Rojacher und den anderen Helfern auch er, der stille Ideenbringer, eingehe in die Literatur.
Tiefer Kummer berührte ihn um jene Zeit, über ein Jahrzehnt hatte man im Bergwerk durchgehalten. Nun mußte es veräußert werden (1888). Käufer war der belgische Graf Rotermund. Sein reiches Kapital würde, meinte jeder, den Erwerb im Hüttenwinkel sichern. Leere Hoffnung! Die Verbundenheit, die Liebe der Knappschaft fehlte. Im nächsten Jahr bereits ruhte der Betrieb. Geldlich gebunden, hatte Arlt dies nicht verhindern können. 1890 wurde er vom Pachtvertrag zu Libesnitz frei. Er erneuerte ihn nicht, zur Betrübnis auf der Meierei. „Ich sage ehrlich, als nach zwölf Jahren er wegging, war dem Volke so, als ob ihm der Vater gestorben wäre." Ist es nicht rührend, das Zeugnis des greisen Rosulek? Und so reden alle, die von den schönen Tagen unter dem einstigen deutschen Gutsherrn wissen.
Mit der rückgezahlten Einlagsumme wollte er den Untersteinachhof in Rauris kaufen. Das zerschlug sich und zwang höher hinauf in die Berge. Die Gemeinde Bucheben beherrschend, erhebt sich der Grieswiesschwarzkogel mit den wunderbaren Weidegründen. Astenschmied Pelzler riet zu ihrem Ankauf. Arlt erwarb alle Almen, die bisher unter fünf Bauern verteilt gewesen, und faßte den mächtigen Besitz zusammen in eine Wirtschaftliche Einheit. Zu Kolm baute er sich ein kleines Häuschen, ganz heimisch zu werden in diesem, seinem Herzensgebiet. Wie das Erbe war's eines Dahinsiechenden. Rojacher lag krank. Der ärztlichen Behandlung wegen mußte er in seinen Geburtsort ziehen. Hart trennte er sich von allem, was er im Sonnblickbereich geschaffen hatte. 1891 starb er. Seine Sorge um den Hüttenwinkel trug nun „der Andere". Mehr denn zuvor noch dem Tal zu dienen, ward ihm zur hohen Pflicht. Langsam verwuchs er ihm und dem Ernst der Bewohner. In Tracht und Lebensweise sich ihnen angleichend, gewann er ihr Vertrauen und tiefsten Einblick in ihre Freuden und Nöte. So konnte er durch Rat, Beispiel, werktätige Hilfe und praktische Belehrung aufs segensvollste beeinflussen. Wieviel Wohltaten seine Hand in leiser Güte gab, sei seine liebe Erinnerung allein. Erschüttert war er Zeuge des Hoffens, Bangens und der Enttäuschungen, als Rotermunds Nachfolgerin, eine belgische Gesellschaft, die Goldminen plötzlich zu schöpfen anhub. Sinnlos aber zerstörte sie die Förderanlagen, ohne Ersatzwege zu bauen. Damit war endgültig die Lebensader abgeschnitten und ein geschichtlich unersetzbares Denkmal höchsten Erzbaues für alle Zeit vernichtet. Arlt begrub still in sich das schmerzliche Erlebnis. Warmes Mitleid wandte er den Knappenfamilien zu. Ihnen zu helfen, gründete er eine Art Bergführerschule, nahm auf eigene Touren bezahlte Begleiter mit und unterwies sie in allem Nötigen für den Fremdenverkehr. Es gemahnt an Senn, wie er dabei vorging. Weitblickend wie stets, führte er um die Jahrhundertwende im Tal das Schilaufen (Einstockmethode) ein, hielt Schikurse für Bergführer und Liebhaber, veranstaltete Lang- und Abfahrtsläufe in Rauris zu einer Zeit, als unsere größten Schiparadiese noch keinen Namen hatten (Rarholz). Wie damals wirbt er heute noch für die Tauernhäuser, sie als Schihütten in den Winterbetrieb einzugliedern. Möge man die beherzigenswerten Worte in den „Mitteilungen" 1915 nur nachlesen! Sie sind voll Sachkenntnis und Erfahrung. Ist ja Arlt einer unserer gewiegtesten Praktiker, sechs Jahrzehnte nun daheim im Alpinismus, selber ein selten ausdauernder, sicherer Schiläufer und Bergsteiger. Seine Einzelturen sind gar nicht aufzuzählen. Seit er als Anfänger (1877) Ortler, Cevedale, die Weißkugel mit Ötztalabstieg gemacht, blieb ihm die Leidenschaft für hochtouristische Feinheiten. Am meisten bevorzugte er die Tauern, in denen kein Gipfel sein wird, den er nicht einmal zumindest betrat. Als Achtziger noch besuchte er den Sonnblick im Anschluß an die Tageswanderung Nauris—Heiligenblut und zurück (bei 30 cm Neuschnee) über die Rojacherhütte, die er dem Andenken des Freundes erbaut hatte und die längst zum unentbehrlichen Stützpunkt geworden ist. Wie eine Rückerinnerung scheint diese Bergfahrt, die dem Hochbetagten vergönnte, das Einst und seine Erschließerträume zu vergleichen mit den zur Tat gewordenen Plänen. Viel seines Geistes ist eingegraben im heutigen Gesichte dieser Bergwelt. Wieviel Nutzanregung er gegeben für Hütten-, Wegbau, Führerverhältnisse, Alpenvereinsangelegenheiten u. a. wird man nie ermessen können, weil alles ohne Aufhebens geschah, gelassen, selbstverständlich, daß man die lenkende Hand kaum spürte, auch als ihm andere Sektionen (Erfurt, Salzburg, Hannover, Halle, kleinere Vereinszweige) Helfer wurden im Liebeswerk um die Goldberggruppe. Um 1900 waren Kolm und der Hüttenwinkel in kräftigem Auftrieb. Beruhigten Herzens konnte Arlt nach Rauris übersiedeln. Landwirtschaftlicher Neigung nachgehend, richtete er im „Schernthaner" ein neuzeitliches Mustergut ein (das er lange dem getreuen Pelzler verpachtete). Mit Glück und Geschick verwertete er auf seinen verschiedenen Besitzungen fortschrittliche Ideen, auch hier ein Vorbild für die Bewohnerschaft. Vor allem hob er Fisch- und Geflügelzucht, Obst- und Kartoffelbau, dem Tal zum Nutzen. Im wunderhübschen Heim zu Rauris wahrt er ein Stück Vergangenheit und Heimatkunst. Mit der Sonne auf, frisch wie ein Sechziger, ist er um und um, bekannt. Ob er weiß, welche Liebe und Anhänglichkeit ihn umgibt? Laut und lauter spricht sie von seinen Verdiensten, die nicht mehr zum Schweigen zu bringen sind. Das prächtige Wasser, das er beim Bodenhaus fassen ließ, heißt vielfach schon Arltquelle, einer der schönsten Aussichtspunkte bei Kolm der Arltblick. Bald wohl mag der Ausdruck Arltgrat (Arltweg, Arltanstieg) in Literatur und Karten eingereiht werden. Denn glühende Verehrung wirbt für dieses seltenen Mannes Recht auf Anerkennung. Frl. Olga Stüdl wahrt es im Sinn ihres Vaters. Alois Glöckler (Prag), Arlts alpiner Schüler und später Zeuge seines Wirkens, ist ihm der flammendste Verkünder. Seine Treue und Hingabe wiegt viel Versäumtes auf. Auch andere zeugten für ihn: Direktor Rarholz — Rojachers wärmster Biograph —, der getreue Pelzler, des wackeren Bürgermeisters Klinglberger Ehrenurkunde für seine Gemeinde Bucheben, die Ehrenmitgliedschaft der S. Kolm, die S. Rauris, die — einst von Rojacher gegründet — Arlt aus ihrer Leblosigkeit neu erweckte und als jahrelanger Obmann tatkräftig vertrat, Hofrat Dr. Hacket als Stimme des Alpenvereins und als letztes das aufgeblühte Rauriser Tal und seine Liebe für den Erschließer.
Bald wird die Wissenschaft sich rüsten, ihr Jubiläum der Wetterwarte festlich zu begehen. Ruhm und Beifall werden wieder aufsteigen im Nachgedächtnis für Rojacher. Als stummer Ehrenwächter hütet ihm ein Berg in der Sonnblickgruppe die Erinnerung. Daneben aber wächst, noch ungeschrieben, ein anderer Name auf, den wir mit gleicher Dankespflicht zu grüßen haben, der des Herrn von Arlt.
*) Siehe Sieg. Rarholz: Ignaz Rojacher („Pinzgauer Wochenblatt". Zell am See. 16. und 24. Juni 1934).
Quelle: Mitteilungen des DÖAV 1935, Seite 68-70

Wilhelm Ritter von Arlt — Ehrenbürger der Gemeinden Bucheben und Rauris.
Reichlich spät fanden die Verdienste eines Mannes Anerkennung, der sein Leben und Wirken voll und ganz der von ihm selbst gewählten Heimat widmete und in rührender Bescheidenheit seine übergroßen Verdienste auf alpinem und sozialem Gebiete stets in das Dunkel stellte. Herr Wilhelm Ritter v. Arlt wurde, in Würdigung der großen Verdienste, die er sich durch sechs Jahrzehnte hindurch in Tat, Wort und Schrift für die Erschließung des Raurisertales erworben hat, zum Ehrenbürger der Gemeinden Bucheben und Rauris ernannt. Die feierliche Überreichung der Ehrenbürger-Urkunden durch Bürgermeister Klingelberger aus Bucheben und durch Regierungskommissär Schubhart fand am Sonntag, den 18. August, nachmittags, in Bucheben im Gasthaus „Zur Frohn" und abends in Rauris im Gasthofe des Siegmund Hofmann statt. Die Räume, in welchen die Feierlichkeiten stattfanden, waren bis auf das letzte Plätzchen von Festgästen besetzt. Den Auftakt zur Feier in Rauris bildete der Libesnitzer Wilhelm Ritter von Arlt-Marsch, den der Prager Komponist Premysl Pejer zu Ehren des einstigen Pächters des Gutes Libesnitz bei Prag komponierte und welcher von der Rauriser Bürgermusik flott zu Gehör gebracht wurde. Eine besondere Auszeichnung für den Gefeierten bildete die Anwesenheit des Herrn Hofrates Dr. Heinrich Hackel, der im Namen des Haupt- und Verwaltungsausschusses dem „jüngsten" Ehrenbürger der Gemeinden Bucheben und Rauris das goldene Edelweiß an die Brust heftete. In ergreifenden Worten gedachte er der Verdienste des Gefeierten als Mitglied des D. u. Ö. A.-V. und des Sonnblick-Vereins. Der Vorsitzende des Hauptausschusses, Prof. Dr. Raimund v. Klebelsberg, entschuldigte sein Fernbleiben in einem sehr ehrenden Schreiben. Möge das verdienstvolle Wirken des „jüngsten" Ehrenbürgers weiterhin seine Würdigung finden; möge nun der allzu Bescheidene das goldene Edelweiß noch lange Jahre in Gesundheit tragen, und möge das Raurisertal den guten Herrn noch ungezählte Jahre zu den „Seinen" zählen.
Die S. Rauris wird dahin wirken, daß zum bleibenden Andenken eine in der Goldberggruppe befindliche Bergspitze auf den Namen Arltspitze umbenannt werde.
Quelle: Mitteilungen des DÖAV 1935, Seite 233-234

Quelle: Mitteilungen des DÖAV 1944, Seite 2
Quelle: Der Bergsteiger Jahrgang 52, 1985, Heft 2, Seite 19

Arlt von Wilhelm, * Prag,ab 1855 Wien
1876 Best.Groß Glockner,3798m, (Hohe Tauern)
1877 Best.Ortler,3902m, (Ortler Alpen)
1877 Best.Cevedale,3769m, (Ortler Alpen)
1877 Best.Weißkugel,3738m, (Ötztaler Alpen)
1880 1.Beg.Hohes Schareck (Schareck)-Pröllweg (Nord- und Nordwestgrat des Herzog Ernsts,
Westgrat des Scharecks),2575m, (Schladminger Tauern)
1880 1.Beg.Hoher Sonnblick (Rauriser Sonnblick)-Südostgrat,3106m, (Goldberggruppe,Hohe Tauern)
1886 1.Beg.(Alleinbeg.)Hoher Sonnblick-Nordkante,3106m, (Goldberggruppe,Hohe Tauern)
1887 1.Beg.Hoher Sonnblick (Rauriser Sonnblick)-Nordpfeiler,3106m, (Goldberggruppe,Hohe Tauern)
1911 1.Beg.Hoher Sonnblick (Rauriser Sonnblick)-Östlicher Nordwandgrat,3106m,
(Goldberggruppe,Hohe Tauern)
1.Beg.Hoher Sonnblick-Nordostgrat,3106m, (Goldberggruppe,Hohe Tauern)
Gerd Schauer,Isny


Geboren am:
16.11.1853
Gestorben am:
1944

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